Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet OTHMAR

(getauft am 05.02.2015)

 

Anfang Februar 2015 verlagerte sich ein ausgeprägter Trog, d.h. ein Vorstoß relativ kalter Luft nach Süden in einer Höhe von 5,5 km, von der Nordostküste Nordamerikas nach Nordosten. Mit diesem Trog korrespondierte ein Tiefdruckgebiet im Bodenniveau, welches über Neufundland in Richtung Südgrönland zog. Am 05.02. befand sich die Achse des Troges bereits auf Länge der Südspitze Grönlands über dem Nordatlantik, konnte sich jedoch nicht gegen einen weitreichenden Keil, welcher einen Warmluftvorstoß nach Norden darstellt, durchsetzen. Während sich ein Teil der Höhenkaltluft mit einem Höhenwirbel westlich der Azoren von der Hauptströmung abspaltete, verringerte sich die Ausdehnung des Troges im Laufe des Tages deutlich. Das Bodentief wurde zu diesem Zeitpunkt mit zwei Zentren über der Südostküste bzw. südwestlich der Südspitze Grönlands analysiert. Da dieses Tiefdruckgebiet im weiteren Verlauf Einfluss auf Mitteleuropa nehmen sollte, wurde es in der Prognose für den Folgetag auf den Namen OTHMAR getauft.

Am 06.02. um 01 Uhr MEZ befand sich der Wirbel OTHMAR mit seinem Kern und einem Druck von knapp unter 1005 hPa über dem Seegebiet zwischen Island, Ostgrönland und der Insel Jan Mayen. Vom Zentrum verlief eine Warmfront nach Südosten bis zur mittelnorwegischen Nordmeerküste und ging dort in die Kaltfront eines anderen Systems über. Außerdem führte eine kurze Kaltfront nach Südwesten und stellte nach wenigen Hundert Kilometern die Verbindung mit der Warmfront des zum erweiterten System OTHMAR gehörenden, nachfolgenden Tiefs her. Dieses sollte sich im Laufe des Tages abschwächen und folglich auflösen. Durch den Tiefdruckeinfluss fielen an der Station auf Jan Mayen innerhalb von 6 Stunden bis 07 Uhr MEZ lediglich 0,8 l/m² Schnee. Der Schneefall verstärkte sich jedoch im weiteren Verlauf, wodurch in den folgenden 6 Stunden 9 l/m² gemessen wurden und bis 19 Uhr MEZ 12-stündig insgesamt 13 l/m² Schnee und Schneeregen zusammen kamen. Auch in Island stellte sich beim Durchzug der Kaltfront Niederschlag ein, der teilweise schauerartig verstärkt meist als Regen bzw. Sprühregen fiel, mitunter aber auch bis zum Abend in Schnee überging. So wurden in 24 Stunden bis 19 Uhr MEZ 17 l/m² in Bolungavik  und 7 l/m² in Stykkisholmur registriert. Das Niederschlagsgebiet erreichte mit dem Vordringen des Frontensystems bis zum Abend auch die Shetlandinseln, den Norden Schottlands und zum Teil die Küstenbereiche Westnorwegens, wobei jedoch in diesen Gebieten fast ausschließlich Mengen von weniger als 1 l/m² Regen oder Schnee verzeichnet werden konnten.

