Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
ODYSSEUS
(getauft am
26.10.2011)
Am
25.10. bildetet sich vor der amerikanischen Ostküste aufgrund besonderer
Strömungsverhältnisse in der oberen Troposphäre (Luftschicht zwischen 5 und 10
km Höhe) ein neues Tiefdruckgebiet. Dies fand derart schnell statt, dass
innerhalb von 24 Stunden der Luftdruck im Tiefzentrum um ca. 30 hPa fiel. Somit
war das Kriterium für eine sogenannte rapide Zyklogenese, d.h. eine schnelle
Tiefdruckgebietsentstehung mit mindestens 24 hPa Differenz in 24 Stunden,
erfüllt. Die neu entstandene Zyklone wurde am 26.10. auf den Namen ODYSSEUS
getauft und war an diesem Tag mit einem Kerndruck von ca. 980 hPa das erste Mal
auf der Berliner Wetterkarte zu sehen.
Das
Tief ODYSSEUS besaß zu diesem Zeitpunkt eine sehr kurze rücklaufende
Okklusionsfront, eine Mischfront mit Kalt- und Warmfronteigenschaften, die vom
Kern wenige hundert Kilometer nach Süden reichte. Vom Kern ausgehend zog sich
eine Warmfront nach Südosten, wo sie über dem mittleren Atlantik auf der Breite
von Lissabon in die Kaltfront eines unbenannten Tiefs überging. Zusätzlich
reichte vom Kern eine Kaltfront in einem Bogen nach Südwesten bis außerhalb des
Analysebereiches der Berliner Wetterkarte.
Der
starke Luftdruckfall entstand dadurch, dass mehr Luft aus den unteren
Luftschichten des Tiefdruckgebietes aufstieg, als von seiner Umgebung
nachströmen konnte. Einhergehend mit diesen aufsteigenden Luftmassen, bildeten
sich großräumige und dichte Wolkenfelder mit teils ergiebigen Niederschlägen.
Gleichzeitig wehte der Wind fast mit Orkanstärke. Die volle Wucht des Sturms
traf noch am gleichen Tag die Insel Neufundland vor der Küste Kanadas. An der
Wetterstation in St. Pierre, direkt vor der Südküste Neufundlands, wurden die
höchsten Windgeschwindigkeiten um 06 Uhr MEZ gemessen. Der über 10 Minuten
gemittelte Wind wehte mit 68 km/h, in Böen wurden sogar 115 km/h gemessen. Damit
verfehlte die Zyklone ODYSSEUS an dieser Station nur knapp die Kriterien für
ein Orkantief mit Böen von mindestens 117,7 km/h. Bei tief hängender, dichter
Stratusbewölkung und 6°C fielen in St. Pierre dabei 6 mm Regen innerhalb einer
Stunde, am gesamten Tag waren es 38 mm.
Das
nasskalte Wetter hielt auf Neufundland noch einen Tag an, und bis in den Vormittag
des 27.10. hinein wurden Windböen bis um
die 100 km/h registriert. Das Zentrum des Tiefs ODYSSEUS war unter
Intensivierung inzwischen weiter nach Nordosten gezogen und lag am 27.10. um 1
Uhr MEZ 200 km östlich von Neufundland. Der Kerndruck war um weitere 20 hPa auf
unter 960 hPa gefallen. Damit hatte das Tief ODYSSEUS den tiefsten Luftdruck
während seiner Lebenszeit erreicht und war auf dem Höhenpunkt seiner
Entwicklung.
Die
Kaltfront holte die vorlaufende Warmfront, vom Tiefzentrum ausgehend, immer
weiter ein, sodass die daraus entstandene Okklusion am 28.10. von der Nähe des
Tiefzentrums auf einer Länge von bereits ca. 1500 km nach Osten reichte.
Hier spaltete sie sich am Okklusionspunkt in Warm- und Kaltfront auf, die bis
nach Süden zu den Azoren reichten. Rund 1100 km südlicher als Neufundland
gelegen, gab es hier bei Tiefsttemperaturen um 20°C in der Nacht des 28.10. um
01 Uhr MEZ immer wieder kurze Regenschauer und einzelne Gewitter, bei
Niederschlagsmengen von 10 mm in 12 Stunden, wie z.B. auf den nördlichen Azoren
in Ponta Delgada.
