Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet OTTO

(getauft am 24.06.2019)

 

Am 24.06.2019 wurde von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte ein Tiefdruckgebiet in der Prognose für den Folgetag auf den Namen OTTO getauft. Dieses Tief entwickelte sich am Abend über dem Westen Frankreichs im Bereich des Frontensystems des Atlantiktiefs NASIR und zog von dort weiter nordwärts. Dabei bildeten sich nördlich des Tiefzentrums einzelne Gewitter über Nordfrankreich, die in der Nacht auch über den Ärmelkanal nach Großbritannien zogen.

Gegen 01 Uhr Mitteleuropäischer Zeit (MEZ) des 25.06. befand sich der Kern des Tiefs OTTO mit einem Kerndruck von knapp über 1013 hPa südwestlich von Paris, wobei die Warmfront über die Beneluxstaaten und die Kaltfront über Südfrankreich und die iberische Halbinsel reichte. In den darauffolgenden Stunden zog das Tief OTTO zügig nach Nordosten weiter, wobei sich die Hauptniederschläge auf den Süden und die Mitte Großbritanniens konzentrierten. Dort waren bis zum Morgen 07 Uhr MEZ verbreitet um 10 mm Niederschlag gefallen, in den Gewittern des Vorabends über Nordfrankreich wurde die höchste Summe mit 25,0 mm in Caen gemessen. Abgesehen von diesen Niederschlägen, welche später in Richtung Nordsee weiterzogen, war das Tief zunächst noch wenig wetteraktiv.

Zu Tagesbeginn des 26.06. hatte das Tief OTTO den Nordwesten Deutschlands erreicht, der Luftdruck war dabei auf ca. 1017 hPa leicht angestiegen. Die Warmfront hatte sich bis zur Ostsee und das südliche Schweden verlagert, die Kaltfront des Tiefs zog über die Beneluxstaaten langsam ostwärts voran. Rückseitig der Kaltfront konnte maritime Luft polaren Ursprungs nach Mitteleuropa strömen, sodass im Nordseeumfeld die Höchsttemperaturen an diesem Tag nicht über 25°C stiegen, teilweise um 10 Grad kühler als noch am Tag zuvor. Das Tiefdruckgebiet OTTO zog im Verlauf des 26.06. unter nun deutlicher Verstärkung über den Norden Deutschlands hinweg in den südlichen Ostseeraum. An der ebenfalls nach Osten weiterziehenden Kaltfront entwickelten sich zum Nachmittag Schauer und Gewitter über Polen, dem Baltikum und der südlichen Ostsee, mit denen vereinzelt hohe Niederschlagssummen auftraten. Die Schauer und Gewitter zogen zum Abend und in der Nacht in den Osten Polens und nach Weißrussland. Über Deutschland strömte derweil die maritime Polarluft weiter nach Süden und verdrängte dort die heiße Subtropikluft, die noch tagsüber für Temperaturrekorde gesorgt hatte.

Um 01 Uhr MEZ des 27.06. lag der Kern des Tiefdruckwirbels OTTO über Lettland, wo ein deutlich gesunkener Luftdruck von 1007 hPa gemessen wurde. Die Warmfront reichte vom Zentrum über Weißrussland in die Ukraine, die Kaltfront hatte auf dem Weg nach Süden die Mitte Polens und Deutschlands überquert. Die Gewitter entlang der Kaltfront breiteten sich nun immer weiter über Osteuropa aus, im Bereich des Tiefzentrums und der Warmfront fiel hingegen überwiegend stratiformer Niederschlag, umgangssprachlich auch als Landregen bezeichnet. Um 07 Uhr MEZ wurden die höchsten Niederschlagssummen jedoch von den Stationen gemeldet, die am Abend zuvor und in der Nacht von Gewittern erfasst worden waren. Dabei waren im 24-stündigen Zeitraum 49,0 mm in der westrussischen Stadt Welikije Luki gefallen, 39,0 mm im weißrussischen Slauharad und 25,0 mm in Babrujsk. Das Tiefdruckgebiet OTTO zog in den folgenden Stunden des 27.06. weiter ostwärts in den Westen Russlands, seine Kaltfront überquerte nach Süden ziehend weite Teile Ost- und Mitteleuropas. Während sich an dieser in den Nachmittagsstunden erneut von Österreich bis Russland kräftige Schauer und Gewitter bildeten, blieb es im Bereich der Warmfront bei meist leichtem Regen. Die stärksten Gewitter entwickelten sich über der Ukraine und Rumänien, dort traten diese auch mit Sturmböen auf, wie im rumänischen Cluj-Napoca mit 93,7 km/h. Deutlich regenintensiver waren die Schauer und Gewitter jedoch über Russland, hier wurden in 12 Stunden bis 67,0 mm Niederschlag in Potschinok und 44,0 mm in Smolensk registriert. Die nach Süden strömende Polarluft sorgte auch für einen deutlichen Rückgang der Tageshöchsttemperaturen auf der Rückseite des Tiefs. Besonders im Osten Deutschlands und in Polen, wo tags zuvor noch über 35°C gemessen wurden, betrugen die Höchstwerte 10 bis 15 Grad weniger. Zum Abend und in der Nacht erreichten die Gewitter entlang der Kaltfront dann auch den nördlichen Balkanraum.

