Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet PAULINE

(getauft am 01.04.2020)

 

In der Nacht zum Monatswechsel in den April 2020 verstärkte sich über Island ein Tiefdruckgebiet. Dies sollte in den nächsten Tagen vor allem in Nordeuropa wetterbestimmend sein und wurde deshalb in der Analysekarte für den ersten April von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte auf dem Namen PAULINE getauft.

Am 01. April um 02 Uhr MESZ befand sich Tief PAULINE bereits einige Kilometer östlich von Island und besaß einen Kerndruck von ca. 1000 hPa. Dabei hatte die Zyklone bereits eine Kaltfront, welche sich bogenförmig nach Westen bis über den Nordatlantik ausdehnte, und eine Warmfront ausgebildet. Letztere reichte bis nach Norwegen und ging dort in die Kaltfront des über Finnland liegenden Tiefs OLIVIA über. Beide Fronten drehten sich entgegen dem Uhrzeigersinn, was auch zyklonal genannt wird, um das Zentrum von Tief PAULINE ein. Dadurch zog vor allem die Kaltfront ziemlich rasch nach Süden und brachte entlang ihrer Wolkenbänder erste Niederschläge in Form von Regen. So wurden an der Messstation am Stausee Loch Glascarnoch im Norden Schottlands bis 20 Uhr MESZ 5,0 l/m² an Niederschlag innerhalb von zwölf Stunden registriert. Der meiste Niederschlag fiel jedoch über und in den Gebieten um Bergen in Norwegen herab. Dort führte der Durchzug der Kaltfront zu Niederschlag in Form von Regen, der vor allem rückseitig der Kaltfront schauerartig herabfiel. So fielen an der Messstation Evanger östlich von Bergen zwölfstündig bis zu 25,0 l/m² an Regen.

Während sich der Kern von Tiefdruckgebiet PAULINE mit einem Druck von knapp 980 hPa bis zum 02. April um 02 Uhr MESZ nur wenige Kilometer nach Osten verlagerte, zog die Kaltfront rasch nach Süden und bildete eine Linie, die von den Britischen Inseln, über Dänemark bis nach Mittelschweden reichte. Währenddessen hatte sie die vorlaufende Warmfront, die vom Bottnischen Meerbusen bis nach Weißrussland reichte, teilweise eingeholt, sodass der Warmsektor, der Bereich warmer Luft zwischen Kalt- und Warmfront, immer kleiner wurde und die warme Luft angehoben wurde. Dadurch entstand dort eine Art Mischfront aus kalter und warmer Luft, welche in der Meteorologie als Okklusionsfront bezeichnet wird. Diese Okklusionsfront ging in die Warmfront über und drehte sich ebenfalls zyklonal um das Tiefdruckzentrum. Die Zyklone PAULINE lag am 02.04. eingebettet im Polarjetstream und wurde deshalb im Tagesverlauf entlang der Strömungsrichtung weiter nach Osten verlagert. Ein Jetstream ist ein Starkwindband in der höheren Troposphäre bei ca. 8 bis 12 km, welches Geschwindigkeiten zwischen 100 und 500 km/h erreichen kann. Jetstreams entstehen an der Grenze zwischen unterschiedlich warmen Luftmassen. So auch der Polar-Jetstream, welcher an der Polarfront, der Grenze zwischen kalten, polaren Luftmassen im Norden und den milden, subtropischen Luftmassen im Süden, weht. Auf Grund dessen entstanden beim raschen Durchzug der Kaltfront über dem Südwesten Norwegens mehrere Schauer bei erhöhten Windgeschwindigkeiten. Auch wenn die Niederschlagsmengen, mit maximal 22,2 l/m² innerhalb von zwölf Stunden bis 20 Uhr MESZ an der Messstation Ullensvang südöstlich von Bergen, nicht so beeindruckend waren, so waren es die Windgeschwindigkeiten umso mehr. An zahlreichen Messstationen wurden orkanartige Böen von über 100 km/h verzeichnet. Spitzenreiter war die Messstation Utsira Fyr, eine Messstation auf einer kleinen Insel vor der Westküste Norwegens, die um 20 Uhr MESZ aus Nordwesten kommende Orkanböen der Stufe 12 auf der Beaufortskala von 133,3 km/h meldete. In höheren Lagen, wie am Berg Røldalsfjellet auf 1010 Metern Höhe wurde dieser Wert mit einem Spitzenwert von 185,0 km/h sogar noch übertroffen. Der starke Wind und die Zufuhr an arktischer Luft von Norden, spiegelte sich anhand der Temperaturen im Südwesten Norwegens wieder. Die Maximaltemperaturen lagen am 02. April in einem Bereich um 0°C und waren mancherorts auch im negativen Bereich. Beispielsweise registrierte die Messstation Beitostølen am 02. April eine Maximaltemperatur von -2,6 °C, während am Tag davor noch eine Maximaltemperatur von 3,0°C gemessen wurde. Dies entspricht einen Temperaturrückgang um ganze 6 Kelvin. In der Nacht zum 03. April sanken die Temperaturen noch weiter ab, sodass an vielen Messstation Temperaturminima im zweistelligen Negativbereich gemessen wurden, wie etwa am Juvvasshøi, einen Berg im Oppland in Südnorwegen, an dessen Messstation auf 1893 Metern Höhe eine Minimaltemperatur von -15,0°C registriert wurde.

