Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet PAMELA

(getauft am 09.08.2018)

 

Am Morgen des 09. August zeigte die Luftdruckverteilung über dem atlantisch-europäischen Raum neben einem nur mäßig ausgeprägten Azorenhoch eine Reihe von kleinräumigen Tiefdruckgebieten, etwa über der Barentssee, dem Nordmeer (NADINE), Westeuropa (ORIANA) sowie über der Labradorsee. Letztgenanntes Tief war noch in einem sehr jungen Stadium mit klar separierten Fronten und einem Kerndruck von etwas unter 1005 hPa. So spannte sich die Kaltfront vom Zentrum über der Labradorsee von Südwesten bis vor die kanadische Nordostküste. Die Warmfront reichte in entgegengesetzter Richtung bis über den Nordatlantik. Indes bestimmte schon seit geraumer Zeit eine hochreichende Antizyklone das Wetter über Zentral-, Nord- und Osteuropa, die für hochsommerliches, heißes und trockenes Wetter sorgte. Atlantische Tiefdruckgebiete wurden um dieses blockierende Druckgebilde herumgelenkt, wie auch die Lage oben beschriebener Tiefs verdeutlicht. Einen anderen Weg sollte jedoch die Zyklone über dem Nordwestatlantik einschlagen. Sie sollte nach Prognosen verschiedener Wettermodelle über das nördliche Mitteleuropa in Richtung Baltikum und Nordwestrussland ziehen und so das kräftige Hoch vorübergehend schwächen. Folglich wurde das bis dato noch namenlose Tief am 09. August in der Analyse auf den Namen PAMELA getauft.

Entstanden war es bereits einige Tage zuvor über dem nordamerikanischen Kontinent am Rande eines ausgedehnten und flachen Kaltlufthöhentroges. Dies ist ein Bereich, in dem polare und subpolare Luftmassen typischerweise in einer Höhe von 3-6 km weiter südlich als gewöhnlich vordringen. Zunächst hatte Tief PAMELA noch keinen Einfluss auf das Wetter in Europa. Es verlagerte sich ohne nennenswerte Druckänderung am 09. und 10. August mit seinem Kern entlang der Südspitze Grönlands über das Seegebiet südlich von Island. Erst am 11. August erfassten die Wolken- und Niederschlagsfelder im Zusammenhang mit der Warmfront die Britischen Inseln. Dabei war der Kerndruck an jenem Tag zwischenzeitlich auf knapp 995 hPa gefallen, was der niedrigste Wert in der Entwicklung der Zyklone PAMELA war. Bei zumeist leichtem Regen fielen in Irland, Wales und Südwestengland bis zum Abend 3 bis 5 l/m² innerhalb von 12 Stunden, in Küstennähe teils doppelt so viel, wie beispielsweise in Plymouth mit 11 l/m² im selben Zeitraum. Mit weiterer Annäherung des Tiefdruckzentrums in der sich anschließenden Nacht griffen die eher stratiformen Niederschläge unter Intensivierung auf weite Teile Großbritanniens über. Vielfach wurden bis zum Abend 12-stündliche Regenmengen von 5 bis 10 l/m² gemessen, wie etwa in Nottingham mit 10 l/m², in Küstennähe vereinzelt auch deutlich mehr. Im walisischen St. Athan bei Cardiff konnten sogar 30 l/m² verzeichnet werden.

Unterdessen wurde Tief PAMELA am 12. August um 00 Uhr UTC, also nachts um 02 Uhr MESZ, mit seinem Zentrum nur noch wenige hundert Kilometer westlich von Irland analysiert. Nach Auswertung des britischen MetOffice lag der Kerndruck zu diesem Zeitpunkt noch bei etwa 1001 hPa. Im Vergleich zu den vorangegangenen Tagen war das Tief aber bereits teilokkludiert, d.h. Warm- und Kaltfront nahe dem Zentrum wie ein Reißverschluss zusammengelaufen. Vom Okklusionspunkt über Irland aus spannte sich die Warmfront über Großbritannien hinweg südostwärts bis über die Benelux-Staaten, die Kaltfront dagegen in einem lang gezogenen Bogen südwestwärts über den Ostatlantik bis über die Azoren.

