Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet OLIVER

(getauft am 23.12.2011)

 

Am 23. Dezember 2011 wurde ein Tiefdruckgebiet vor der Ostküste der kanadischen Insel Neufundland auf den Namen OLIVER getauft. Es bildete sich am südlichen Rand eines Tiefdruckgebietes, das über der Polarregion Nordkanadas und Westgrönlands lag. Dieses war sowohl am Boden als auch in der Höhe von ca. 5,5 km ausgeprägt. Im Kern des Randtiefs OLIVER herrschte ein Luftdruck von etwas unter 1000 hPa. Zum Zeitpunkt der Taufe besaß das Tief eine Okklusion, eine Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften, die sich vom Kern einige Hundert Kilometer nach Süden zog, bevor sie sich in Warm- und Kaltfront aufspaltete. Beide Fronten verliefen bogenförmig, die Warmfront nach Süden und die Kaltfront nach Westen.

Mit einer kräftigen Höhenströmung zwischen dem arktischen Tiefdrucksystem und einem ausgeprägten Azorenhoch verlagerte sich der Wirbel OLIVER bis zum Morgen des 24. Dezember nach Nordosten. Er befand sich nun zwischen der Südspitze Grönlands und Island. Der Kerndruck war auf leicht unter
970 hPa gefallen. Der Verlauf der Fronten blieb bei dieser Verlagerung annähernd bestehen, allerdings zog sich vom Kern aus eine weitere Okklusion bis zur Südspitze Grönlands. Die zum Tief OLIVER gehörenden Fronten brachten bis zum nächsten Morgen an der Wetterstation in Reykjavik Regen. Dabei wurde die weiter östlich gelegene Warmfront zunehmend von der schneller vorankommenden Kaltfront eingeholt. Mit der Zunahme des Luftdruckunterschiedes zwischen dem Kern und der Umgebung gab es im Einflussbereich des Tiefdruckgebietes OLIVER vielerorts Sturm, teils auch Orkan. So erreichten die höchsten Böen auf den Faröer-Inseln beispielsweise tagsüber mit 56 kn schon die Windstärke 10, am Abend stürmte es dort sogar mit bis zu 69 kn, was der Orkanstärke 12 entspricht.

Am Morgen des 25. Dezember lag der Kern des Tiefs OLIVER nun südlich der Insel Jan Mayen und hatte sich auf knapp unter 955 hPa verstärkt. Die vom Kern über Trondheim und Oslo bis zur nördlichen Nordsee reichende Okklusionsfront hatte im Verlauf bereits Schottland überquert und die Westküste Skandinaviens erreicht. Damit verbunden waren 24-stündige Niederschlagsmengen im zweistelligen Bereich, wie im schottischen Glasgow, wo 11 l/m² fielen, oder im norwegischen Bergen, wo 16 l/m² registriert wurden. Auf den Faröer-Inseln waren es mit 17 l/m² ähnliche Niederschlagssummen. Auf der Rückseite des Wirbels OLIVER nahm der Wind nochmals zu. Es wurden Orkanböen jenseits von 99 kn gemessen, was Windspitzen von über 180 km/h entspricht. Vom südlichen Ende der Okklusion, dem sogenannten Okklusionspunkt, ging zum einen eine über England bis zur Biskaya verlaufende Warmfront aus. Zum anderen verlief eine Kaltfront vom Okklusionspunkt bis nach Nordirland. Zwischen der Warmfront und der Kaltfront spannte sich der sogenannte Warmluftsektor auf, in dem fast frühlingshafte Höchsttemperaturen gemessen werden konnten. So erreichte die englische Hauptstadt London einen Maximalwert von 12°C. In der irischen Hauptstadt Dublin und selbst an der Wetterstation von Stornoway, auf den Äußeren Hebriden vor der schottischen Westküste, betrug die Höchsttemperatur sogar 13°C. Die Warmfront beeinflusste auch das Wetter in Deutschland. In der Nordhälfte Deutschlands wurden Höchstwerte von 6 bis 10°C erreicht, obwohl es nördlich des Mains meist dicht bewölkt war, und bis zum Morgen des 26. Dezember gebietsweise ca. 2 l/m² Niederschlag fielen.

Mittlerweile war das Tiefdruckgebiet OLIVER mit seinem Kern, in dem nach wie vor knapp unter 955 hPa Luftdruck gemessen wurden, nach Nordosten gezogen und lag nun zwischen der Inselgruppe Spitzbergen und Nordnorwegen. Vom Tiefdruckzentrum ausgehend erstreckte sich eine Okklusionsfront über das russische Archangelsk bis zur weißrussischen Hauptstadt Minsk und  besaß dabei streckenweise den Charakter einer Warmfront. Im nordrussischen Murmansk gab es im Bereich der Okklusion in labiler Kaltluft Schneeschauer, während es im weiter südlich gelegenen und von milderer Luft beeinflussten
St. Petersburg regnete. Murmansk erreichte damit tagsüber eine Höchsttemperatur von 1°C, in Sankt Petersburg waren es 7°C.

Am 27. und 28. Dezember beeinflusste das Tief OLIVER, dessen Kern bei einer Position zwischen Spitzbergen und der Inselgruppe Nowaja Semjla lag, den Norden Russlands zwischen dem Weißen Meer und dem nördlichen Ural, wo gebietsweise Schneefall registriert wurde.

Am 29. Dezember befand sich das vollständig okkludierte Tiefdruckgebiet OLIVER mit seinem Kern, in dem ein Luftdruck von etwa 980 hPa herrschte, an einer ähnlichen Position wie an den beiden Vortagen und war, bevor es sich zum Jahresende weiter Richtung Nordwestsibirien verlagerte und somit den Analysebereich der Berliner Wetterkarte verließ, zum letzten Mal auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen.

 


Geschrieben am 08.03.2012 von Heiko Wiese

Berliner Wetterkarte: 25.12.2011

Pate: Oliver Frauenknecht