Über dem Nordmeer verstärkte sich bis zur folgenden Nacht der zum Tief OTHMAR zugehörige Trog und auch der Bodenwirbel nahm an Intensität zu. Das Zentrum konnte um 01 Uhr MEZ mittig über dem Seegebiet zwischen Jan Mayen und der Nordwestküste Norwegens mit einem Druck von knapp unter 975 hPa analysiert werden. Von diesem verlief eine Warmfront bogenförmig zunächst nach Osten, schwenkte dann südlich von Tromsø nach Süden und erstreckte sich daraufhin über den Westen Lapplands, Westfinnland und die Ostsee, bis sie nahe Kiel endete. Außerdem wies vom Tiefdruckkern eine Kaltfront über das Nordmeer nach Süden bis auf Breite von Trondheim und führte danach in südwestlicher Richtung bis über den östlichen Nordatlantik, wo sie in die Warmfront einer anderen Zyklone überging. Mit dem Tief flossen gemäßigte Luftmassen über Südskandinavien ein, welche die zuvor eingeströmte, kältere Subpolarluft verdrängten und so für einen Temperaturanstieg in diesem Bereich sorgten. In Kopenhagen stieg der Höchstwert von 2°C am Vortag auf nun 7°C an und in Oslo wurden mit einem Maximum von 4°C insgesamt 9 Grad mehr als tags zuvor gemessen. Bis zum Abend verstärkte sich das Tief OTHMAR weiter bis auf 965 hPa, was den Höhepunkt seiner Entwicklung markierte, und verursachte durch schauerartig verstärkten Schneefall vor allem in Norwegen zum Teil erhebliche Niederschlagsmengen. Bis 19 Uhr MEZ wurden 12-stündig 14 l/m² in Kvamskogen-Jonshogdi, 18 l/m² in Mannen, 38 l/m² in Finsevatn und sogar 60 l/m² an der Station Trondheim/Vaernes registriert. Ansonsten lagen die Schneemengen im übrigen Norwegen sowie in Schweden im Bereich von 5 bis 10 l/m². In Dänemark und Norddeutschland fielen die Niederschlagsmengen nicht so ergiebig aus. Bereits am Morgen konnte von einigen Stationen gefrierender Sprühregen gemeldet werden und auch im Tagesverlauf blieb es zumeist bei leichtem bis mäßigen Sprühregen. Aufgrund dessen wurden auch verbreitet nur Regenmengen von unter 1 l/m² verzeichnet. Dabei blieb es im Süden und in der Mitte Deutschlands an diesem Tag noch recht heiter mit Sonnenscheindauern von 7 bis 9 Stunden. Gleichzeitig wurde im Norden des Landes mit Ausnahme der Küstengebiete ab einer Linie von Niedersachsen bis zum Berliner Raum gar kein Sonnenschein registriert. Mit der Verstärkung des Wirbels erhöhte sich auch der Druckunterschied zum Hoch GABRIELA westlich der Britischen Inseln. Dadurch verstärkte sich das Windfeld zwischen diesen beiden Gebilden bis auf Orkanstärke. Im dänischen Akraberg wurde dabei eine Spitzenböe mit 184 km/h und in Thyboroen mit 180 km/h erreicht, wobei Windstärken ab 118 km/h der Stärke 12 auf der Beaufortskala und damit Orkanstärke entsprechen. An der norwegischen Station Svolvaer/Helle wurden derweil Böen von bis zu 184 km/h und in Hjerkinn Ii von sogar 191 km/h gemessen. Selbst noch im schwedischen Stora Sjofallet behielt der Wind mit Böen von bis zu 148 km/h die Orkanstärke bei. In Deutschland verstärkte sich der Wind erst gegen Abend und intensivierte sich weiter während der Nacht. Um 01 Uhr MEZ des Folgetages konnte somit auf den Brocken eine Spitzenböe von 122 km/h, also ebenfalls Orkanstärke, verzeichnet werden. Abseits des Berglandes fiel der Wind jedoch nicht so stark aus und blieb zumeist im Bereich der Stärken 6 bis 7, was einem starken bzw. steifen Wind entspricht.