In den folgenden Stunden verlagerte sich die Zyklone samt Frontensystem langsam weiter ostwärts, so wurde auch Dänemark und der äußerste Norden Deutschlands aufgrund der Warmfront sowie der Westen Frankreichs durch die Kaltfront von Niederschlägen erfasst. Zwischen 06 und 18 Uhr UTC regnete es beispielsweise in Brest 16 l/m², in List/Sylt 14 l/m² und in Kopenhagen 6 l/m². Allerdings brachte das Tief PAMELA nicht nur graue Wolken und Regen, sondern für einige Gebiete auch sommerlich heiße Temperaturen. Aufgrund des zyklonalen Drehsinns (gegen den Uhrzeigersinn) gelangte trockene bis feuchtwarme Mittelmeerluft nach Frankreich, Benelux und Deutschland. So stiegen die Temperaturen an jenem 12. August gegenüber dem Vortag um mehrere Grad an, beispielsweise im Raum Paris bis auf 31°C (nach 26°C), in Amsterdam bis auf 28°C (nach 20°C) und in Magdeburg bis auf 27°C (nach 23°C). Die Britischen Inseln konnten hingegen nicht davon profitieren, hier blieb es vielfach grau, bedeckt und regnerisch bei Temperaturen von meist 18 bis 22°C. Zudem war auffällig, dass mit Tief PAMELA im Gegensatz zu anderen Atlantiktiefs ein nur sehr schwaches Windfeld verbunden war, sodass Windböen keine Rolle spielten. In der Nacht griff die Kaltfront nun rasch auf alle weiteren Gebiete Frankreichs über. Doch nicht nur entlang der Front, sondern auch an einer vorgelagerten Konvergenz bildeten sich in der feuchtwarmen Luft bei Temperaturen von 26°C um 00 Uhr in Lyon) kräftige Schauer und Gewitter. Eine Konvergenz ist ein linienhafter Bereich, in welchem Luft aus unterschiedlichen Richtungen bodennah zusammenströmt und dort zum Aufsteigen gezwungen wird, sodass sich hochreichende Quellwolken mitsamt Niederschlag, Blitz und Donner ausbilden können. Bis zum darauffolgenden Morgen um 06 Uhr UTC fielen in Nancy etwa zwölfstündlich 16 l/m², in Paris-Orly 6 l/m² und im belgischen Koksijde 20 l/m², in Brüssel aber nur 1 l/m². Besonders intensiv war jedoch ein Gewitterkomplex, der sich über Südostfrankreich entwickelte und in Marseilles für 47 l/m² innerhalb von 24 Stunden bis zum Folgetag um 06 Uhr UTC sorgte.

