Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet OLAF

(getauft am 28.11.2019)

 

Die Vergabe von Namen an Hoch- und Tiefdruckgebiete wird von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte nur für solche Druckgebilde durchgeführt, welche einen Einfluss auf die Großwetterlage in Europa haben. Am 28.11.2019 um 01 Uhr MEZ befand sich ein Tiefdruckgebiet etwa 1500 km östlich von Neufundland mit einem Kerndruck von unter 1000 hPa. Dieser Wirbel lag im nördlichen Bereich der Westwinddrift, wodurch er sich Richtung Osten fortbewegen sollte. Des Weiteren lag die Zyklone direkt an der Polarfront. Die Polarfront bezeichnet die Grenze zwischen kalten polaren Luftmassen im Norden und milden subtropischen Luftmassen im Süden.  Dadurch entstehen große Temperaturgegensätze, wodurch sich die Tiefdruckgebiete intensivieren können. Deshalb ging die Berliner Wetterkarte davon aus, dass der Wirbel Mitteleuropa erreichen würde und taufte die Zyklone daher auf der Analysekarte vom 28.11.2019 um 1 Uhr MEZ auf den Namen OLAF.

Der Entwicklungsstadium von Tief OLAF war bereits weit fortgeschritten, da es sich hierbei um ein okkludiertes Tief mit einer Okklusionsfront handelte. Dabei handelt es sich um einen Vorgang, bei dem sich eine Mischfront bildet, welche durch den Zusammenschluss von Warm- und Kaltfront entsteht und die Eigenschaften beider Typen in sich vereint. Warm- und Kaltfront bezeichnen hier die Grenze zwischen zwei unterschiedlich temperierten Luftmassen. Die Okklusionsfront erstreckte sich nach Südwesten und ging nach einer kurzen Strecke in eine Kaltfront über. Eine signifikant ausgeprägte Warmfront war nicht vorhanden.

Am 29.11. lag Tief OLAF etwa 2500 km westlich von Irland mit einem Kerndruck von unter 990 hPa. Im Tagesverlauf bildete sich eine nach Südosten ausgerichtete Warmfront aus, welche am Nachmittag erstmal das europäische Festland erreichte. Die Warmfront traf auf die Küstenlinie der Iberischen Halbinsel und sorgte dort zusammen mit orographisch bedingten Hebungsprozesse für Niederschläge. An einigen Stationen gab es konvektive Niederschläge wie in Casas do Porto mit insgesamt 53,4 l/m² innerhalb von 24 Stunden. Allerdings fielen ca. 46 l/m² davon schon innerhalb von 4 Stunden, was für eine hohe Niederschlagsintensität spricht, wie sie vor allem bei konvektiven Cumulonimbuswolken vorkommt. Allein zwischen 15 und 16 Uhr MEZ wurden 17,4 l/m² registriert. Auf konvektive Niederschläge deuten ebenfalls lokale Unterschiede der Niederschlagssummen hin. 15 Kilometer nordwestlich in Nola betrug die Niederschlagssumme lediglich 4,6 l/m². Weitere größere Niederschlagsmengen waren in Mazaricos-A Picota und Vimianzo-Castrelo mit jeweils 33 l/m² verortet. Zudem wehte der Westwind in den Küstenregionen mit bis zu 74 km/h in Böen, was Windstärke 8 bis 9 entspricht. Zusätzlich wurde eine angenehm warme Luftmasse angeströmt, wodurch die Höchsttemperatur im Nordwesten Spaniens auf bis zu 16°C anstieg.

Bis zum folgenden Tag hatte sich das Tief OLAF bis 700 km südwestlich von Irland verlagert. Der Kerndruck war leicht um 10 hPa auf unter 1000 hPa angestiegen. Die Okklusionsfront mit dem Okklusionspunkt überquerte die französische Atlantikküste und verursachte dort einige Niederschläge. Besonders in der Nähe des Okklusionspunktes gab es meist Starkniederschläge, da die Kaltfront direkt auf die Warmfront folgt. In Quimper wurden 31,2 l/m² registriert, wobei 19 l/m² davon zwischen 10 und 12 Uhr MEZ fielen. Ähnlich war es auch auf der französischen Insel Belle-Île-en-Mer mit 31,1 l/m², wobei dort die Niederschlagsintensität innerhalb einer Stunde mit 19 l/m² nochmal erheblich höher war. Zusätzlich meldeten zahlreiche Stationen in den Pyrenäen diverse starke Niederschläge mit zweistelligen Niederschlagssummen. Beispielsweise wurden in Canfranc auf 1170 Metern 36,8 l/m² gemessen. Außerdem setzten in der Nacht zum 1.12. einige Niederschläge im Südosten Frankreichs ein. Die Station Aubenas meldete 40,1 l/m² innerhalb von 24 Stunden, wobei ein Großteil des Niederschlags in der Nacht fiel. Des Weiteren frischte der Wind bei dem Durchgang der Kaltfront kurzzeitig auf und erreichte in Estaca de Bares 94,5 km/h, was der Windstärke 10 entspricht.

