Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet OSKAR
(getauft am 01.04.2015)
Zu Beginn des Monats April stellte sich die
Situation über dem atlantisch-europäischen Raum, wie folgt dar. Zwischen einem
leicht nordostwärts verschobenen Azorenhoch und einem Tiefdruckkomplex über
Nord- und Nordosteuropa befand sich Mitteleuropa und damit auch Deutschland in
einer kräftigen nordwestlichen Strömung. Dabei wurden über der Nordsee in der
oberen Troposphäre, also zwischen 9 und 12 km Höhe, Windspitzen von bis zu 145
Knoten registriert. Zugleich trennte diese kräftige Winddrift verhältnismäßig
kühle Subpolarluft über Nord- und Mitteleuropa von milder Subtropikluft über
Süd- und Südwesteuropa. Kleinräumige Störungen innerhalb dieser starken
Strömung führten im Laufe des 01. April im Bodendruckniveau zur Entstehung
eines kleinen Randtiefs nordwestlich der Britischen Inseln. Dieses sollte unter
Weiterentwicklung zu einem abgeschlossenen Tiefdruckwirbel relativ rasch in
Richtung Südosteuropa gesteuert werden und dadurch bereits am kommenden Tag das
Wetter in Mitteleuropa maßgeblich mit beeinflussen. Folglich wurde das in
Entstehung begriffene Tief noch am 01. April auf den Namen OSKAR getauft und
erstmals in der Prognose für den 02. April mit Lage über dem südöstlichen
Mitteleuropa analysiert.
Am 02. April um 00 Uhr UTC, was 02 Uhr MESZ
entspricht, konnte das Tief OSKAR als Randtief des erwähnten umfangreichen
nordeuropäischen Tiefdruckkomplexes erstmals über Ostengland analysiert werden.
Die dazugehörige, wenngleich auch kurze Warmfront verlief vom Zentrum aus
südwärts über den Ärmelkanal und den Kanalinseln hinweg bis zur Bretagne. Die
ebenfalls nur kurze Kaltfront erstreckte sich in nordwestliche Richtung, um
bereits über Irland in die Ausläufer eines Tiefs vor der Südspitze Grönlands überzugehen.
Das mit dem Tief verbundene Niederschlagsfeld hatte bereits am Vorabend Irland
und England mit allerdings nur geringen Niederschlagsraten von 2 bis 3 l/m²
erfasst und breitete sich unter Intensivierung bis zum Morgen weiter nach
Benelux und Deutschland aus. Hier fielen bis um 06 Uhr UTC verbreitet 5 bis 10
l/m² in 6 Stunden, teils auch mehr, so wie in Charleroi mit 12,7 l/m².
Angetrieben von einer weiterhin kräftigen
Höhenströmung verlagerte sich das Tief mitsamt seiner Ausläufer in den folgenden
Stunden rasch weiter ostwärts über Deutschland hinweg Richtung Polen. Dabei
gelangte an der Südwestflanke des Tiefs ein Schwall milder Meeresluft von
Frankreich her nach Süddeutschland, während gleichzeitig von Norden sehr kalte,
arktische Meeresluft heranströmte. Entlang der sich langsam südwärts
schiebenden Luftmassengrenze kam es zu einer weiteren Intensivierung der
Niederschläge, welche sich gleichzeitig über Deutschland, Polen, Tschechien und
die Slowakei bis zum Alpenraum hin ausbreiteten. Während der Schwerpunkt am
Vormittag und Mittag über der Mitte Deutschlands bis zu den südlichen
Mittelgebirgen zu finden war, verlagerten sich die kräftigsten Niederschläge
zum Nachmittag und Abend hin Richtung Alpenvorland und den Alpenraum und in der
Nacht schließlich nach Österreich und in die Schweiz. Durchschnittlich fielen
in einem Zeitraum von 6 Stunden verbreitet 5 bis 15 l/m², nördlich der
Luftmassengrenze bis in tiefe Lagen als Schnee, südlich davon bis in mittlere
Höhenlagen als Regen. Bedingt durch den zusätzlichen Hebungseffekt nahmen die
Niederschläge über den Alpen zunehmend schauerartigen Charakter an und waren
zum späten Nachmittag örtlich sogar von Blitz und Donner begleitet. Vereinzelt
führte dies zu extremen Niederschlagsmengen, so wurden an der Wetterstation Grimsel-Hospitz in der Zentralschweiz zwischen 18 und 24 Uhr
UTC etwa 53 l/m² Niederschlag registriert. Darüber hinaus war es auch hinter
der Front in der einströmenden feucht-kalten Arktikluft, die sich mit
Temperaturen von -6 bis -7°C in einer Höhe von 1500 m bemerkbar machte,
zwischen Rhein und Weichsel zu einzelnen Schauern gekommen, die verbreitet als
Schnee-, Schneeregen oder Graupelschauer fielen, meist aber nur wenige
Millimeter Niederschlag brachten. In der zweiten Nachthälfte ließen sowohl die
frontalen Niederschläge über dem Alpenraum, als auch die Schauer über dem
Norddeutschen Tiefland nach.
In den Frühstunden des 03. April befand
sich das Tief OSKAR nunmehr mit seinem Kern über der Westukraine, wobei im
Zentrum über der Stadt Tschernowitz um 00 Uhr UTC ein
Druck von genau 1000,1 hPa gemessen wurde. Die mit dem Tief verknüpfte
Kaltfront erstreckte sich vom Zentrum ausgehend in einem weiten Bogen über
Rumänien und die Balkanstaaten weiter nordwestwärts bis nach Norditalien. Die
dahinter befindliche Meereskaltluft arktischen Ursprungs breitete sich in den
folgenden Stunden weiter südostwärts Richtung Schwarzes Meer und zur Ägäis aus.
