Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet PETRA

(getauft am 10.11.2020)

 

Über dem Nordatlantik begann sich zum 10.11.2020 entlang der sich wellenförmig deformierenden Kaltfront eines südlich von Grönland liegenden Tiefdruckgebietes ein neuer, eigenständiger Tiefdruckwirbel auszubilden, dessen voranschreitende Entwicklung und weitere Ausprägung anhand der Prognosekarte für 12 UTC des darauf folgenden Tages für den Raum Großbritanniens vorhergesagt wurde. Aus diesem Grund entschieden sich die Meteorologen der Berliner Wetterkarte diese Zyklone noch am 10.11. in der Prognose für den Folgetag auf den Namen PETRA zu taufen.

 

Um 00 UTC des 11.11. befand sich der Kern von Tief PETRA mit einem Druck von knapp 1005 hPa zunächst noch südwestlich von Irland. Von dem Kern abgehend erstreckte sich zu diesem Zeitpunkt sowohl eine Warmfront über Westirland nach Nordosten, die sich nahe Londonderry mit dem Frontensystem jenes unbenannten Tiefs bei Grönland verband, entlang dessen sich der Wirbel hat entwickeln können, als auch eine Kaltfront in südwestlicher Richtung über die Azoren auf den Atlantik hinaus. Hebungsprozesse im Kernbereich des Wirbels als auch entlang seines Frontensystems hatten bis dahin die Entstehung eines ausgeprägten Niederschlagsbandes zur Folge gehabt. Dieses war bereits in der Nacht auf den 11.11. auf Irland getroffen. Der einsetzende, teils schauerartig verstärkte Regen brachte dabei innerhalb von 12 Stunden bis 06 UTC in Belmullet 13,3 mm, am Flughafen von Cork 22,0 mm und am Mace Head 25,0 mm. Das Tief und mit ihm seine regenreichen Wolkenfelder verlagerte sich in den folgenden Stunden rasch nordostwärts und weitete sich somit von Irland auf gesamt Großbritannien aus. Bis 12 UTC hatte der Kern des Wirbels, wie prognostiziert, das Seegebiet zischen Irland und Schottland erreicht und zog anschließend auf seiner nordöstlichen Zugbahn, den Westen Schottlands streifend, in Richtung der Färöer. Verbreitet wurden dabei Regenmengen zwischen 5 und 10 mm registriert. Am ergiebigsten gestalteten sich die Niederschläge jedoch in einem engen Streifen von Irland über Wales bis nach Schottland. Während innerhalb von 24 Stunden bis 06 UTC des Folgetages in London 6,6 mm gemessen wurden, fielen in Capel Curig 18,8 mm, an der Station Tulloch Bridge 26,8 und in Stornoway 30,6 mm. Über Irland hielt der Regen weiter an und führte in Belmullet 10,5 mm, am Valentia Observatory 17,9 mm und am Flughafen von Cork 25,4 mm mit sich. Begleitet wurden die Niederschläge zudem von einem teils stürmischen Wind: Mit Böen zwischen 50 und 70 Stundenkilometern erreichte dieser in Großbritannien oftmals Stärke 7 bis 8 und über Irland mit Windspitzen von bis 80 km/h auch Stärke 9 auf der Beaufortskala. An einigen Stationen konnten ebenfalls schwere Sturmböen der Stärke 10 beobachtet werden, wie beispielsweise im Süden Irlands am Roches Point mit 91 km/h oder auf den Cornwall vorgelagerten Scilly-Inseln beziehungsweise am nordenglischen Great Dun Fell mit jeweils knapp 100 km/h. An besonders exponierten Lagen Schottlands registrierten die Anemometer gar Orkanstärke: So an der Station auf dem Cairnwell mit Windgeschwindigkeiten von 120,5 km/h oder auf dem Cairngorm mit bis zu 148,3 Stundenkilometern. Frankreich gelangte, wenn auch nur vorübergehend, in der zweiten Tageshälfte ebenfalls in den Einflussbereich des Tiefs PETRA. Seine Ausläufer streiften den Nordwesten des Landes mit dichten Wolken und gelegentlichem leichten Regen, der in den 12 Stunden von 18 bis 06 UTC in Cherbourg 3,0 mm, in Dünkirchen 4,2 mm und bei Boulogne-sur-Mer 5,0 mm brachte.

