Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet OTTILIA

(getauft am 24.04.2018)

 

Am 24.04.2018 bildete sich entlang der lang gestreckten Kaltfront des südlich von Island befindlichen Wirbels NOLLAIG eine wellenförmige Deformation aus. Dies führte zur Entwicklung eines neuen Tiefdruckgebietes, welches aufgrund seines vorhergesagten Einflusses auf das europäische Wettergeschehen in der Prognose für den Folgetag auf den Namen OTTILIA getauft wurde.

Zum ersten Mal wurde das Tief OTTILIA am 25.04. in der Analyse für 01 Uhr MEZ namentlich verzeichnet. Die Zyklone befand sich mit ihrem Zentrum über der zentralen Nordsee und besaß einen Druck von knapp unter 1005 hPa. Vom Kern verlief zu diesem Zeitpunkt eine Warmfront nach Südosten über Niedersachsen und Brandenburg bis zum Westen Polens, wo sie sich mit einem anderen System verband. Vom Kern nach Südwesten folgte außerdem eine Kaltfront, die sich über London, die Bretagne und die Biskaya bis zu den Azoren erstreckte. Der dem Tief OTTILIA zuzuordnende Niederschlag konzentrierte sich bis zum Morgen vor allem auf den Nordwesten Deutschlands und die Niederlande in der Nähe des Tiefdruckzentrums. Innerhalb von 12 Stunden bis 07 Uhr MEZ wurden jeweils 11 l/m² in Lauwersoog und Leeuwarden in den Niederlanden sowie 14 l/m² im nordfriesischen Leck, 15 l/m² in Glücksburg und 20 l/m² in Schleswig gemessen. Schauerartig verstärkt und mit Schnee vermischt konnten weiterhin im dänischen Kegnæs 14 l/m² verzeichnet werden.

Im Tagesverlauf verlagerte sich der Wirbel OTTILIA, der kräftigen Höhenströmung folgend und unter weiterer Verstärkung auf weniger als 1000 hPa, über den Norden Deutschlands und die Ostsee hinweg nach Nordosten bis zum Baltikum. Die stärksten Niederschläge konnten dabei weiterhin im Bereich des Tiefzentrums und der Warmfront beobachtet werden. Bis zum 19 Uhr MEZ-Termin kamen dadurch nochmals 7 l/m² in Glücksburg, ebenfalls 7 l/m² auf der südschwedischen Halbinsel Falsterbo, durch gewittrige Schauer verstärkt 14 l/m² im polnischen Torun sowie 19 l/m² am Militärflugplatz in Cewice und je 7 l/m² in Klaipeda in Litauen und im estnischen Narva zusammen.

Entlang der Kaltfront konnten zwar nicht so hohe Niederschlagsmengen beobachtet werden, dennoch stellte sich an der Front ein ausgeprägter Temperaturgradient ein. Die Kaltfront trennte dabei warme Subtropikluft auf dessen Vorderseite von kalten subpolaren Luftmassen auf dessen Rückseite. Mit ihrer recht langsamen Verlagerung über Frankreich nach Osten gerieten große Teile des Landes nun in den Bereich kühlerer Luft, während der Südosten des Landes weiterhin von der wärmeren Subtropikluft beeinflusst wurde. So wurden im südfranzösischen Saint-Girons am Vortag noch 25,5°C als Höchsttemperatur registriert. Am 25.04. waren es jedoch nach dem Durchzug der Kaltfront nur noch maximal 16,3°C. Das ca. 160 km weiter östlich gelegene Perpignan befand sich hingegen an diesem Tag noch vor der Kaltfront, wodurch dort weiterhin ein Tagesmaximum von über 25°C möglich war.

Zum Nachttermin um 01 Uhr MEZ am 26.04. wurde das Tief OTTILIA mit einem Kerndruck von ca. 995 hPa über dem Grenzbereich von Estland, Lettland und Russland analysiert. Die Kaltfront hatte bis zu diesem Zeitpunkt bereits Teile der Warmfront eingeholt und die warme Luft angehoben. Bei diesem Prozess entsteht eine sogenannte Okklusionsfront, welche die Eigenschaften beider Frontenarten in sich vereint. Solch eine Okklusion führte zunächst westlich des Kerns bogenförmig nach Norden über den Osten Lettlands und Estlands, bevor sie nach Süden wies und sich nordöstlich von Minsk am sogenannten Okklusionspunkt in Warm- und Kaltfront aufspaltete. Die Warmfront verlief anschließend nach Südosten bis über die östliche Ukraine, wo sie in die Kaltfront des Tiefs MADELEINE II überging. Die lang gestreckte Kaltfront reichte hingegen nach Südwesten über Weißrussland, die Karpaten, Norditalien und Südfrankreich bis zu den Pyrenäen.

