Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet ORTRUN

(getauft am 07.10.2012)

 

Anfang Oktober zog ein Tiefdruckgebiet von Nordkanada Richtung Grönland. Als es schließlich vor der Südostküste Grönlands lag, zeichnete sich eine Wetterwirksamkeit für Europa ab, daher wurde dieser Wirbel am 07.10.2012 auf den Namen ORTRUN getauft.

Um 00 Uhr UTC, das entspricht 02 Uhr MESZ, des Tauftages befand sich der Kern des Wirbels ORTRUN nordöstlich von Angmagssalik vor der Küste Grönlands und wies einen Druck von etwas unter 1000 hPa auf. Das Frontensystem bestand aus einer Okklusion, dies ist eine Mischform der Warm- und Kaltfront, welche die Eigenschaften beider Frontentypen in sich vereint. Diese Front verlief in einem Bogen nach Osten, überquerte den Vatnajökull-Nationalpark auf Island und dann weiter in südlicher Richtung, bis sie etwa bei der Länge von Reykjavik und der Breite der Nordspitze Schottlands endete. Nach Reykjavik wurde wegen der zyklonalen Drehrichtung des Wirbels, d.h. entgegen des Uhrzeigersinns, Luft arktischen Ursprungs geführt. Dies hatte eine Halbierung der Tageshöchsttemperaturen im Vergleich zum Vortag zur Folge, an diesem Tag wurden nur 5°C gemessen.

Die Zyklone ORTRUN verlagerte sich mit der Höhenströmung in ca. 5,5 km Höhe im Laufe des Tages ostwärts und befand sich
gegen 00 Uhr UTC des 08.10.2012 über dem zentralen Europäischen Nordmeer, knapp nördlich des Polarkreises.
Der Kerndruck hatte sich auf nun 995 hPa intensiviert und ihre Front war weiterhin größtenteils okkludiert. Sie begann westlich des Kerns und verlief im Uhrzeigersinn um ihn herum und reichte mit einer leichten Krümmung bis knapp nördlich von Schottland. Dort änderte sie ihren Charakter in den einer Kaltfront und verlief weiter hinaus auf den Nordatlantik, wo sie südlich von Reykjavik auf dem Breitengrad Edinburghs endete. Beim Überqueren des Europäischen Nordmeeres reicherte sich die vom Wirbel ORTRUN mitgeführte Luft zusehends mit Feuchtigkeit an. Dies führte auf Jan Mayen zu leichten Regenschauern, es fielen in 24 Stunden bis um 06 Uhr UTC des Folgetages 10 l/m². Ebenso wurden auf den Faröer Inseln, bei wechselnder Bewölkung, Schauer beobachtet.

Das Tiefdrucksystem hatte bis zum 09.10.2012 einen zweiten Kern ausgebildet. Der Kern ORTRUN I befand sich über dem Nordmeer, knapp östlich von Jan Mayen und wies einen Druck von etwas unter 1005 hPa auf. Eine Okklusion zog sich weit um das erste Zentrum herum. Beginnend auf halber Strecke zwischen Trondheim und Island zog sich die Front nordwärts über Jan Mayen und beschrieb knapp südlich von Spitzbergen einen scharfen Bogen nach Süden, wobei sie kurz danach in die Okklusion des zweiten Kerns überging. Außerdem spaltete sich etwa beim 75. Breitengrad noch eine Warmfront ab, wodurch sich die gesamte Inselgruppe von Spitzbergen unter Warmlufteinfluss befand. Dies führte auf Spitzbergen zu einem Temperaturanstieg, in den Morgenstunden des Vortages betrug die Temperatur -6,3°C und nur 24 Stunden später unter Einfluss der Warmluft hingegen mildere +3.2°C. Der Kern ORTRUN II befand sich mit einem Kerndruck von 995 hPa in der Nähe der schwedisch-norwegischen Grenze bei Tanum. Vom Zentrum dieses Wirbels zog sich eine rücklaufende Okklusion geradlinig nach Norden und ging wie beschrieben in die Okklusion des ersten Kerns über. Weiterhin reichte eine weitere Okklusion südwestwärts, bevor sie bei Kopenhagen in den Charakter einer Kaltfront wechselte. Diese verlief über Kopenhagen, Cuxhaven und  Leeuwarden, nördlich an London vorbei bis über das walisische Aberystwyth. Nördlich der Kaltfront war es durch Luftmassen polaren Ursprungs spürbar kälter als südlich der Front. In den Morgenstunden betrug im walisischen Llanfairpwllgwyngyllgogery­chwyrndrobwll­llantysilio­gogogoch, mit 58 Buchstaben der längste Ortsname Europas, die Temperatur nur um die 8°C, in Edinburgh sogar nur 3°C, während London noch auf 12°C kam.

Die Kerne des Tiefdruckwirbels ORTRUN schlossen sich bis zum 10.10.2012, weiter ostwärts ziehend, wieder zusammen und mit einem Druck von wenig unter 995 hPa befand sich der Kern zwischen Talinn und Riga. Das Frontensystem bestand aus einer rücklaufenden Okklusion, die sich vom Tiefzentrum bis Danzig zog. Ebenfalls vom Kern zog sich eine weitere Okklusion über Talinn bis nach St. Petersburg und von dort reichte sie in südlicher Richtung vorbei an Moskau bis nach Kiew. Dort spaltete sie sich in eine kurze, bis über die Gestade des Schwarzen Meeres reichende Warmfront und eine Kaltfront, die in südwestlicher Richtung verlaufend an Budapest vorbei bis fast nach München reichte auf. Im Einflussbereich der Okklusion fielen in diesem sehr wolkenreichen Gebiet in 24 Stunden bis um 06 Uhr UTC des Folgetages in Riga 14 l/m² und in Talinn 10 l/m². Bis zum 11.10.2012 vereinigten sich sämtliche über Russland befindlichen Tiefs zu einem einzigen, sodass die Zyklone ORTRUN nicht weiter auf der Berliner Wetterkarte analysiert werden konnte.

Geschrieben 19.10.2012 von Patrick Ilmer

Berliner Wetterkarte : 09.10.2012

Pate: Ortrun Germendorf