Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet OPHELIA

(getauft am 07.11.2020)

 

Aus der Analysekarte der Berliner Wetterkarte (BWK) vom 07.11.2020 um 00 Uhr UTC, also 01 Uhr MEZ, ging hervor, dass das westlich der Iberischen Halbinsel liegende Tiefdruckgebiet das Wettergeschehen Europas in den kommenden Tagen beeinflussen werden würde. Aus diesem Grund entschieden sich die Meteorologen der BWK dafür diese Zyklone noch am selbigen Tag auf den Namen OPHELIA zu taufen.

 

Drei Tage zuvor reichte ein Höhentrog (Kaltluftvorstoß nach Süden), eine Wellung des Jetstreams, was ein Starkwindband in der mittleren Troposphäre ist, vom Nordmeer bis in den Norden Spaniens. An der Südspitze des Trogs löste sich ein Höhentief westlich von Portugal ab, was die Entstehung des Bodentiefs OPHELIA begünstigte.

Am Taufdatum, dem 07.11. um 01 Uhr MEZ war das Tief bereits okkludiert. Von einer Okklusion spricht man, wenn die Warmfront einer Zyklone von dessen Kaltfront eingeholt wird und eine gemeinsame Mischfront entsteht. Die kalte Luft schiebt sich aufgrund der höheren Dichte unter die Warmluft und drückt diese nach oben. Durch die Hebung entstehen meist dichte Wolkenfelder, die oft Regenschauer und Gewitter mit sich bringen. Die Okklusionsfront von Tiefdruckwirbel OPHELIA verlief von Madeira durch den Kern des Tiefs westlich der Iberischen Halbinsel bis zum Okklusionspunkt, an dem Kalt- und Warmfront aufeinandertreffen, südwestlich von Irland, von wo aus die Warmfront bis nach Irland und die Kaltfront südöstlich bis nach Spanien reichte. Der Kerndruck des Tiefdruckwirbels betrug knapp 1005 hPa. Auf Grund der synoptischen Lage zwischen Tief OPHELIA und Hoch RAMESH über Mitteleuropa, waren die Regionen um die Pyrenäen von einer südlichen Windströmung betroffen. Durch die geografisch bedingte Hebung der Mittelmeerluft kam es vor allem in Katalonien zu starkem Regenfall. In Saragossa fielen um 08 Uhr MEZ innerhalb von einer Stunde 26 mm Niederschlag, in Canfranc wurden bis 13 Uhr MEZ 6-stündige Niederschlagsmengen von 43 mm gemessen.  Der Wind erreichte in den Pyrenäen teils Windstärke 11 auf der Beaufort Skala, auf dem Mont Aigoual, einem Berg der Cevennen in Südfrankreich, wurden sogar Spitzenböen mit einer Geschwindigkeit von 133 km/h verzeichnet, was Windstärke 12, also Orkanstärke, entspricht.

Bis zum nächsten Tag, dem 08.11. um 01 Uhr MEZ befand sich das Tiefdruckgebiet OPHELIA mit nördlicher Zugrichtung und einem Kerndruck von fast 1010 hPa südwestlich von Irland. Die Okklusion verlief vom Kern der Zyklone aus nach Nordosten bis nach Irland. Von dort aus erstreckte sich die Warmfront weiter nach Osten über Großbritannien und endete vor der deutschen Nordseeküste. Die Kaltfront verlief vom Okklusionspunkt aus südöstlich durch Frankreich und mündete ins Mittelmeer. Entlang dieser Front bildeten sich im Süden Frankreichs vereinzelt sehr starke Gewitter und Regenschauer. Diese fielen in Marseille am ergiebigsten aus, dort wurden um 07 Uhr MEZ einstündige Niederschlagsmengen von 60 mm gemeldet. Der eigentlich meist nur schwach ausgeprägte Wind im Westen Europas erreichte auf Berggipfeln vereinzelt noch hohe Spitzengeschwindigkeiten bis Windstärke 12, wie auf dem Somosierra in Spanien, wo um 14 Uhr MEZ Windböen einer Geschwindigkeit von 144 km/h registriert wurden. Südlich vom Kern des Tiefs OPHELIA hatte sich ein weiterer, unbenannter Tiefdruckkern gebildet, der in der Zirkulation der Zyklone eingeschlossen war. Seine Okklusionsfront erstreckte sich nach Süden und erreichte am Morgen die Küsten Portugals und Spaniens, wodurch es im Westen der Iberischen Halbinsel zu langanhaltendem Regen kam. Bis 19 Uhr MEZ gab es mit 44 mm den meisten 12-stündigen Niederschlag in Banobarez.