Im Bereich des Warmsektor, d.h. dem Gebiet hinter der Warm- und noch vor der Kaltfront, in welchem die warme Luft herantransportiert wird, entwickelten sich in der Nacht kräftige Schauer und Gewitter, die vor allem in Weißrussland und im Westen Russlands für hohe Niederschlagssummen sorgten. Bis zum Morgen konnte dadurch in Rybinsk nördlich von Moskau eine 12-stündige Regenmenge von 12 l/m² registriert werden, in Trubchevsk in der Oblast Brjansk waren es 14 l/m², im weißrussischen Klichaw 16 l/m² und etwas weiter westlich in Marjina Horka sogar 32 l/m², wobei hier allein 28 l/m² in nur 6 Stunden fielen. Auch entlang der Kaltfront wurden noch zweistellige Niederschlagsmengen registriert, wie beispielsweise in Oberstdorf mit 12 l/m² oder in Eisenstadt südlich von Wien mit 16 l/m².

Die Kaltfront sorgte außerdem mit ihrer Verlagerung gen Osten für eine starke Absenkung der Temperatur in einem Bereich von Polen über Tschechien, die Slowakei, Österreich, die Schweiz bis Süddeutschland von oftmals 5 bis 10 Grad im Vergleich zum Vortag. Im polnischen Sulejów wurden zum Beispiel mit einem Maximum von 15,5°C insgesamt 8,9 Grad weniger als tags zuvor verzeichnet. In Mühldorf am Inn östlich von München sank die Temperatur sogar von 24,0°C am Vortag auf nun 12,3°C herab.

Währenddessen bildeten sich entlang der Kaltfront über dem Norden Italiens bzw. der Alpenregion kleine, aber kräftige Tiefdruckzentren aus, welche Teile der Front übernehmen sollten. Dabei auftretende Schauer und Gewitter führten in Österreich bis 19 Uhr MEZ zu 44 l/m² in St. Radegund und 47 l/m² in Fischbach. Weiter östlich in der Nähe des Tiefzentrums und der Warmfront fielen des Weiteren 16 l/m² in Khvalynsk an der Wolga in der Oblast Saratow und 20 l/m² in Besentschuk in der Oblast Samara.

Bis 01 Uhr MEZ am 27.04. zog die Zyklone OTTILIA weiter nach Osten und befand sich mit ihrem Zentrum und einem Druck von rund 998 hPa auf halbem Weg zwischen Moskau und Perm. Das Frontensystem des Tiefs OTTILIA bestand dabei aus einer Okklusion, welche sich vom Kern nach Osten in Richtung Südural erstreckte, dort einen Bogen beschrieb und anschließend den Charakter einer Kaltfront annehmend nach Südwesten über den Süden Russlands, die Ukraine, Rumänien und Serbien bis nach Kroatien verlief.

Die kräftigsten und oftmals auch gewittrigen Niederschläge konzentrierten sich in der Nacht vor allem auf den Südosten des europäischen Teil Russlands südlich der Stadt Ufa. Die Folge waren jeweils 19 l/m² in Zilair und Sharlyk sowie 20 l/m² in Sorotschinsk und 21 l/m² in Busuluk. Im Tagesverlauf erreichten die hinter der Kaltfront einfließenden subpolaren Luftmassen nun auch den Südosten Europas und sorgten vielerorts für ein Ende der anhaltenden Hitze mit Temperaturen nahe oder über 30°C. Im rumänischen Bacău konnte somit ein um 12,1 Grad niedrigerer Tageshöchstwert beobachtet werden, wobei das Maximum von 29,7°C auf 17,6°C sank.

Das Tief OTTILIA zog im Verlauf der Höhenströmung folgend weiter nach Osten. Dabei verließ es bereits in den Mittagsstunden den Analysebereich der Berliner Wetterkarte und konnte somit am Folgetag nicht mehr auf dieser namentlich verzeichnet werden.