Die Lage und Ausdehnung von Tief PAMELA waren am Morgen des 13. August im Satellitenbild von 06 Uhr UTC gut erkennbar. Es zeigte den Wirbel mit seinem Zentrum über der Nordsee. Das lang gezogene Wolkenband der Kaltfront mit teils hochreichender Konvektion spannte sich von den Benelux-Staaten entlang der französisch-deutschen Grenze über die Schweiz bis nach Südostfrankreich. Die Warmfrontbewölkung zog sich dagegen über Dänemark, die südliche Ostsee und das Baltikum bis über Weißrussland. Beeindruckend war nicht nur die Ausdehnung des Tiefs PAMELA, sondern vor allem sein Wettereinfluss, der sich an diesem Tage auf weite Teile Zentraleuropas ausdehnte. Die Kaltfront kam mit weiteren Niederschlägen ostwärts voran, büßte dabei aber über Deutschland an Intensität ein. Dabei fielen in Kaiserslautern 15 l/m² Niederschlag, am Flughafen Frankfurt/Main 6 l/m² und in Magdeburg 0,2 l/m² in 12 Stunden. Währenddessen entwickelten sich über dem erweiterten Alpenraum mit Herannahen der Kaltluft und begünstigt durch orographische Effekte verbreitet Schauer und Gewitter. Zwischen 06 und 18 Uhr UTC wurden etwa in Salzburg 12 l/m², im italienischen Piacenza 13 l/m², in München 24 l/m² und in Zürich 25 l/m² gemessen. Anders der Bereich der quasistationären Warmfront, in dem zwar dichte Wolkenfelder dominierten, jedoch kaum Regen fiel. In Kaliningrad wurden im genannten Zeitraum lediglich 0,3 l/m² registriert. Dagegen gelangten der Osten Britanniens, die Benelux-Staaten und der Nordwesten Deutschlands bereits auf die Rückseite des Tiefs PAMELA, was wechselhaftes Schauerwetter bei Temperaturen von teils deutlich unter 25°C nach sich zog. Auch über Frankreich war die heiße Luft durch die Kaltfront von PAMELA verdrängt worden, im Schnitt war es hier 4 bis 6°C kühler als noch am Vortag. Im Vergleich dazu lagen die Maxima vor der Front in der Lausitz, aber auch in Niederbayern noch einmal bei rund 34°C. In den Abend- und Nachtstunden zog die Zyklone PAMELA mit ihrem Kern und weiterem Regen über Dänemark hinweg Richtung Südschweden, örtlich wurden dabei innerhalb von 24 Stunden bis zum Folgetag 06 Uhr UTC ergiebige Regenmengen gemessen, z.B. in Itzehoe 37 l/m², in Aalborg 21 l/m² und in Göteborg 10 l/m². Auch in einiger Entfernung zum Tiefzentrum kam es rückseitig des Kerns noch lokal zu Schauern, die z.B. in Düsseldorf 10 l/m², in Eindhoven 15 l/m² oder in Saarbrücken 20 l/m² brachten. Auch über dem Alpenraum hielten sich Schauer und Gewitter, am Salzburger Flughafen fielen weitere 23 l/m², in Innsbruck 13 l/m², in Bern 22 l/m² und in Ljubljana bis zu 56 l/m². Ursache für die weitere Verstärkung der Niederschläge hier war nicht nur die Tatsache, dass die Kaltfront über dem Alpenraum ins "Schleifen geriet", sondern dass gleichzeitig in höheren Luftschichten ein Gebiet mit niedrigem Druck, ein sogenannter Kurzwellentrog ostwärts über Mitteleuropa schwenkte.

In den folgenden zwei Tagen zog der Wirbel PAMELA allmählich weiter über die mittlere Ostsee Richtung Baltikum und Nordwestrussland. Mit ihm verlagerten sich auch das Frontensystem und die Niederschläge weiter ostwärts. So befand sich ein Regenschwerpunkt am 14. August tagsüber über Südschweden und dem Baltikum. Die hiesigen Wetterstationen registrierten an diesem Tag zwischen 06 und 18 Uhr UTC beispielsweise in Kopenhagen 7 l/m², im schwedischen Helsingborg 10 l/m² und im litauischen Kaunas 20 l/m². Ein weiterer Schwerpunkt lag über den Alpen, wo etwa im schweizer Thun 28 l/m², am Grazer Flughafen 18 l/m² und in Maribor 37 l/m² gemessen wurden. Auch auf der Rückseite des Tiefs bildeten sich über Deutschland und den Benelux-Staaten in mäßig-kalter Meeresluft hochreichende Quellwolken und einzelne Schauer, die aber selten mehr als 1 l/m² brachten.