Das Zentrum des Tiefs OTTO befand sich zu Tagesanbruch des 28.06.2019 mit einem nochmals stark gefallenen Luftdruck von ca. 991 hPa knapp südlich von Moskau. Das Tief hatte zudem zu okkludieren begonnen, es hatte sich also eine Okklusionsfront im Bereich des Tiefkerns gebildet. In der Meteorologie bezeichnet eine Okklusion oder Okklusionsfront eine Mischfront aus Kalt- und Warmfront, die entsteht, wenn die nachfolgende und schneller ziehende Kaltfront die vorhergehende Warmfront einholt. Der Punkt, an dem die Kalt- und Warmfront zusammenlaufen heißt Okklusionspunkt. Die Okklusion des Tiefs OTTO reichte dabei vom Zentrum ein kurzes Stück nach Südosten, wo sie sich in die ebenfalls nach Südosten verlaufende Warmfront und die nach Südwesten bis in den Alpenraum reichende Kaltfront aufspaltete. In der Nacht ließ die Gewitteraktivität immer mehr nach, am stärksten regnete es im Umfeld des Tiefzentrums. 24-stündig wurden dort am Morgen in Istra knapp westlich von Moskau 65,0 mm Niederschlag erfasst, für 36,8 mm hatten die Gewitter in der Nacht im bosnischen Tuzla gesorgt. In den darauffolgenden Stunden zog das Tief OTTO weiter nach Osten, wobei die kräftigsten Niederschläge um das Tiefzentrum auftraten und dort auch einzelne stürmische Böen gemessen wurden. Die Verlagerungsgeschwindigkeit des Tiefs nahm jedoch mit der Zeit immer weiter ab, sodass sich der stärkste Regen auf wenige Regionen um und östlich von Moskau konzentrierten. An der Kaltfront traten am Nachmittag und Abend nur noch wenige Gewitter auf, die stärksten davon im Küstenumfeld des Schwarzen Meeres.

Bis 01 Uhr MEZ des 29.06. war das Tief OTTO weiter in Richtung des Uralgebirges gezogen, wobei der Luftdruck nochmals leicht auf etwa 988 hPa gefallen war. Okklusion und Warmfront verliefen weiterhin nach Südosten, die stark ausgeprägte Kaltfront erstreckte sich zunächst in Richtung Kaukasus und von dort über das Schwarze Meer weiter zum Balkan. Die intensivsten Niederschläge traten jedoch unverändert im Umfeld der Okklusion und des Tiefdruckkerns auf. Dort fielen bis zum Morgen verbreitet zwischen 20 mm bis 30 mm, die höchste Summe wurde mit 36,0 mm im russischen Sergatsch gemessen. Zudem traten auch an diesem Tag vielerorts stürmische Böen auf. In der auf der Rückseite des Tiefs OTTO weiter nach Südosten vordringenden Polarluft in Verbindung mit den längeren Regenfällen erreichte die Temperatur im Raum Moskau häufig für Ende Juni sehr kühle Höchstwerte von nur 11°C bis 15°C. Am Nachmittag und Abend entwickelten sich an der Kaltfront erneut einzelne Schauer und Gewitter, die aber nur lokal stärker ausfielen.

Der Tiefdruckwirbel OTTO zog darauffolgend in nordöstliche Richtung und lag mit seinem Zentrum zu Tagesbeginn des 30.06. mit einem leicht angestiegenen Druck von 989 hPa vor der Küste des Weißen Meeres. Die Okklusion verlief zunächst ostwärts, später südostwärts bis zum Ural, von dort aus reichte die Warmfront nach Süden in Richtung Kasachstan weiter, die Kaltfront über den Kaukasus zum Schwarzen Meer. Insgesamt hatte sich aber die Niederschlagsintensität des Tiefs OTTO abgeschwächt, was auch an den 24-stündigen Niederschlagssummen, welche um 07 Uhr MEZ gemeldet wurden, erkennbar war. Diese betrugen meist unter 20 mm, nur in Konoscha mit 29,0 mm und in Kirs mit 28,0 mm lagen diese deutlich darüber. Das Tiefdruckgebiet zog nun weiter nach Norden und erreichte gegen Mittag das Nordpolarmeer. Währenddessen bildeten sich südlich des Urals an der Kaltfront nochmals starke, niederschlagsreiche Regenschauer.

Um 01 Uhr MEZ des 01.07.2019 befand sich das Tief OTTO knapp südlich der russischen Insel Nowaja Semlja, der Luftdruck war erneut leicht auf knapp 995 hPa gestiegen. Das Tief war nun auch stärker okkludiert, die Okklusionsfront reichte um das Tiefzentrum im Uhrzeigersinn bis vor die russische Polarmeerküste. Warm- und Kaltfront verliefen südwärts, die Kaltfront noch westlich des Urals, die Warmfront hatte östlich des Urals bereits Sibirien erreicht. Die starken Regenschauer am Vorabend über dem Süden Russlands hatten nochmals für höhere Niederschlagsmengen gesorgt, wie in Buguruslan, wo 45,3 mm fielen. Im Bereich des Tiefzentrums wurde die höchste Summe mit 25,0 mm am Kap Kanin gemessen. In den folgenden Stunden verlagerte sich das Tief OTTO weiter auf das Nordpolarmeer und damit außerhalb des Analysebereichs der Berliner Wetterkarte.

Das Tief OTTO hatte insgesamt über 8 Tage lang das Wettergeschehen besonders über Mittel- und Osteuropa mit geprägt. Zunächst war es als kleines und nicht sehr wetteraktives Tief von Frankreich über Deutschland in Richtung Baltikum gezogen, hatte dort aber dann für zahlreiche kräftige Gewitter und einen Temperatursturz gesorgt. Über Russland hatte es sich zu einem leichten Sturmtief entwickelt und anschließend aufs Nordpolarmeer ziehend den europäischen Kontinent wieder verlassen.