Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
OLIANE
(getauft
am 25.06.2016)
Am Boden herrscht durchschnittlich ein
Luftdruck von ungefähr 1013 hPa. In der Atmosphäre nimmt dieser mit der Höhe
ab, da sozusagen immer weniger Masse in der Luftsäule darüber nach unten drücken
kann. Die Höhe, in der der Druck auf 500 hPa gefallen ist, kann als Fläche
gesehen werden. Diese sogenannte 500-hPa-Druckfläche befindet sich in etwa auf
einer Höhe von 5,5 km und ist sehr wichtig für das Verständnis der großräumigen
Wettersituation. Tröge sind Regionen, bei denen die 500-hPa-Fläche eine relativ
geringe Höhe aufweist. Meist sind sie dort vorhanden, wo relativ kalte, polare
Luft in Form eines Wellentales nach Süden strömt. Auf der Vorderseite dieser
Tröge wird die Luft unterhalb von 500 hPa häufig angehoben. Durch dieses Anheben
entstehen am Boden Tiefdruckgebiete. Es findet also eine sogenannte Zyklogenese
statt. Eben solch ein Prozess vollzog sich am 25. Juni 2016. In der 500-hPa-Höhenwetterkarte
von 02 Uhr MESZ der Berliner Wetterkarte war ein ausgeprägter Trog zu erkennen,
der im Tagesverlauf über Südgrönland zog und zu einer Zyklogenese führte. Da
das neu entstandene Tief mit der Westströmung auf den europäischen Raum
Einfluss nehmen sollte, wurde es in der Prognose für den Folgetag von den
Meteorologen der Berliner Wetterkarte auf den Namen OLIANE getauft.
Am Morgen des 26. Juni lag die Zyklone OLIANE
mit ungefähr 995 hPa im Kern über dem Nordatlantik zwischen Grönland und
Island. Als Frontensystem zog sich bereits eine Okklusion vom Kern aus nach
Osten in einem Bogen bis etwa 500 km südlich von Island. Eine Okklusion wird im
Allgemeinen als eine Front mit Warm- und Kaltfrontcharakter bezeichnet, bei der
großräumig Warmluft von Kaltluft angehoben wurde. Südlich von Grönland trennte sich
das Frontensystem am sogenannten Okklusionspunkt in eine Warmfront nach
Südosten bis Irland, und eine Kaltfront, welche in einem Bogen nach Südwesten
über den zentralen Nordatlantik verlief. Zusätzlich zog sich vorderseitig des Tiefs
OLIANE noch eine ältere Okklusion von der Insel Jan Mayen nach Süden über
Irland und von dort als Warmfront noch etwa 800 km nach Südwesten. Im Verlauf
des Tages okkludierte das Frontensystem der Zyklone weiter und zog über Island,
Irland und Teile Großbritanniens. Zunächst überquerte die Okklusion im Norden
Island, wobei an der meteorologischen Station von Reykjavik 13 l/m² Regen in
drei Stunden bis 11 Uhr MESZ gemessen wurden. Bis 14 Uhr MESZ fielen in sechs
Stunden bereits 4 l/m² im nordirischen Castlederg, 3 l/m²
am Flughafen von Dublin und rund 2 l/m² im walisischen Aberdaron.
Bis 20 Uhr MESZ waren die Okklusion und die Warmfront noch weiter nach Osten
vorangekommen. Infolge dessen hatte sich die Niederschlagsmenge in Aberdaron bis dahin auf 6 l/m² erhöht. Auch in Edinburgh
wurden zwölfstündig bis 20 Uhr MESZ 3 l/m² Regen registriert und in London und
Brest hatte der Regen am Abend eingesetzt.
Bis zum Nachttermin um 02 Uhr MESZ des 27.
