Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
OTTO
(getauft
am 19.07.2011)
Am Morgen des 19.07. kam es, nach Einbezug
eines Kurzwellentroges in den mit Bodentief NEMO korrespondierenden Höhentrog,
über der Nordsee und dem Nordmeer zu einem Luftdruckabfall über dem Westen
Frankreichs. Dabei bildete sich ein Tief, welches am selben Tag auf den Namen
OTTO getauft wurde.
Als Teil eines größeren Tiefdruckkomplexes,
dessen Schwerpunkt mit 991 hPa im Kern des Wirbels NEMO I über der Nordsee lag,
führte das Tief OTTO an seiner Westflanke kühle Meeresluft zunächst in den Nordwesten
der Iberischen Halbinsel, später auch nach Südfrankreich und Norditalien. Dabei
gab es vorlaufend zur Kaltfront schon in der Nacht der Taufe kräftige
Hebungsprozesse über Nordspanien und Südfrankreich, die zu verbreitet starkem
und zum Teil gewittrigem Regen führten. In Barcelona fielen dabei 38 mm, in
Tours 31 mm und in Cognac 27 mm Niederschlag.
Im Tagesverlauf verlagerte sich das Zentrum
der Zyklone OTTO, mit einem Kerndruck von 1000 hPa, zum Alpenraum und spaltete
sich dort beim Auftreffen auf ein unbenanntes Tief über dem Golf von Genua in
die zwei Zentren OTTO I über Österreich und OTTO II über der Adria auf. Die an
das Tiefdruckgebiet gekoppelten Gewitter zogen weiter nach Nordosten. Damit gab
es auch über dem Großraum Paris Regenmengen von 30 mm und mehr, z.B. am
Flughafen Charles de Gaulle 31 mm und etwas weiter südlich in Melun 40 mm. Am
Nachmittag erreichten die Gewitter auch den Süden Deutschlands, wobei sich über
Südbayern ebenfalls starke Gewitter entwickelten, die in Landsberg bis zum
Abend 37 mm Regen brachten. In der Nacht zum 20.07. verlagerte sich das großräumige,
von Gewitterzellen durchsetzte Regengebiet weiter nach Nordbayern und bescherte
nun dem ganzen Bundesland sehr ergiebige Niederschläge. So fielen
beispielsweise in München 46 mm, in Nürnberg 56 mm, in Berkheim 60 mm und in
Reimlingen 72 mm Regen. Die größte Menge wurde zum Messtermin 8 Uhr Mitteleuropäischer
Sommerzeit mit 103 mm in Grafenberg-Kasberg ermittelt, bis 11 Uhr fielen hier
sogar noch weitere 15 mm. Das entspricht insgesamt ungefähr einem Sechstel des
gesamten mittleren Jahresniederschlags. Auch in Sachsen und Teilen der
Niederlausitz regnete es am Morgen recht stark, so fielen in Görlitz 63 mm.
Während das Tiefzentrum OTTO I unter
erheblicher Verstärkung auf 995 hPa nach Nordpolen weiter zog, verlor der Kern OTTO
II an Eigenständigkeit und wurde auf der Isobarenkarte nicht mehr analysiert. Auf
der Vorderseite des Tiefs OTTO I kam es zu einem Warmluftvorstoß vom Balkan bis
in das nördliche Russland. In Archangelsk am Weißen Meer stieg die Temperatur
auf 31,1°C. Diese Warmluft wurde an der Nordseite des Tiefs gegen die von
Nordwesten einfließende maritime Polarluft gelenkt, so dass es zu weiteren
Hebungsvorgängen mit heftigen Niederschlägen entlang der Luftmassengrenze kam.
Da sich das Tiefzentrum des Wirbels OTTO am
21.07. kaum verlagerte, waren von der nahezu stationären Hebungszone vor allem
Westpolen und der Nordosten Deutschlands betroffen, wo erneut große Regenmengen
fielen. In der Nacht zum 22.07. wurden dabei in Manschow bei Frankfurt/Oder 58
mm gemessen, im polnischen Zielona Gora 89 mm. Spitzenreiter in Deutschland war
in dieser Nacht Zinnowitz auf Usedom, dort fielen nach Angaben von Meteomedia
83,5 mm. Im Tagesverlauf hielten die Niederschläge jedoch weiter an und so kam
es in Warnemünde mit 95 mm innerhalb von 12 Stunden zu noch höheren Werten.
Die westwärtige Verlagerung des
Regenschwerpunktes stand mit der plötzlichen retrograden, d.h. nach Westen
gerichteten Drift des Tiefs OTTO im Zusammenhang, dessen Zentrum am 22.07. nach
Dänemark zog. Auf der Südseite des Tiefs breitete sich währenddessen die
maritime Polarluft, die vom Nordmeer und von der Nordsee landeinwärts transportiert
wurde, bis nach Polen aus. Gegenläufig erreichte auf der Nordseite die Warmluft
aus Russland nun Schweden, so dass in Uppsala 30°C gemessen wurden. Über
Norwegen und der Nordsee, im Übergangsbereich zur kühlen Meeresluft, gab es
ebenfalls verbreitet Gewitter mit Starkregen. So fielen z.B. in Göteborg
24-stündig 23 mm und im benachbarten Rengedala 32 mm. In der Umgebung von Oslo
lagen die Mengen meist um 20 mm, der höchste Wert wurde mit 44 mm an der
Station Kongsberg ermittelt.
Am 23.07. verlagerte sich das Tief OTTO
weiter zur Deutschen Bucht, wobei die an der Südflanke des Tiefs geführte kühle
Meeresluft nun auch Südskandinavien erreichte und die Warmluft nach Norden
abdrängte. Der Schwerpunkt des Niederschlagsfeldes, welcher sich in der Nähe
des Tiefzentrums befand, verlagerte sich über Dänemark und Schleswig-Holstein
weiter nach Süden, sodass nun die Benelux-Länder und Westdeutschland von
größeren Regenmengen betroffen waren.
Im Laufe des 24.07. spaltete sich das Tief OTTO
unter Abschwächung auf 1000 hPa erneut in zwei Zentren. Eines verharrte über
der Nordsee und das zweite zog entlang der norwegischen Küste nach Norden.
Dabei regnete es überwiegend an der Nordsee und über Nordrhein-Westfalen. Bei
bedecktem Himmel und frischem Wind wurden am 25.07. in einigen Gebieten
Deutschlands kaum 15°C erreicht, in Bremen betrug das Maximum herbstliche 14°C,
in Schwerin sogar nur 13°C.
Die Tiefzentren OTTO I über der Nordsee und
OTTO II vor der norwegischen Küste schwächten sich in den folgenden Tagen stark
ab, ohne dass sie dabei nochmals ihre Lage veränderten. Mit jeweils 1015 hPa Kerndruck
herrschten am 26.07. bereits so geringe Druckunterschiede zur Umgebung, dass
die Tiefs am 27.07. ihre Eigenständigkeit verloren und nachfolgend nicht mehr
namentlich in der Berliner Wetterkarte analysiert wurden.
Geschrieben am 06.09. 2011 von R. Löwenherz
Wetterkarte: 24.07. 2011
Pate: Otto Riehl