Am 03. April um 02 Uhr MESZ befand sich die Zyklone PAULINE mit einem Kerndruck von unter 970 hPa über dem Bottnischen Meerbusen und bewegte sich im Tagesverlauf weiter nach Osten. Dabei schleifte sie die Kaltfront mit sich, welche in den Folgestunden das Wettergeschehen in Mitteleuropa verändern sollte. Bis zu diesem Zeitpunkt bestimmte das Hochdruckgebiet KEYWAN das Wetter in weiten Teilen Mitteleuropas mit reichlich Sonne und Trockenheit. In der Nacht zum 03. April traf jedoch die Kaltfront der Zyklone PAULINE von Norden auf das mitteleuropäische Festland und zog im Laufe des Tages über ganz Deutschland. Dabei fielen vom Münsterland bis zum Erzgebirge nur wenige l/m² an Regen. Spitzenreiter war die Messstation Arnsberg-Neheim, in der Nähe von Dortmund, welche bis 20 Uhr MESZ zwölfstündig 3,3 l/m² Niederschlag verzeichnete. Auch die Anzahl der Sonnenstunden reduzierten sich unter den dichten Wolken der Kaltfront. So ließ sich die Sonne vielerorts nur ein bis zwei Stunden zwischen den Wolken blicken, während im Süden Deutschlands, im Einflussbereich von Hoch KEYWAN, die Sonne fast ganztägig schien. Dies spiegelte sich auch anhand der Temperaturen wieder. Während in München bei rund 11 Stunden Sonnenschein die Temperaturen auf einen Maximalwert von 13,3°C kletterten, war die Maximaltemperatur an der Messstation Schauenburg-Elgershausen bei Kassel, bei ganztägig bedecktem Himmel, nur 6,9°C. Diese Unterschiede kamen deshalb zustande, da die Kaltfront sich bei der weiteren Verlagerung nach Süden zunehmend verlangsamte und sich die Wolkenbänder, ohne weiter Niederschläge herabzulassen, auflösten. Hinter der Kaltfront kam es durch das von Norden Nachströmen der arktischen Kaltluft und der hohen Labilität zu einigen Schauern. Auf der Linie Bremen – Berlin fielen immer wieder Regen- und mancherorts sogar Graupelschauer herab. Selbst diese brachten jedoch keine großen Niederschlagsmengen mit sich. Die maximale Niederschlagsmenge wurde an der Messstation Mittelnkirchen-Hohenfelde in der Nähe von Hamburg gemessen. Dort registrierte das Distrometer, ein Gerät zur Messung von Niederschlägen, zwölfstündig bis 20 Uhr MESZ 3,7 l/m². Während der Schauer frischte auch der Wind auf. So wurden an der Messstation am Leuchtturm Kiel um 14 Uhr MESZ Sturmböen aus westlicher Richtung von 79,6 km/h gemessen. In der Nähe des Okklusionspunktes von Tief PAULINE, dem Gebiet an dem Kalt- und Warmfront aufeinandertreffen und die Okklusionsfront bilden, fiel auch ein wenig Schnee herab. So verzeichneten bei Temperaturen um 0°C sowohl die Messstationen in Stockholm, als auch jene in Helsinki 1 bis 2 cm Neuschnee.

Bis zum folgenden 04. April hatte sich die Zyklone weiter nach Nordosten verlagert und wurde um 02 Uhr MESZ von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte nördlich von Russland über der Barentssee analysiert. Der Kerndruck des Tiefs hatte sich mit einem Wert von 980 hPa im Vergleich zum Vortag leicht abgeschwächt und auch das Frontensystem okkludierte mit der Zeit immer weiter. Dies sollte auch das Bild der nächsten Tage sein, in denen die Zyklone PAULINE weiter nach Osten wanderte und die langgezogene Kaltfront über Osteuropa mit sich schleifte. Die Schauer, welche dabei rückseitig der Kaltfront abgingen, brachten jedoch keine nennenswerten Niederschlagsmengen mit sich. So wurde das Tiefdruckgebiet PAULINE am 06. April um 02 Uhr MESZ ein letztes Mal im Endstadium, fast vollständig okkludiert und mit einem Kerndruck von knapp 1005 hPa, über dem Ural analysiert. In den folgenden Stunden wanderte sie weiter nach Osten und zog damit aus dem Analysebereich der Berliner Wetterkarte.