Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
OTTO
(getauft
am 11.04.2017)
Zu Beginn der zweiten Aprildekade zeigte
das Strömungsmuster über dem atlantisch-europäischen Raum eine weit nördlich
verlaufende Frontalzone. Damit ist der Bereich gemeint, der polare Luftmassen
von subtropischen trennt und in der Höhe durch ein schmales Starkwindband
gekennzeichnet ist. Dieser sogenannte Jetstream verlief am 11.04. etwa vom
Nordosten Kanadas über den grönländisch-isländischen Raum Skandinavien bis nach
Nordwestrussland. An der Nordflanke dieses Windbandes kann aufgrund dynamischer
Prozesse häufig eine Tiefdruckneubildung beobachtet werden. Genau solch eine
Zyklogenese prognostizierten die verschiedenen Wettermodelle am 11.04. für den
darauf folgenden Tag im Bereich der Südspitze Grönlands. Das entstehende Tief
sollte dann der Höhenströmung folgend in Richtung Skandinavien ziehen und mit
seinen Ausläufern einige Tage später auch das Wetter bei uns in Deutschland beeinflussen.
So wurde das neu entstandene Tief noch am 11.04. auf den Namen OTTO getauft.
Erstmals analysiert werden konnte Tief OTTO
in den frühen Morgenstunden des 13. April mit Zentrum über der Grönlandsee und
einem Luftdruck von etwas unter 1010 hPa. Die Ausläufer des Tiefs, bestehend
aus kurzer Warmfront bis südlich vor Island und langgezogener Kaltfront bis vor
Neufundland, spannten sich zu diesem Zeitpunkt noch weit entfernt vom
Europäischen Kontinent über den nördlichen Nordatlantik. Während sich der Kern
des Tiefs in den folgenden Stunden mit der Höhenströmung südlich von Island
vorbei Richtung Färöer-Inseln schob, erreichten erste Wolkenfelder im
Zusammenhang mit der Warmfront die Britischen Inseln. Abgesehen von örtlich
geringem Regen über Schottland und Irland, mit Mengen von meist unter 1 l/m² in
12 Stunden, hatte Tief OTTO aber zunächst noch keinen Wettereinfluss.
Dies änderte sich jedoch zum 14. April, als
die Kaltfront der Zyklone OTTO von Nordwesten auf die Britischen Inseln
übergriff. Die frontalen Niederschläge brachten vor allem über Irland und Wales
zwölfstündliche Regenmengen um 5 l/m², im nordwalisischen Capel
Curig wurden bis zu 13 l/m² zwischen 06 und 18 UTC
gemessen. Im Vorfeld der Front erreichte ein Schwall mäßigwarmer Atlantikluft
England und die Temperaturen stiegen etwa in London bis auf 15°C. Hinter der
Front dagegen erreichten die Temperaturen z.B. in Belfast nur noch 10°C.
Die Zyklone selbst zog unter kurzzeitiger
Verstärkung auf unter 1000 hPa in der Nacht zum 15.04. weiter zur Norwegischen
See. Gleichzeitig bildete sich an dessen Rand über der Nordsee ein neues
Teiltief, welches folglich den Namen OTTO II tragen sollte. Damit einhergehend
entstanden neue Niederschlagsfelder, die von der Nordsee her Holland, Belgien,
Dänemark und Deutschland erreichten. Bis zum nächsten Morgen 06 UTC regnete es
etwa in Rotterdam 3 l/m², in Hamburg 6 l/m² und im dänischen Skrydstrup 8 l/m².
Während der Tiefdruckkern OTTO I am 15.
April nahezu stationär vor der Norwegischen Küste verblieb, zog OTTO II unter
rascher Kräftigung über Dänemark und die südliche Ostsee in Richtung Baltikum.
Dadurch wurde die Kaltfront des Tiefs, welche mit OTTO II verknüpft war, rasch
über Deutschland südwärts geführt. Hierbei entwickelten sich einzelne
Regenschauer, die aber meist nur wenige Liter oder gar lediglich wenige Zehntel
Liter Niederschlag in 12 Stunden brachten. Etwas intensiver waren die
Niederschläge entlang der Zugbahn des Kerns OTTO II mit etwa 12 l/m² auf
Bornholm oder 11 l/m² im pommerschen Lebork. Bemerkenswerter
war jedoch die Windzunahme, die sich aus der Luftdruckvertiefung von Tief OTTO
II ergab. Über weiten Teilen Mitteleuropas wurde Windstärke 6-7 auf der
Beaufort Skala, zwischen Friesland-Schleswig-Holstein und Vorpommern sowie
Süddänemark auch Sturmstärke 8-9 gemessen, wie z.B. in Quickborn bei Hamburg
mit Böen bis 76 km/h, was Stärke 9 auf der Skala entspricht, am Nachmittag.
Vor allem in der ersten Nachthälfte blieb
der Wind noch lebhaft. Derweilen erreichte die Kaltfront bereits den Alpenrand,
wo es infolge von Staueffekten in der Nacht 12-stündige Regenmengen von über 10
l/m² gab, z.B. in Oberstdorf mit 11 l/m² oder Salzburg mit 13 l/m². In der
hinter der Front einströmenden maritimen Subpolarluft kühlte sich die Luft über
Mitteleuropa auf Werte von meist unter 5°C ab. Über der Mitte und dem Nordosten
Deutschlands wurde bei längerem Aufklaren und in windgeschützten Lagen
verbreitet Bodenfrost vermeldet, wie z.B. am Flughafen Düsseldorf mit -3°C.