Juni hatte das Frontensystem bereits Teile Frankreich und Englands überquert
und zog weiter in Richtung Osten. Der Kern blieb an diesem Tag fast stationär
über Island. Vom Kern verlief eine weitere Okklusion in Richtung Südwesten. Die
erste Okklusion zog sich in einem Bogen nach Nordosten, dann nach Süden über
die Nordsee westlich von Norwegen bis zum Okklusionspunkt an der Ostküste
Englands. Dort trennte sich das Frontensystem in eine Warmfront nach Süden über
den Ärmelkanal und Westfrankreich und eine Kaltfront in einem Bogen nach
Südwesten, bis sie in eine Warmfront eines Wellentiefs über dem Nordatlantik
überging. Das Frontensystem zog vorrangig mit Kaltfrontcharakter bis über
Norwegen, Dänemark, Westdeutschland und die Biskaya. Dabei drang polare
Meeresluft in die benannten Regionen vor, was beispielsweise in Charterhall zu
einem Rückgang der Tageshöchsttemperatur von 21,5°C des Vortages auf 18,0°C
führte. In manchen Regionen wurde dafür mehr Sonne registriert, was den
Einfluss der Luftmassenänderung auf die Temperatur relativierte. So gab es in
Dublin knapp 9 Stunden Sonne und eine Maximaltemperatur von 18,6°C. Am Vortag
waren es noch 17,7°C. Niederschlag fiel erneut überwiegend als Regen entlang
der Fronten. So wurden zwischen 08 und 20 Uhr MESZ in Oslo 2,8 l/m², in Askov 10 l/m², in Bremerhaven 4,9 l/m² und in Paris 3 l/m²
registriert. Doch auch hinter der Front in der feuchten, polaren Luftmasse
konnten sich einige schwache Schauer bilden, die beispielsweise am Flughafen
von Belfast 0,8 l/m² Niederschlag fallen ließen.
Am 28. Juni lag das Tief OLIANE mit einem unveränderten
Kerndruck von etwa 995 hPa ungefähr 100 km südwestlich von Island. Auch in der
500-hPa-Karte war das korrespondierende Höhentief innerhalb eines Troges mit
Achse von Grönland bis Mitteleuropa ausgeprägt. Auf der Vorderseite dieses
Troges lag ein weiterer Tiefdruckkern und bildete so kurzzeitig einen
Tiefdruckkomplex mit dem Wirbel OLIANE. Das Frontensystem verlief dabei nicht
mehr direkt vom Kern, wurde jedoch durch die Zirkulation um den
Tiefdruckkomplex weiter gesteuert. Von Norwegen zog sich die Okklusion bis zur
Ostsee und ging über Deutschland in eine Kaltfront über. Letztere zog sich von Frankreich
bis zur Biskaya, wo diese in die nachfolgende Warmfront überging. Diese
Warmfront und eine weitere Kaltfront über dem Nordwestatlantik gehörten jedoch
zu keinem eigenständigen Tiefdruckgebiet mehr und waren daher in die
Zirkulation um den Kern OLIANE eingegliedert. Mitteleuropa stand am 28. Juni
unter Hochdruckeinfluss und so konnte sich das gealterte Frontensystem dort
kaum noch durchsetzen. Teils kam es dennoch durch Einstrahlung und Hebung an
der Front zu schauerartigen Niederschlägen oder Gewittern. In Berlin-Tegel
fielen zum Beispiel 1,9 l/m² zwischen 08 und 14 Uhr MESZ. In Chemnitz waren es
5,6 l/m², in Stettin 12 l/m² und im französischen Langres
immerhin 5 l/m² im selben Zeitraum. Die Front verlagerte sich dabei jedoch kaum
und so wurden beispielsweise in Magdeburg fast 12 Stunden Sonne registriert,
obwohl es im 100 km entfernten Leipzig nur rund 3 Stunden gab. Weitere
Niederschläge fielen besonders an der Küste und den Gebirgen Norwegens wie 4 l/m²
in Trondheim und außerdem entlang des nachfolgenden Frontensystems über
Großbritannien. Dort kam es weiträumig zu Starkregen, welcher am Flughafen von
Cork 11 l/m², in St. Athan 20 l/m² und in Fylingdales 13 l/m² in 12 Stunden bis 20 Uhr MESZ brachte.
Bis zum Nachttermin des 29. Juni hatte sich
das Tief OLIANE wieder als eigenständiger Kern durchgesetzt und lag weiter mit
995 hPa 100 km südlich von Island. Innerhalb einer starken Westströmung
zwischen dem Azorenhoch und dem Wirbel OLIANE zogen kleinräumige
Tiefdruckgebiete mit ihren Fronten zügig über den Nordatlantik bis Europa.
Diese brachten erneut hohe Niederschlagsmengen, besonders über Großbritannien,
Norwegen, der Ostsee und im Alpenraum, unterstützt durch die Hebung am Gebirge.