Jedoch blieben die durch die Kaltfront verursachten Niederschlagsmengen über
der Balkan-Halbinsel mit meist unter 2 l/m² in 12 Stunden eher gering. Dagegen
kam es im Bereich des Tiefdruckzentrums über der Ukraine und Rumänien zu
kräftigeren Niederschlägen in fester, wie auch flüssiger Form, die schon in der
Nacht in Lemberg zwölfstündlich 14 l/m² und tagsüber in der Zentralukrainischen
Stadt Uman sogar bis zu 31 l/m² brachten. In der
Konsequenz bildete sich eine mehrere Zentimeter mächtige Schneedecke über der
Westukraine aus, wobei in besagter Stadt Uman am
darauf folgenden Morgen eine Schneehöhe von 17 cm festgestellt wurde. Auch über
Polen, Tschechien und der Slowakei kam es zu einzelnen Schnee-, Schneeregen-,
Regen- und Graupelschauern, wenngleich kaum mehr als 5 l/m² registriert wurden
und sich allenfalls vorübergehend eine sehr dünne Schneedecke ausbilden konnte.
In der sich anschließenden Nacht setzten sich
die Niederschläge in vielen Teilen der Ukraine weiter fort, wobei der
Schwerpunkt zunehmend über der Mitte des Landes lag. Beispielsweise fielen in Myroniwka, knapp 100 km südlich von Kiew, 19 l/m² in 12
Stunden, während es in der Hauptstadt selbst trocken blieb. Zur mittleren
Ukraine verlagerte sich bis zum 04. April 00 Uhr UTC auch der Kern von Tief
OSKAR, wobei der niedrigste Druck in Cherson im
Mündungsdelta des Dnepr mit 998,9 hPa erreicht wurde. Die Wolkenspirale, die
sehr gut auf den Satellitenbildern dieses Tages zu erkennen war, verlief vom
Zentrum ausgehend über die Ostukraine, dem Asowschen und Schwarzen Meer sowie
der westlichen Türkei bis zum Ägäischen Meer. Die mit den Ausläufern einhergehenden
Niederschläge breiteten sich über das Schwarze Meer und die Türkei weiter
ostwärts zum Kaukasus aus, wenngleich die Intensität mit 2 bis 5 l/m² in 6
Stunden weiterhin gering blieb. Dagegen drang das mit dem Kern verknüpfte
Hauptniederschlagsfeld weiter nach Süd- und Westrussland vor, wo die
Niederschläge vermehrt in Regen übergingen. Hier wurden tagsüber zwischen 06
und 18 Uhr UTC teils zweistellige Regenmengen registriert, wie in Kursk mit 10
l/m².
Gleichzeitig hatte sich das Tief OSKAR bis
zum Folgetag dem über dem Baltikum und Westrussland gelegenen Wirbel NIKLAS angeschlossen.
Der Luftdruck war in den Frühstunden des 05. April im Kernbereich deutlich auf
knapp unter 1010 hPa angestiegen, wobei diese Werte in einem Gebiet zwischen
Baltikum - Weißrussland - Westrussland bis zur Nordostukraine gemessen wurden.
Dabei befand sich um 00 Uhr UTC ein Schwerpunkt über Lettland, wovon Ausläufer
nordwärts bis nach Finnland reichten, der Andere nahe der russischen Stadt Woronesh, von welchem wiederum eine Okklusionsfront, also
eine Mischfront aus Warm- und Kaltfront, südostwärts bis zur Wolgamündung
verlief.
Das Tiefdruckgebiet verlagerte sich in den
folgenden 2 Tagen unter weiterer Abschwächung allmählich zur mittleren Wolga
und mit ihm auch die kompakten Wolkenfelder, die sich mittlerweile auf eine
Fläche zwischen Westrussland und dem Ural ausdehnten. Die damit verbundenen
Niederschläge, die weiter östlich wieder verbreitet als Schnee fielen,
beschränkten sich im Wesentlichen auf die langsam über Zentralrussland
nordwärts ziehenden Okklusion. Nennenswerte Niederschläge konnten hier, auch
aufgrund des grobmaschigen Messnetzes, nicht weiter registriert werden. Nach
Auswertung der Analysedaten des amerikanischen Wettermodells können jedoch die
durchschnittlich gefallenen Niederschlagsmengen auf 1 bis 2 l/m² in 6 Stunden
geschätzt werden, was sich gut mit den beobachteten Messwerten in der Stadt
Kazan von 4 l/m² in Einklang bringen lässt.
Am Morgen des 07. April wurde das Tief
OSKAR auf der Bodendruckkarte nur noch als Randtief eines kräftigen
Nordeuropäischen Tiefdruckkomplexes weitergeführt. Der Kern wurde mit einem
Druck von 1010 hPa über der nordwestrussischen Stadt Totma
im Oblast Wologda registriert.
Während in den folgenden Stunden letzte
leichte Schneefälle auch über dem Nordwesten Russlands nachließen, wurde die
Zyklone am östlichen Rand des Tiefdruckkomplexes nordwärts gesteuert, ehe das
Tief OSKAR bis zum Abend in diesem aufging.
Geschrieben
am 11.06.2015 von Gregor Pittke
Berliner
Wetterkarte: 02.04.2015
Pate:
Oskar Bertl