Am frühen Morgen des 16. April wurde Tief
OTTO II mit einem Luftdruck von knapp unter 1000 hPa über dem Baltikum analysiert,
während der Kern OTTO I mit knapp unter 1010 hPa über Südwestnorwegen lag. Vor
allem mit dem Baltikumtief waren wetteraktive Fronten verknüpft, die in
östliche Richtungen als Warmfront bis zur Ukraine, in südwestliche Richtungen
als Kaltfront über Polen und Tschechien bis zum Alpenraum und als Okklusion,
also Mischfront, in westliche Richtungen bis nach Dänemark verliefen. Die
Kaltfront drang im Tagesverlauf weiter südostwärts bis in den Alpenraum und zur
Balkanhalbinsel voran. Durch den sich verschärfenden Temperaturgradienten
zwischen einfließender subpolarer Kaltluft und warmer Mittelmeerluft, kam es zu
einer Intensivierung der Niederschläge. Zusätzliche Impulse lieferte
die Orographie, sowie die Entstehung eines Wellentiefs im frontalen Bereich über
dem Balkan. So brachten schauerartige, teils gewittrige Regenfälle zwischen
Schweiz, Österreich bis hin zu den Westbalkanstaaten bis zum Abend z.B. in
Sarajevo 12 l/m², im serbischen Banja Luca 32 l/m² und an der Adria in
Dubrovnik sogar 48 l/m². Die Station Bregenz meldete 39 l/m² zwischen 06 und 18
UTC. Hinter der Front stiegen die Temperaturen über Mitteleuropa nur noch auf
Werte von knapp über oder unterhalb 10°C, beispielsweise in Warschau mit 6°C,
Berlin mit 9°C oder Köln mit 11°C. Dabei entwickelten sich auch hier noch
einzelne Regenschauer meist mit nur schwacher Intensität, oberhalb von 600 m aber
auch einzelne Schneeschauer in den Mittelgebirgen und am Alpenrand.
Weiterer Niederschlag fiel auch im Bereich
des nach Russland ziehenden Tiefdruckkerns OTTO II zwischen Baltikum,
Weißrussland und Westrussland. Dabei kam es auf kleinem Raum zu bemerkenswerten
Unterschieden, wie sich über Weißrussland zeigte. Während es etwa in Vitebsk, nordwestlich von Minsk bei Temperaturen von wenig
über 0°C mit 12 l/m² teils kräftig schneite, regnete es in Pinsk,
südlich von Minsk, bei Höchstwerten von 11°C eine Menge von 4 l/m².
Nachts sorgte steigender Luftdruck über
weiten Teilen Mitteleuropas für eine allgemein nachlassende Schauertätigkeit.
Dagegen hielten die kräftigen und teils gewittrigen Niederschläge über
Südosteuropa, mit Schwerpunkt im östlichen Balkan und Adria-Raum, an.
Beispielsweise wurden in Bukarest bis zum darauf folgenden Morgen 20 l/m² Regen
gemessen, im mazedonischen Stip fielen bei kräftigen
Gewitterschauern sogar 70 l/m².
Am 17. April entfernte sich Tief OTTO II
mit seinem Schwerpunkt von Zentralrussland in Richtung des Urals. Gleichzeitig
überquerte die lang gezogene Kaltfront auch das restliche Osteuropa, bzw.
Westrussland, wobei die Niederschlagsintensität weiter nachließ. Der zweite
Schwerpunkt des Tiefs OTTO, OTTO I, löste sich dagegen im Tagesverlauf über
Dänemark vollständig auf. In seinem Umfeld war es ohnehin nur noch zu
einzelnen, schwachen Regenschauern von meist unter 5 l/m² gekommen. Weiterhin
kräftig blieben die Schauer und Gewitter über dem östlichen Balkan, wobei sich
aus der Frontalwelle bis zum Abend ein eigenständiges Tief entwickelte, welches
weiter zum Schwarzen Meer zog. Aufgrund des konvektiven Charakters waren die
Niederschläge hier recht uneinheitlich verteilt und die Unterschiede auch auf
geringstem Raum groß. Während es in Sofia mit 0,8 l/m² tagsüber lediglich
leicht regnete, kam es im knapp 50 km entfernten Dimitrovgrad
zu ergiebigen Regenfällen, wobei zwischen 06 und 18 UTC extreme 102 l/m²
gemessen wurden.
In den Frühstunden des 18.04. konnte Tief
OTTO, nunmehr mit nur noch einem Kern, über dem zentralen Ural letztmalig
analysiert werden. Die mit dem Tief verknüpften Ausläufer, mit teils Warm-,
teils Kaltfrontcharakter reichten zu diesem Zeitpunkt über den Süden Russlands
hinweg bis zum Schwarzen Meer, um dort in die Ausläufer des zuvor erwähnten
unbenannten Wellentiefs überzugehen. Vor allem im frontalen Bereich und in der Nähe
zum Kern regnete, bzw. weiter nördlich schneite es noch zeitweilig leicht.
Im weiteren Verlauf vereinigte sich Tief
OTTO mit einem weiteren Tief über Westsibirien und konnte somit nicht weiter als
eigenständige Zyklone auf der Berliner Wetterkarte analysiert werden.
Geschrieben
am 19.06.2017 von Gregor Pittke
Berliner Wetterkarte: 16.04.2017
Pate: Dr. Otto Burkhardt