Bis zum Sonntag, dem 01.12. hatte sich das Tief OLAF bis in den Nordwesten Spaniens fortbewegt mit einem weiterhin ansteigenden Kerndruck von unter 1010 hPa. Am Nachmittag verhielt sich die Kaltfront stationär über der französischen Mittelmeerküste, weshalb es zu lokalen Starkregenereignissen und daraus resultierenden Überschwemmungen kam. Hierbei stagnieren die konvektiven Cumolonimbuswolken an einer Stelle.  In Cannes verharrten die Gewitterwolken über mehrere Stunden an der Station, weshalb die Niederschlagssumme innerhalb von 4 Stunden 160 l/m² betrug. Zeitweise betrug die Niederschlagsintensität 46 l/m² zwischen 17 und 18 Uhr MEZ und 42 l/m² zwischen 19 und 20 Uhr MEZ. Dieser Wert war außergewöhnlich, wobei es auch anderen Stationen zum Teil zu starken Regenschauern kam. Beispielsweise in Saint-Auban betrug die Niederschlagssumme 94,0 l/m² innerhalb von 24 Stunden. Vereinzelt gab es auch Sturmböen wie in Hyères mit 89 km/h.

Am nachfolgenden Tag befand sich die Zyklone OLAF über Málaga im Südosten Spaniens mit einem Kerndruck von unter 1010 hPa. Zeitgleich hatte sich die Kalt- und Warmfront aufgelöst, sodass nur noch eine Okklusionsfront vorhanden war, weshalb es sich bei dem Wirbel OLAF um ein vollokkludiertes Tief handelte. Dieses stagnierte nahezu über dem Südosten Spaniens, weshalb es dort zu starken Niederschlägen südlich von Valencia kam. In Barx betrug die aufsummierte Niederschlagssumme des Tages unglaubliche 214,6 l/m². Hierbei war die Niederschlagsintensität relativ gleichmäßig verteilt mit 10 bis 20 l/m² stündlich. Dies ist nur möglich, wenn advektive Niederschläge wiederholt schauerartig verstärkt werden und das Niederschlagsgebiet um einen Ort rotiert bzw. über diesem stagniert. Wahrscheinlich gab es über der Station Barx eine kleinräumige Konvergenzlinie. Dabei strömen die Luftmassen aus dem Westen auf sehr feuchte Luftmassen vom Mittelmeer, wobei diese anschließend in die Höhe ausweichen und konvektive Niederschläge verursachen. In Murcia sorgte ein Gewitterschauer in der Nacht zum 02.12 um 2 Uhr MEZ für 58,9 l/m² innerhalb einer Stunde. Im Vergleich dazu liegt der mittlere Jahresniederschlag in Berlin bei 570 l/m². In Barx betrug die Niederschlagssumme eines Tages also 1/3 des gesamten Jahresniederschlags Berlins.

Das Tief OLAF verlagerte sich über Marokko, Algerien und den Mittelmeerraum bis nach Sizilien. Es kam an weiteren Tagen wieder zu Starkregenereignissen, da weiterhin die Luftmassen vom Mittelmeer zur spanischen Mittelmeerküste angeströmt wurden. Besonders der 04.12. war hierbei nochmals beachtlich, da es im Nordosten Spaniens zu schweren Überschwemmungen kam. In Katalonien und auch an angrenzenden Stationen wurden verbreitet über 50 l/m² gemessen, wobei punktuell auch dreistellige Niederschlagssummen gemeldet wurden. Der höchste Wert war in der katalanischen Stadt Girona mit 119 l/m² verortet. Aber auch im Stadtzentrum Barcelona wurde die 100-l/m²-Grenze fast geknackt. Zwischen 17 und 18 Uhr MEZ fand dort ein konvektives Starkregenereignis mit fast 25 l/m² innerhalb einer Stunde statt. Aufgrund der hohen Wassersättigung des Bodens durch die anhaltenden Niederschläge floss der gesamte Niederschlag als Oberflächenabfluss ab, weshalb die Menschen vielerorts in knietiefem Wasser standen. In den nachfolgenden Tagen schwächte sich der Wirbel OLAF immer weiter ab, bis er am 07.12. nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte erwähnt wurde.