Zusammengefasst fielen in Gösgen in der Schweiz ganze
35,4 l/m², in Grassau 27,6 l/m², in Malmö 19,7 l/m², im norwegischen Eik Hove 37,5 l/m² und in
Nottingham 17,4 l/m² im Beobachtungszeitraum zwischen 08 Uhr und 08 Uhr MESZ
des Folgetages. Es wurden zwar zu dem Tiefdruckgebiet keine zugehörigen Fronten
mehr analysiert, aber dennoch sorgten kleine Regenbänder für dreistündige Mengen
um 0,8 l/m², wie in Reykjavik zwischen 20 und 23 Uhr MESZ. Währenddessen war
der Luftdruckgradient, also die Stärke der Änderung des Drucks, zwischen
Zyklone OLIANE und dem Hoch über dem Nordatlantik sehr intensiv. Da der
Druckgradient als maßgebliche Kraft für die Entstehung von Wind gilt, war an
diesem Tag eine kräftige Westströmung in West- und Mitteleuropa vorherrschend.
Besonders zum Nachmittag wurden mitunter kräftige Böen registriert. In Egersund wurden von den Messinstrumenten 93 km/h als
maximale Windböe zwischen 14 und 20 Uhr MESZ verzeichnet. Das entspricht nach
der Beaufort-Skala Böen der Stärke 10, also schwerem Sturm. In Amsterdam und
Berlin-Tegel waren es immerhin noch knapp 50 km/h und in Brest 54 km/h im
selben Zeitraum.
Diese Wetterlage setzte sich über die
folgenden zwei Tage fort. Der Wirbel OLIANE und das dazu korrespondierende
Höhentief blieben nahezu stationär 200 km südöstlich von Island. Mit der
kräftigen Westströmung südlich der Zyklone wurden weiter schwache Tiefs mit
deren Frontensystemen über den Nordatlantik nach Europa geführt und der
Hochdruckeinfluss langsam abgeschwächt. Dabei floss weiter maritime Polarluft
ein, in welcher sich besonders entlang der Fronten schauerartig verstärkte,
teils auch gewittrige, Niederschläge entwickelten. Die Regionen, die von den kleinräumigen
Niederschlagszellen überquert wurden, fielen in kurze Zeit hohe
Niederschlagsmengen. So verzeichnete die Station Retie
56 l/m² in nur einer Stunde bis 12 Uhr MESZ des 30. Juni, wobei es im
nahegelegenen Eindhoven trocken blieb. Besonders im Stau der Alpen, wo die Luft
zum Aufsteigen gezwungen wurde, entwickelten sich immer wieder Schauer. Auf dem
Mariahilfberg bei Wiener-Neustadt wurden stündlich
bis 18 Uhr 63 l/m² gemessen. Im schweizerischen Entlebuch
waren es beispielsweise gleichzeitig 9,5 l/m². Am 01. Juli sorgte eine sich
kaum verlagernde Front im Nordseeraum und Großbritannien für anhaltenden Regen.
Zwischen 08 und 20 Uhr MESZ fielen dabei in Eindhoven 10 l/m², in Kiel 5,2 l/m²,
in Landvik 23 l/m² und in Crosby 7 l/m².
Am Morgen des 02. Juli hatte sich
Tiefdruckgebiet OLIANE auf ungefähr 1000 hPa im Kern abgeschwächt und bildete
mit einem weiteren Tief einen umfassenden Tiefdruckkomplex. Dieser
Tiefdruckkomplex umfasste um 02 Uhr MESZ den Bereich um Island, Schottland und
Südwestnorwegen, wobei der Kern OLIANE etwa 100 km nördlich von Schottland lag.
Als Frontensystem ging von Island eine Okklusion in einem Bogen über
Spitzbergen bis Zentral-Norwegen aus, von wo eine Kaltfront nach Südwesten über
Schweden führte, welche nach kurzzeitigem Warmfrontcharakter über der Ostsee
wieder als Kaltfront quer über Deutschland, Südfrankreich und Spanien bis
Portugal verlief. Außerdem wurde vorlaufend eine Kaltfront vom Weißen Meer über
Westrussland analysiert. Dieses Frontensystem zog im Verlauf des Tages weiter
über den Nordseeraum, Polen und Tschechien und brachte schauerartige Regenfälle
mit sich. Die meteorologische Station von Oslo meldete zwölfstündig 7,2 l/m².
