Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet ONDRA
(getauft am 08.02.2018)
Am 8. Februar
trat ein Gebiet tiefen Luftdrucks, dessen Kernzone sich in etwa über Boston
befand, in den Darstellungsbereich der Berliner Wetterkarte. Aufgrund der
Annahme, dass sich das Tief mit westlicher Höhenströmung in den nächsten Tagen
Richtung Europa bewegen wird, wurde es noch am selben Tag in der Analyse auf
den Namen ONDRA getauft. Um 00 Uhr UTC, also 01 Uhr MEZ, besaß Tief ONDRA einen
Luftdruck von etwas unter 1015 hPa. Vorderläufig vom Kern abgehend verlief eine
kurze Warmfront, gefolgt von einer Kaltfront, deren vollständige Länge nicht
genau bestimmt werden kann, da sie über den Analysebereich hinaus
reichte.
Bis zum Tag
nach der Taufe zog die Zyklone ONDRA nordostwärts weiter über den Nordatlantik
bis ungefähr 700 km südlich der Südspitze Grönlands. Dabei verstärkte sich das
Tief auf einen Luftdruck von ca.
990 hPa. Zudem holte ein Teil der
Kaltfront die Warmfront bereits ein, so dass sich eine kurze Okklusionsfront,
also eine Mischfront, ausbilden konnte. Diese Mischfront vereint die
Eigenschaften von Kalt- und Warmfront in sich. Sie reichte vom Kern etwa 300 km
nach Süden, wo sie sich dann im Okklusionspunkt wieder in Warm- und Kaltfront
aufteilte. Die Warmfront verlief bogenförmig südostwärts über den Nordatlantik,
bis sie sich in Höhe der Azoren mit der Kaltfront eines anderen
Tiefdruckgebietes verband. Währenddessen erstreckte sich die Kaltfront nach
Südwesten bis zu den Bermudainseln und lag dann anschließend außerhalb des
Kartenausschnitts der Berliner Wetterkarte. Zu diesem Zeitpunkt ist die Zyklonentätigkeit über dem Nordatlantik recht rege. Neben
Tief ONDRA war ein zweiter Wirbel namens NATHALIE mit Kern über Island aktiv. An
der Okklusion von Tief NATHALIE hat sich ein langgestrecktes Regengebiet
entwickelt, das in Manchester und Plymouth eine Niederschlagsmenge von jeweils
10 mm gebracht hat. Unter Abschwächung drang die Okklusion in den nächsten
Tagen weiter ostwärts vor und beendete die trocken-kalte Witterung in Deutschland.
Die Fronten des Wirbels ONDRA folgten dann rasch.
Bis zum
Nachttermin des 10. Februar verlagerte sich Tief ONDRA mit einer stark
entwickelten Frontalzone über dem Nordatlantik in das Seegebiet südlich von
Island. Eine Frontalzone definiert sich darüber, dass sich dort Fronten, also
Grenzen zwischen kalten und warmen Luftmassen, bilden. Die sogenannte
Frontalzone stellt also eine Übergangszone zwischen kalten und warmen
Luftmassen dar. Global gesehen existieren mehrere solcher Zonen, aber für unsere
Breiten ist die Planetarische Frontalzone wichtig. In dieser Zone werden die
globalen Temperaturunterschiede zwischen den warmen Tropen und den kalten Polen
abgebaut. Tropische und polare Luft prallen aufeinander und bilden Westwinde,
die wandernde Hoch- und Tiefdruckgebiete transportieren. Diese Druckgebiete
beeinflussen dann oft das Wetter in Mitteleuropa. Hier war die Frontalzone
stark ausgeprägt, da sich über Grönland besonders kalte und über den Azoren
besonders warme Luftmassen befanden. Das lässt sich auch anhand der großen Luftdruckunterschiede
erkennen: Zwischen Tief ONDRA bei Island und dem Hoch über den Azoren, auch
Azorenhoch genannt, gab es einen Druckunterschied von 65 hPa. Bis zu diesem
Zeitpunkt vertiefte sich der Kerndruck von Tief ONDRA von 990 hPa auf etwas
unter 970 hPa, was für ein sehr ausgeprägtes Tiefdruckgebiet spricht. Das
erkennt man auch anhand der starken Drängung der Isobaren, also der Linien
gleichen Luftdrucks. Liegen die Isobaren enger aneinander, so ist der
Druckgradient größer und damit der Wind stärker. Ein Sturmtief wird als solches
bezeichnet, sobald es Bodenwinde der Stärke 9 auf der Beaufortskala, also etwa
76 km/h, hervorbringt.
Bis 00 Uhr
UTC des 10. Februars hatte die Kaltfront die Warmfront von Sturmwirbel ONDRA schon
fast vollständig eingeholt, so dass die Okklusionsfront ausgeprägt war und der
Warmluftsektor, also der Bereich zwischen Warm- und Kaltfront, recht klein war.