In
die südwestliche Höhenströmung eingebettet verlagerte sich das Tief ODYSSEUS
bis zum 29.10. vor die Küste Islands, gleichzeitig vergrößerte sich das
Tiefzentrum derart, dass zwei Kerne vorhanden waren. Die Okklusion des
Tiefdruckkomplexes ODYSSEUS traf an diesem Tag das erste Mal auf die
europäische Landmasse und überquerte Irland und Schottland mit Sprühregen,
Regen und tiefen Stratuswolken.
Obwohl
die Kaltfront bereits mit der Warmfront okkludiert war, stieg die Temperatur
durch die südwestliche Windrichtung nach Durchgang der Front in der Nacht zum
30.10. an. In London wurden somit 17°C gemessen, am Vortag waren es nur 14°C.
Während hier kein nennenswerter Niederschlag beim Frontdurchgang fiel, wurden
vom 29.10. um 7 Uhr MEZ bis zum 30.10. um 07 Uhr MEZ in Glasgow 12 mm gemessen.
Die beiden Kerne des Tiefs ODYSSEUS hatten sich inzwischen wieder zu einem
vereint, wobei der Kerndruck über der Südküste Islands mittlerweile auf ca. 980
hPa angestiegen war.
Am
Nachmittag des 30.10. überquerte die Okklusionsfront Deutschland, wobei hier
das Wettergeschehen dem in London sehr ähnlich war. Die Temperaturen erreichten
Höchstwerte zwischen 14 und 17°C. Einzig unter dichtem Nebel oder Hochnebel in
größeren Flusstälern wie der Donau gab es nur um 9°C. Die größten
Niederschlagsmengen wurden an den Küsten registriert. Das meiste fiel in
Schleswig mit 4 mm innerhalb von 24 Stunden. Während an diesem Tag im Nordosten
Deutschlands und am Alpenrand mit 3 bzw. 7 Stunden Sonnenschein am meisten die
Sonne schien, konnte sich einen Tag später am 31.10. vor allem in der Mitte
Deutschlands wieder vermehrt die Sonne durchsetzen. Hier zogen die dichten
Wolkenfelder der Front ab. Diese blieben aber noch nordöstlich einer Linie
Hamburg – Berlin liegen und ließen für keine einzige Minute die Sonne
durchscheinen. Hier blieb es jedoch mit 15°C wie in Greifswald noch sehr mild. Auch
vom Bodensee über das Alpenvorland und Donautal hinweg bis nach München herrschte
ganztags dichter Nebel und Hochnebel, jedoch bei költeren Temperaturen. In Ulm
wurde so, nach der Abkühlung in einer anfangs klaren Nacht, nur eine
Höchsttemperatur von 6,1°C erreicht, auf der mehr als 2400 m höher gelegenen
Zugspitze war es mit 5,7°C nahezu gleich kalt.
Das
Zentrum des Tiefs ODYSSEUS hatte sich in der Zwischenzeit kaum verlagert und
befand sich am 31.10. über der Ostküste Islands. Von Westen hatte sich das Tief
PETER genähert. Dieses Tief hatte im Gegensatz zur Zyklone ODYSSEUS noch einen
stark ausgeprägten zugehörigen Höhentrog. Als am 01.11. der Kerndruck auf knapp
985 hPa angestiegen war, begannen sich die beiden Tiefdruckgebiete, die sich
inzwischen auf unter 1000 km angenähert hatten, zu
vereinen. Da sich Tief ODYSSEUS in einer Phase der Abschwächung befand und
keinen zugehörigen Höhentrog mehr besaß, wurde es noch am gleichen Tag von Tief
PETER aufgenommen und erschien somit an diesem Tag das letzte Mal auf der Berliner
Wetterkarte.
Gschrieben
am 07.11.2011 von Thomas Schubert
Berliner
Wetterkarte: 27.10.2011
Pate:
Harald Spyra