 

Auf der Vorderseite von Tief OPHELIA wurden subtropische Luftmassen angezapft und nach Deutschland geführt, so dass durch die Zyklone die bereits am 07.11. eingesetzte Warmluftzufuhr nach Deutschland fortgesetzt wurde. Im Durchschnitt, also das Temperaturmittel aller 24 Stunden des Tages, liegen die Temperaturen Anfang November um 6°C. Am 08.11. dieses Jahres wurden im Westen und Südwesten durchschnittlich 8 bis 13°C ermittelt, wie in Aachen mit 13,2°C. Es war also um rund 7 Kelvin für diese Jahreszeit zu warm. Trotz der tiefstehenden Sonne wurden in diesen Regionen noch Höchstwerte zwischen 15 und 19°C gemessen, wie z.B. in Arnsberg-Neheim mit 18,6°C, was in dem oberen Bereich des überhaupt Möglichem für diese Jahreszeit lag. Aufgrund von geringen Temperaturunterschieden wandelte sich die Kaltfront von Tief OPHELIA in eine Okklusionsfront um und in dessen Vorfeld kam es bis zum Morgen des 09.11. zu geringen Niederschlagsmengen im Westen des Landes. So verbuchte die Messstation in Mainz eine 12-stündige Regensumme von 1,6 mm und im rheinland-pfälzischen Büchel kamen 3,0 mm zusammen. Im Bereich der Wolkenfelder der Okklusion kühlte sich die Luft im äußersten Westen nur wenig ab, so dass z.B. in Essen der Tiefstwert bei 9,9°C lag. Dagegen gab es unter klarem Himmel vom Harz bis zum Alpenrand Frost mit bis zu -6,8°C im Bayerischen Wald.

 

Bis zum 09.11. um 01 Uhr MEZ hatte sich eine stark ausgeprägte Zyklone mit einem Kerndruck von 975 hPa bis südlich vor Grönland verschoben. Tiefdruckgebiet OPHELIA befand sich mit einem Kerndruck von 1005 hPa am Rande der Zirkulation dieser Zyklone. Die Okklusionsfront von Tief OPHELIA verlief vom Kern aus nordwestlich bis zu den Shetlandinseln und weiter nach Süden über den Osten Großbritanniens bis nach Frankreich. Im Bereich der Britischen Inseln sorgte OPHELIA als Randtief der ausgedehnten Zyklone vor Grönland noch für verbreitet leichten Niederschlag. Maximalwerte erreichte die irische Insel Sherkin Island mit 15 mm innerhalb von 6 Stunden bis 13 Uhr MEZ.

 

Mit der weiteren Ausdehnung des Tiefdruckwirbels südlich von Grönland löste sich Randtief OPHELIA bis zum folgenden Tag schließlich auf, und wurde dementsprechend nicht mehr namentlich auf der Berliner Wetterkarte erwähnt. Mit einer Lebensdauer von nur 3 Tagen gehörte die Zyklone zwar zu den sehr kurzlebigen Tiefdruckgebieten, dennoch bescherte das Tief besonders dem Westen Deutschlands nochmal frühlingshaft anmutende Temperaturen, die eben zu dieser Jahreszeit eher selten vertreten sind.