Während die Niederschläge über den Alpen und über dem westlichen Mitteleuropa in der Nacht zum 15. August nachließen, erfasste der Regen nun auch den äußersten Westen Russlands, Weißrussland, die Ukraine und das südöstliche Mitteleuropa. Die Niederschlagsmengen lagen hier meist bei 5 bis 10 l/m² innerhalb von 12 Stunden, stellenweise auch etwas darüber. Zum Beispiel brachten Regenschauer in Minsk 11 l/m², im westrussischen Weliki Nowgorod 7 l/m² und im estnischen Pärnu 9 l/m², im slowakischen Stropkov waren es sogar 19 l/m². Auch am 15. August setzten sich die Niederschläge entlang der Kaltfront sowie im Kernbereich des Tiefs fort. Dabei fiel auf, dass die Schauer entlang der Kaltfront zwar kräftiger, aber nicht mehr so verbreitet auftraten wie noch an den Vortagen. Beispielsweise regnete es im rumänischen Zalau 18 l/m² in 12 Stunden, im ungarischen Miskolc 27 l/m² und im westukraninischem Mohyliw-Podilskyi 20 l/m², wohingegen es in Warschau und Riga trocken blieb.

Wenig später, in der Nacht zum 16. August um 00 Uhr UTC, befand sich das Tief PAMELA mit seinem Zentrum bereits 800-900 km östlich von Sankt Petersburg, wo der niedrigste Luftdruck bei etwas unter 1010 hPa lag. Die Kaltfront spannte sich zu diesem Zeitpunkt vom Kern aus südwestwärts über Westrussland und die Westukraine bis über Rumänien; die nur kurze und wenig wetteraktive Warmfront dagegen ostwärts bis zur mittleren Wolga. Eine weitere Front in Form einer Kaltfrontokklusion verlief in einem weiten Bogen über das Baltikum und Mittelskandinavien bis über das Nordmeer. Sie markierte die Grenze zu einer noch etwas kühleren Luftmasse, die rückseitig des Tiefs aus Skandinavien und polaren Breiten einsickerte: Während im Warmsektor des Tiefs PAMELA beispielsweise in Wolgograd bis zu 32°C gemessen wurden, wurden hinter der ersten Kaltfront z.B. in Minsk maximal noch 25°C und hinter der zweiten Kalfront in Archangelsk in Nordwestrussland nur noch 17°C erreicht. Entlang der Luftmassengrenze kam es zu weiteren Niederschlägen in der Größenordung von einigen Litern pro Quadratmeter, die sich am 16. August etwa auf einen Streifen zwischen mittlerem Ural, Kama und mittlerer Wolga konzentrierten.

In den folgenden Stunden und Tagen verlagerte sich der Wirbel PAMELA über den Ural hinweg in Richtung Westsibirien, wodurch das Tief nach und nach an Einfluss auf das Wetter über dem europäischen Kontinent verlor. Bereits in den frühen Morgenstunden des 17. August befand sich das Zentrum über dem mittleren Ural nahe Jekaterinburg. Dabei hatte das Frontensystem, welches sich zu einer Kaltfrontokklusion vereinfacht hatte, mittlerweile die Grenze zu Kasachstan erreicht. Die immer trockener werdende Luft im Bereich der kasachischen Steppe führte zu einem raschen Abklingen der frontalen Niederschläge. Meist tröpfelte es nur noch wenige Zehntel Litern pro Quadratmeter, so wie etwa im südrussischen Saratow mit 0,2 l/m² in 12 Stunden. Ganz anders entwickelte sich die Situation dagegen im Bereich des Tiefdruckzentrums, wo mit einer erneuten Verstärkung der Zyklone die Regenschauer wieder häufiger, kräftiger und gewittrig wurden. So regnete es beispielsweise im sibirischen Tobolsk an jenem Tag 27 l/m² innerhalb von 12 Stunden.

Schließlich konnte Tief PAMELA am frühen Morgen des 18. August letztmalig über Westsibirien und mit einem Kerndruck von wenig unter 1005 hPa analysiert werden, ehe es im weiteren Tagesverlauf aus dem Ausschnitt der Berliner Wetterkarte verschwand.