Im Laufe der Nacht zogen die Ausläufer des Wirbels OTHMAR über Deutschland hinweg nach Süden. Der zuvor fallende Sprühregen ging nun vielerorts allmählich in Schnee über und bis zum 07 Uhr MEZ-Termin am 08.02. konnten innerhalb von 12 Stunden 5 l/m² auf dem Fichtelberg und 3 l/m² am Flughafen Köln/Bonn gemessen werden. Das Tief OTHMAR hatte sich während seiner ostwärtigen Verlagerung bereits im Laufe des Vortages begonnen eine Okklusion auszubilden. Das heißt die Warmfront wurde von der schneller ziehenden Kaltfront eingeholt, wodurch eine Mischfront entstand, die die Eigenschaften beider Frontentypen vorweist. Der Ort, an dem sich Warm- und Kaltfront vereinen, wird als Okklusionspunkt bezeichnet. An diesem Okklusionspunkt bildete das Tief OTHMAR nun ein zweites Zentrum aus, welches fortan als OTHMAR II bezeichnet wurde. Das Teiltief OTHMAR II befand sich um 01 Uhr MEZ mit einem Kerndruck von ca. 980 hPa knapp östlich von Sankt Petersburg. Von dort verlief eine kurze Okklusion nach Südwesten und ging dann in eine Kaltfront über, welche über Minsk und Warschau bis nach Köln führte und dabei nur in der Höhe analysierbar war. Der ursprüngliche Wirbel OTHMAR, welcher nun als OTHMAR I bezeichnet wurde, positionierte sich zum selben Zeitpunkt mit einem Druck von etwa 970 hPa über der Barentssee. Vom dortigen Zentrum wies einerseits eine Okklusion nach Südwesten bis zur finnischen Stadt Oulu und andererseits erstreckte sich eine weitere Okklusion nach Süden über Archangelsk und stellte danach die Verbindung zum Kern des Tiefs OTHMAR II her. Außerdem spaltete sich südwestlich von Archangelsk noch eine Warmfront ab und verlief bis nach Brjansk. Bis zum Abend führte der teilweise schauerartig verstärkte und damit lokal sehr unterschiedlich ausfallende Schneefall in Deutschland allerdings nur zu geringen Niederschlagsmengen von maximal jeweils 3 l/m² in Kempten, auf dem Feldberg im Schwarzwald und in Oberstdorf in 12 Stunden bis 19 Uhr MEZ. Während auch außerhalb Deutschlands im Bereich des Tiefdrucksystems OTHMAR zumeist weniger als 1 l/m² registriert wurden, konnten im selben Zeitraum wie zuvor im schweizerischen Cimetta sowie auf dem tschechischen Berg Lysá hora jeweils 10 l/m², im österreichischen Präbichl 15 l/m², auf dem polnischen Kasprowy Wierch 19 l/m² und auf dem slowakischen Lomnicky Stit 30 l/m² gemessen werden. Auch im Bereich des Kerns des Tiefs OTHMAR II wurden im Baltikum 5 l/m² im litauischen Klaipeda und entlang dessen Ausläufer jeweils 4 l/m² an den ukrainischen Stationen in Khust und Rakhov registriert.

Der zum System OTHMAR zugehörige Trog zog in der Höhe weiter nach Osten. In der Folge verlagerte sich das Bodentief OTHMAR mit seinen beiden Zentren nach Nordosten. Das Teiltief OTHMAR I befand sich somit um 01 Uhr MEZ am 09.02. mit einem Kerndruck von 965 hPa westlich der Doppelinsel Nowaja Semlja. Von diesem ging eine Okklusion in nördlicher Richtung aus, schwenkte dann nach Südwesten und verband sich östlich von Archangelsk mit der Okklusion der Zyklone OTHMAR II, welche mit ihrem Zentrum und einem Druck von 985 hPa nördlich von Moskau analysiert wurde. Von dort führte eine kurze Okklusion nach Südwesten und eine weitere Okklusion bogenförmig nach Süden, wo sie über der Ostukraine den Charakter einer Kaltfront annahm und über der westlichen Türkei endete. Außerdem spaltete sich nahe Nizhny Nowgorod eine ca. 800 km lange, nach Südosten weisende Warmfront ab. Die hinter den Fronten einfließenden arktischen Luftmassen sorgten in Osteuropa zu deutlichen Temperatursenkungen, wodurch Tiefstwerte von -10°C in Archangelsk, -11°C in Poprad, -12°C in Sankt Petersburg und -14°C in Murmansk verzeichnet werden konnten. Bis 07 Uhr MEZ fielen 12-stündig in der Ukraine infolge des Kaltfrontdurchzuges in Kerch 5 l/m² und in Yalta 7 l/m² Niederschlag. In den darauf folgenden 12 Stunden konnten des Weiteren 5 l/m² in Kyrylivka und 6 l/m² in Mariupol registriert werden. In Russland wurden währenddessen durch den Einfluss des Tiefdrucksystems OTHMAR maximal 4 l/m² in Teriberka bei Murmansk gemessen. 

Der 09.02. war gleichzeitig der letzte Tag, an dem das Tief OTHMAR  namentlich verzeichnet werden konnte. Während sich das Tief OTHMAR II bis zum Folgetag zusehends abschwächte und sich daraufhin auflöste, zog der Wirbel OTHMAR I weiter nach Norden und verließ somit den Darstellungsbereich der Berliner Wetterkarte und konnte auf dieser nicht weiter analysiert werden.

 

 

Geschrieben am 25.03.2015 von Sebastian Wölk

Berliner Wetterkarte: 07.02.2015

Pate: Othmar Wagner