 

Bis 00 UTC des 12.11. hatte der Tiefdruckwirbel PETRA die Hebriden westlich vor Schottland überquert und befand sich mit einem auf unter 995 hPa gefallenem Kerndruck über dem Archipel der Färöer-Inseln. Von seinem Kern aus zog sich seine Warmfront nach Norden in Richtung von Spitzbergen und ging südlich der Nordmeerinsel erneut in das Frontensystem des nunmehr von Süd- nach Ostgrönland gezogenen unbenannten Wirbels über. Seine Kaltfront erstreckte sich vom Kern in zunächst südlicher Richtung über Liverpool und London bis nach Paris und reichte anschließend weiter über Bordeaux und Nordspanien in Richtung Nordportugal, über dem sie sich mit der Warmfront eines neu gebildeten Tiefs nahe der Azoren verband. Ebenso zügig wie es sich am Vortag verstärkte verlor es jedoch im Tagesverlauf wieder an Intensität und begann sich alsbald aufzulösen. Bereits in der zweiten Tageshälfte hatte sich das Tief soweit abschwächt, dass seine Reste in die Zirkulation der aus Westen nachfolgenden und nach Island ziehenden, ungleich stärkeren Zyklone QUENTINA aufgenommen wurden.

 

Somit konnte das Tief PETRA bereits am 13.11. nicht mehr als eigenständiger Wirbel auf der Berliner Wetterkarte analysiert und somit auch nicht mehr namentlich auf jener verzeichnet werden. Dessen einst regenreiches Niederschlagsfeld war in den Morgenstunden unter ebenfalls einsetzender Auflösung aus Irland und dem Vereinigten Königreich auf die Nordsee hinaus abgezogen, doch kündigten sich bereits in der zweiten Tageshälfte die Ausläufer des sich nähernden Wirbels QUINTINA an, wodurch der wechselhafte und teils stürmische Witterungscharakter erhalten blieb. Letzter, dem Tief PETRA zuzuordnender leichter Regen brachte in den 12 Stunden bis 18 UTC in Stornoway (Hebriden) 0,2 mm und auf Shetland-Inseln bei Lerwick 2,0 mm. Auf den Färöer-Inseln waren 24-stündig an der Station in Tórshavn 1,7 mm gefallen. Mit Annäherung des Wirbels wurden dort noch tags zuvor 13,4 mm gemessen. Während Großbritannien im Einflussbereich Atlantischer Tiefdruckausläufer verblieb, wurde für Mitteleuropa das sich langsam von Polen nach Westrussland verlagernde Hoch SCOTT wetterbestimmend. Reste der sich vom sich auflösenden Tief PETRA abkoppelnden bereits okkludierten Front, die besonders in höheren Luftschichten wärmere Luft mit sich führte, überquerten Deutschland im Tagesverlauf nach Osten. Eine Okklusion ist eine Mischfront, bei der die Kaltfront die vorlaufende Warmfront eingeholt und die warme Luft angehoben wird, weshalb diese die Fronteigenschaften beider Typen in sich vereint. Größere Regenmengen wie einst über den Britischen Inseln brachte diese jedoch nicht mehr. Am ergiebigsten war die Okklusion noch im äußersten Nordwesten ausgeprägt: Während innerhalb von 24 Stunden in München sowie im Berliner Raum nur vereinzelte Tropfen, in Essen 1,0 mm und am Hamburger Flughafen 1,7 mm gemessen wurden, meldete Cuxhaven 3,2 mm, List auf Sylt 6,6 mm und St. Peter-Ording noch bis zu 8,0 mm. Zwischen dem sich etablierenden Hoch SCOTT und Tief PETRA beziehungsweise dessen Nachfolger Tief QUENTINA wurden mit einer südlichen bis südwestlichen Strömung sehr milde Luftmassen subtropischen Ursprungs bis weit in den Norden Deutschlands geführt. Dadurch stellte sich unter anhaltendem Hochdruckeinfluss ein je nach Region durch Nebel oder Hochnebel geprägter Witterungsabschnitt mit einem für die Jahreszeit allgemein zu hohem Temperaturniveau ein. So lagen in der Osthälfte des Landes die Höchstwerte zumeist zwischen 8°C und 10°C und in der Westhälfte bei 12 bis 14°C. Am Vortag wurde aus Geilenkirchen gar ein Tageshöchstwert von 17,1°C gemeldet.