Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
OTTO
(getauft am 19.06.2015)
Ende der zweiten Junidekade bildete sich über dem
zentralen bis östlichen Nordatlantik ein Wirbel, angetrieben durch einen Trog,
also ein Vorstoß kalter Luftmassen nach Süden im 500 hPa-Niveau, was einer Höhe
von etwa 5,5 km entspricht, südlich von Grönland. Am 19. Juni wurde dieses
Tiefdruckgebiet in der Analyse auf den Namen OTTO getauft.
Am 20. Juni lag das Zentrum des Wirbels OTTO mit einem
Kerndruck von knapp unter 1000 hPa ungefähr 400 km südwestlich von Island. Vom
Kern des Tiefs OTTO ging bogenförmig in östlicher Richtung eine Okklusionsfront
aus. Bei einer Okklusion handelt es sich um eine Mischfront, die Kalt- und
Warmfronteigenschaften aufweist. Bei diesem Prozess holt die schneller ziehende
Kaltfront die Warmfront ein, wodurch sich eine Mischfront – also eine Okklusion
bildet. Die Okklusion endete in diesem Fall auf dem gleichen Breitenkreis wie
Edinburgh.
In den folgenden 24 Stunden verlagerte sich
der Tiefdruckwirbel OTTO weiter nach Osten über das Seegebiet südlich von
Island und westlich von Schottland. Mit seinen Ausläufern bestimmte der Wirbel
OTTO das unbeständige und kühle Sommerwetter
nicht nur in Großbritannien, sondern auch der Benelux-Staaten, Deutschland und
Frankreich. Unter dem Einfluss des zugehörigen Höhentrogs wurde in diesen Gebieten
Meeresluft subpolaren Ursprungs herantransportiert. Am Vortag betrug die
Höchsttemperatur an der Wetterstation Edinburgh Gogarbank noch 18°C, nachdem
die Kaltfront jedoch durch das Gebiet gezogen ist, wurde nur 15,3°C als
Tageshöchstwert gemessen.
In der Nacht zum 22. Juni zog das
Tiefdruckgebiet OTTO mit seinem ausgedehnten Frontensystem zur Nordsee und der
Druck im Kern wies etwas über 1010 hPa auf. Um 00 Uhr UTC, was 02 Uhr MESZ
entspricht, befand sich zwischen dem nördlichen 50. und 60. Breitenkreisen die
wellenförmige rückläufige Okklusionsfront, die sich von etwa 300 km nördlich
von Irland über die Nordsee bis zu der deutsch-polnischen Landesgrenze auf dem
gleichen Breitenkreis wie Amsterdam ersreckte. Dort lag der Okklusionspunkt, an
dem die Warmfront und die Kaltfront zusammentrafen. Die Warmfront erstreckte
sich über Tschechien, Österreich und die Alpen bis zum nördlichen Italien. Die
Kaltfront führte etwas weiter westlich und bogenförmig über Deutschland,
Österreich, die Schweiz und dem östlichen und südlichen Frankreich bis zur
Biskaya. In den vorangegangenen 12 Stunden bis 18 Uhr UTC fielen dabei im
Schwarzwald und in der Eifel örtlich über 10 mm schauerartiger Niederschlag.
Das kräftige Höhentief verlagerte sich bis
zum Morgen des 23. Juni nach Norddeutschland, wobei sich unter dem Höhentief in
der Nacht ein zweiter Tiefkern entwickelt hatte. Dank dieser Struktur konnte
beinahe in ganz Deutschland kräftiger Regen beobachtet werden. Eine Ausnahme
bildete nur ein Streifen von Nordfriesland über Ostholstein bis nach
Westmecklenburg, wo nur geringe Mengen gemessen wurden bzw. örtlich kein Regen
fiel. Innerhalb von 24 Stunden bis zum Morgen diesen Tages um 06 Uhr UTC fielen
in Düsseldorf 25,6 mm, auf dem Thüringer Rennsteig in Frauenwald 28,3 mm, auf
dem Hoherodskopf am Vogelsberg 33,9 mm und in der Eifel am Schneifelforsthaus
29,4 mm. Unter den Wolken blieb es recht kühl. An diesem Tag wurde an der
Wetterstation Berlin-Dahlem nur 13,6°C gemessen. Das tiefste Maximum für den
23. Juni seit 1908 liegt zum Vergleich bei 12,5°C.
Zum nächsten Tag verlagerte sich das Tief
OTTO langsam weiter nordwärts und befand sich am 24. Juni mit einem Luftdruck
im Kern von rund 1005 hPa in der Nähe der Ostseeinsel Gotland. An seinem Rande
setzte sich der Zustrom maritimer Luftmassen polaren Ursprungs fort. Das
Besondere war, dass sich in der Nacht zum 25. Juni von der Höhenströmung ein
Kaltlufttropfen abgespaltet hat. Als Kaltlufttropfen werden kalte Höhentiefs
bezeichnet, unter denen sich im Bodenfeld keine oder nur eine schwache
zyklonale Zirkulation befindet. Dieser Kaltlufttropfen verursachte auf dem
Balkan heftige Schauer und Gewitter. In Split wurden 16 mm in 6 Stunden bis 12
Uhr UTC und in Tivat 22 mm in 12 Stunden bis 18 Uhr UTC gemessen. Bis 18 Uhr
UTC registrierte die Wetterstation Dubrovnik eine Niederschlagsmenge von 45 mm,
die sich auf die letzten 12 Stunden bezieht.
Mit einem Kerndruck von etwas unter 1000
lag der Wirbel OTTO am 25. Juni gegen 00 Uhr UTC über dem Bottnischen
Meerbusen. Seine Okklusionsfront, die sich vom Kern in nördliche Richtung etwa
200 km lang ersreckte, verursachte regnerisches und wolkenreiches Wetter in
Nordschweden. Etwa 50 km von Murmansk entfernt befand sich der Okklusionspunkt.
Die von diesem Punkt ausgehende kurze Warmfront war nicht länger als die
Okklusion, sie ersreckte sich über das Weiße Meer bis zum gleichen Breitenkreis
wie Archangelsk. Dank dieser Warmfront betrug die Höchsttemparatur in
Archangelsk 26°C. Die Kaltfront befand sich weiter südlich und bestimmte das
Wetter von Osteuropa über Weißrussland, der Westukraine und Rumänien bis nach
Nordbulgarien.
In der Nacht zum 26. Juni verlagerte sich
das Tiefdruckgebiet OTTO weiter nach Nordosten und befand sich ca. 100 km
nordöstlich von Schweden über der Barentssee. Sein Frontensystem verursachte
bis 06 Uhr UTC in Rovaniemi und Murmansk mehr als 15 mm Niederschlag in 24
Stunden.
Am 27. Juni war der Wirbel OTTO zum letzten
Mal als eigenständiges Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen.
Das Tief OTTO wurde mit seinem Kern, in dem der Druck etwas unter 1000 hPa
betrug, über der Karasee, ungefähr 250 km westlich von der Inselgruppe Nowaja
Semlja analysiert, bevor er den Darstellungsbereich nach Osten verließ.
Geschrieben am 29.07.2015 von Adrienn Hegedüs
Berliner Wetterkarte: 22.06.2015
Pate: Jürgen Otto