In Rostock waren es 8,5 l/m², in Nürnberg 8,4 l/m² und in Bern 6 l/m² im selben
Zeitraum. Vor der aktiven Front wurde derweil über Osteuropa milde subtropische
Luft nach Norden geführt. Dabei entwickelte sich eine Konvergenzlinie, an der
Luft aufstieg und sich so Gewitter bilden konnten, welche beispielsweise zur
gleichen Zeit in Salzburg 16 l/m² Niederschlag brachten. Die European Severe Weather Database sammelte sogar Meldungen von
Starkregen, vereinzeltem Hagel und sogar zwei schwachen Tornados bei Hamburg
und Landskrona.
Im Verlauf des 03. Juli verlagerte sich der
Tiefdruckkomplex nach Nordosten über das Europäische Nordmeer. Der Kerndruck
blieb dabei bei ungefähr 1000 hPa. Eine Okklusion zog sich von rund 400 km
westlich des Kerns durch den Kern nach Nordosten bis zur Nordspitze Norwegens.
Dort trennte sie sich an einem weiteren Tiefdruckkern in eine kurze Warmfront
nach Osten und eine Kaltfront über Schweden, Finnland, das Baltikum und dann in
einem Bogen über Ungarn und Norditalien, wo sie als kurze Warmfront endete. Vor
der Front wurde über Weißrussland und der Ukraine weiterhin eine
Konvergenzlinie analysiert. Besonders die Kaltfront mit ihren Gewittern brachte
zwölfstündig bis 20 MESZ zum Beispiel 33 l/m² im finnischen Mikkeli, 13 l/m² in
Vilnius, 31 l/m² in Pinsk und 43 l/m² in Leovo. Mitunter wurden bis zu 76 km/h in Belci in Moldawien oder in Borisov
bei Minsk als Spitzenböen gemessen. Besonders in der ersten Tageshälfte sorgte
auch die Okklusion im Bereich des Kerns für Regen entlang der Küste Norwegens.
Bis 08 Uhr MESZ wurde beispielsweise an den Stationen in Bergen 11 l/m² und in
Trondheim 14 l/m² in zwölf Stunden registriert.
Über den 04. Juli und bis zum Nachttermin
des 5. Juli schwächte sich das Tief OLIANE weiter auf etwa 1005 hPa ab. Mit der
Abschwächung des Boden- und des dazugehörigen Höhentiefs wurde auch die
zyklonale Strömung immer unbedeutender. So hatte der Wirbel OLIANE kaum noch
Einfluss auf das Wettergeschehen in Europa. Vom Kern etwa 800 km nordöstlich
von Island verlief nur noch eine schwache Okklusionsfront nach Nordosten über
Spitzbergen und die Barentssee. Der Tiefdruckeinfluss brachte an Norwegens
Küste noch einmal Niederschlagsmengen von bis zu 1,8 l/m² in Setsa oder 1,1 l/m² in Reipa innerhalb
von 24 Stunden bis zum Morgentermin um 8 Uhr MESZ des 5. August.
Über den 06. und 07. Juli lag der Wirbel
OLIANE mit seiner Front nur noch als kleines Randtief über dem Europäischen
Nordmeer. Der Kerndruck verstärkte sich nach kurzer Abschwächung auf etwa 1010
hPa noch einmal leicht auf unter 1005 hPa. Abgesehen von ein paar Wolkenfeldern
über Island und dem Nordmeer war jedoch keine Wetterwirksamkeit über Europa
mehr festzustellen.
Bis 02 Uhr MESZ des 08. Juli 2016 zog der
Tiefdruckkern OLIANE mit 1005 hPa weiter nach Westen über die Insel Jan Mayen.
Dort wurden zuletzt bis 20 Uhr MESZ noch geringe Niederschlagsmengen
registriert. Bis zum Folgetag zogen neue Tiefdruckgebiete und dazugehörige
Tröge aus Westen heran. Damit konnte das Tief OLIANE nach 13 Tagen Lebensdauer nicht
weiter auf der Bodenanalyse der Berliner Wetterkarte verzeichnet werden.
Geschrieben
am 01.08.2016 von Jannick Fischer
Berliner
Wetterkarte: 27.06.2016
Pate:
Liane Petersen