Zudem entstand an der Kaltfront eine frontale Welle namens PHILINE, welche sich
jedoch im Laufe des Tages von Sturmtief ONDRA abspaltete. Unter erheblicher
Verstärkung zog diese dann rasch nach Osten und überquerte in der Folge auch
Deutschland. Währenddessen wanderte die fast vollständig okkludierte Front von
Sturmtief ONDRA über Irland und Großbritannien hinweg und brachte die größten
24-stündigen Niederschlagssummen entlang der Westküste von Schottland bis Wales
und über Nordirland. Diese lagen in einem Bereich von 13 mm in Aberdaron bis zu 35 mm in St. Bees
Head, einer Landzunge an der Küste Cumbria im nordwestlichen England. Die
größte Niederschlagsmenge wurde jedoch im walisischen Dorf Capel Curig dokumentiert. Dort fielen 45 mm Regen. Capel Curig wird als nassester Ort der Britischen Inseln
angesehen, auch wenn die Wetterstation in Dyffryn Mymbyr einige Meilen entfernt liegt. Bei Höchsttemperaturen
zwischen
6 und 12°C kam der Niederschlag vollständig in flüssiger Form herunter. Des Weiteren
machte das Sturmtief seinem Namen alle Ehre: In Dublin fegte es mit 94 km/h
hinweg. In einigen Orten wurde sogar orkanartiger Sturm mit
Windgeschwindigkeiten zwischen 103 und 117 km/h gemessen. Im Flachland stellte
jedoch erneut Capel Curig den Rekord an dem Tag. Dort
gab es Orkanstärke mit 128 km/h. Somit hatte sich das Sturmtief zu einem
Orkantief verstärkt. In den schottischen Highlands
wurden knapp
137 km/h registriert. Auch in Nähe des Tiefdruckkerns war es stürmisch: So
wehte der Wind in Reykjavik mit Spitzengeschwindigkeiten von 83 km/h. Zudem
fielen auch dort örtlich größere Niederschlagsmengen bei Maximaltemperaturen
zwischen -2 und +3°C in Form von Regen und Schnee. So kamen an der Ostküste
zwischen 20 und 37 mm zusammen. Auf den Bergen Eyjabakkar
und Hveravellir wurden bis 06 Uhr UTC des 11. Februar
innerhalb 24 Stunden erhebliche Niederschlagsmengen von 95 und 98 mm gemessen,
welche somit über einen Meter Neuschnee ergaben.
Der
Tiefdruckkern des Orkantiefs ONDRA zog an der Südküste Islands entlang und
positionierte sich zum Nachttermin des 11. Februar an deren Ostküste. Die fast
vollständig okkludierte Front ging vom Kern ostwärts ab und verlief dann
bogenförmig nach Süden, wo sie sich im Okklusionspunkt in eine sehr kurze
Warmfront und eine ebenfalls kurze Kaltfront aufspaltete. Abermals vertiefte
sich der Kerndruck. Dieser betrug nun etwa 965 hPa. Innerhalb weniger Stunden
holte nun auch die restliche Kaltfront die kurze Warmfront ein, sodass das Tief
folgend vollständig okkludiert war. Die okkludierte Front erreichte aber nicht
mehr die Küste Norwegens, sondern stationierte sich kurz davor ohne das
Wettergeschehen dort zu beeinflussen. Ganz im Gegensatz zum Tiefdruckkern über
Island. Durch seine unveränderte Lage wurde Islands Wetter weiterhin von Tief
ONDRA geprägt. Bei 0 bis -2°C wurden dort abermals Schneefälle zwischen 1 und
24 mm verzeichnet. Den meisten Niederschlag gab es mit 52 mm erneut auf dem
Berg Eyjabakkar, wodurch ein halber Meter Neuschnee
dazu kam. Ein Orkantief war Tief ONDRA mittlerweile nicht mehr, da es keine
Windgeschwindigkeiten mehr über 118 km/h hervorbrachte. Ein Sturmtief blieb es
aber dennoch, denn in der Landeshauptstadt Islands wurden 104 km/h gemessen.
Bis zum 12.
Februar schwächte sich das Sturmtief allmählich ab. Der Kern, über dem
Nordosten Islands liegend, besaß einen Luftdruck von 975 hPa. Die dazugehörige
Okklusion lag nahezu unverändert über dem Europäischen Nordmeer und der Nordsee
und beeinflusste daher keine Landmasse. Unter Minusgeraden wurden in der Nähe
des Tiefdruckkerns weitere Niederschläge innerhalb von 24 Stunden in Höhe von 2
bis 12 mm gemessen. An der Wetterstation Nautabu im
Norden der Insel konnten etwas über 38 mm verzeichnet werden. Insgesamt kann
man bei den Niederschlagsmengen und den anhaltenden Minusgraden davon ausgehen,
dass die Schneehöhen stellenweise zwischen 1 und 2 m hoch waren. Leider gab es
vor Ort keine Stationen, die eine Schneehöhenmessung vornahmen und diese Werte bestätigen
konnten.
Am 13.
Februar positionierte sich der Kern von Tief ONDRA nordwestlich von Island. Die
Okklusion wellte sich nördlich von Island nach Osten bis knapp vor die
norwegische Stadt Trondheim. Im Tagesverlauf löste sich der Kern von der Front
ab und beides löste sich rasch vollständig auf. Aufgrund dessen konnte das
ehemalige Sturm- und Orkantief ONDRA das letzte Mal am 13. Februar als bereits
abgeschwächtes Tiefdruckgebilde auf der Berliner Wetterkarte lokalisiert
werden.