Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet PETRA

(getauft am 14.06.2020)

 

Im Bereich einer wellenden Front, die sich zwischen dem nordosteuropäischen Hochdruckgebiet THOMAS und dem Wirbel OCTAVIA am Schwarzen Meer befand, bildete sich ein Tiefdruckgebiet im Tagesverlauf des 14.06.2020 am Boden aus, welches die Meteorologen der Berliner Wetterkarte in der Prognose auf den Namen PETRA taufte.

Am 15.06. um 02 Uhr MESZ lag das Zentrum dieser Zyklone über dem Südbaltikum, vor dessen Küste sich zudem die spiralförmige Okklusion erstreckte. Als Okklusion versteht man in der Meteorologie eine Mischfront, bei der die schneller ziehende Kaltfront die vorgelagerte langsamere Warmfront einholt. Demnach besitzt eine Okklusion die Eigenschaften beider Frontentypen. Im Süden des Baltikums wurde im Kern ein Luftdruck von knapp 1014 hPa gemessen. Der hohe Kerndruck ließ darauf schließen, dass das Tiefdruckgebiet zu diesem Zeitpunkt lediglich schwach am Boden ausgeprägt war. Dafür konnte man das dazugehörige Höhentief, welches sich in einer Höhe von 5,5 km befand, umso besser ausfindig machen. Am Übergang zur Warmfront des Tiefs PETRA, die vom Rigaischen Meerbusen ost- bis südostwärts bis zum mittleren Don verlief, bestand zudem eine Verbindung zu einer Warmfront eines kleinen Tiefs über der Westukraine. Im Anschluss ging die Warmfront des Wirbels PETRA bei Wolgograd in eine Kaltfront über. Entlang der beschriebenen Warmfront fiel dabei praktisch gar kein Regen; an der Okklusion betrugen dagegen die 12-stündigen Niederschlagsmengen bis 08 Uhr MESZ bis zu 1,7 l/m² in der lettischen Hafenstadt Ventspils oder 4,6 l/m² in Bauska südlich von Riga. Bei regnerischem Wetter stieg die Temperatur nur auf 18,9°C in Riga und 16,9°C in Pāvilosta an der lettischen Ostseeküste. Im Bereich der Warmfront waren es bis zu 26,5°C an der russischen Wetterstation in Ostaskov oder 25,7°C in Pskow.

Bei etwa gleichbleibenden Kerndruck verlagerte sich die Zyklone PETRA ein wenig nach Westen. Am 16.06. um 02 Uhr MESZ befand sich der Kern vor der polnischen Ostseeküste. Über der Ostsee verlief zudem die bogenförmige Mischfront bis zum Okklusionspunkt über Estland. Dort trennte sich die Warm- und Kaltfront, wobei die wenig wetterwirksame Warmfront nach Osten bis zum Seengebiet östlich von St. Petersburg verlief und die Kaltfront im Bogen bis nach Weißrussland reichte. Dort schloss sich die Warmfront des Tiefdruckgebietes OCTAVIA an. Neben schauerartigem Regen an der Okklusion mit Mengen bis zu 23 l/m² in Gladhammar im Südosten Schwedens in der genannten Zeitspanne bildeten sich Schauer und Gewitter entlang der Kaltfront. Im lettischen Priekuļi fielen in derselben Zeit 15,2 l/m² und in Borisov waren es 21 l/m². Im Einflussgebiet der Mischfront stieg die Temperatur lediglich auf 16,3°C in Visby auf Gotland und 15,9°C in Kalmar. Mit dem Durchzug der Kaltfront sank die Temperatur von beispielsweise 28,1°C in Smolensk auf 23,9°C in Vilnius.

Einen Tag später lag der Kern des Tiefs PETRA über dem Rigaischen Meerbusen. Am Boden wurde dabei ein Druck von rund 1014 hPa registriert. Die Okklusion verlief vom Südosten Schwedens über dem Süden Finnlands bis in den Osten Estlands. Vom dortigen Okklusionspunkt erstreckte sich die sehr kurze Kaltfront nach Süden und ging bereits über dem östlichen Baltikum in die Warmfront des Tiefs OCTAVIA über. Die Warmfront verlief meist südostwärts bis nach Westrussland. Dort schloss sich eine Kaltfront einer Zyklone über Sibirien an. Für ein solch ausgeprägtes Tief in der Höhe, welches mit dem Wirbel PETRA am Boden korrespondierte, sind kräftige Regenschauer typisch, die sich aufgrund der kalten Höhenluft und der damit verbundenen labilen Schichtung durch das fortwährende Aufsteigen der bodennahen Warmluft bildeten. Westlich von Stockholm kamen deshalb innerhalb einer Stunde bis zu 8 l/m² zusammen. Entlang der Warmfront war die Wettersituation ähnlich. In Krestzy zwischen St. Petersburg und Moskau betrug die 12-stündige Regenmenge bis 08 Uhr MESZ 20 l/m². Heiße Tage mit Höchstwerten über 30°C wurden südlich der Warmfront in Subtropikluft mit schwül-heißen 31,7°C in Twer und 31,4°C in Moskau erreicht. Kühler war es dagegen im Südosten von Schweden mit maximal 22,3°C in Malexander.

Mit fast unveränderten Zentrumsdruck zog das Tiefdruckgebiet PETRA bis zum 18.06 nach Norden und befand sich mit dem Kern über dem südlichen Bottnischen Meerbusen. Die Mischfront reichte vom Osten Schwedens in einem kleinen Bogen über dem nördlichen Teil des Bottnischen Meerbusens bis in den Süden Finnlands bei Kuopio. Die Warmfront verlief von dort nach Südosten bis in die Nähe von Moskau, wo sich eine Kaltfront anschloss. Die weiterhin sehr kurze Kaltfront, die ab Helsinki nach Süden gerichtet Warmfrontcharakter annahm, lag über dem südlichen Finnland und vereinigte sich am Okklusionspunkt mit der Warmfront. Während sich an der Warmfront die wenigen Schauer mehr oder weniger auflösten, war die Schauertätigkeit im Einflussbereich der restlichen Fronten immer noch rege, wobei sich zusätzlich einzelne Gewitter bildeten. Lokale einstündige Regenmengen von bis zu 20 l/m² wurden am Morgen des 18.06.20 im Süden Finnlands gemessen. Aufsummiert waren es in 12 Stunden bis 08 Uhr MESZ 16 l/m² in Skagsudde oder 29,7 l/m² in Hämeenlinna. Der Vorstoß heißer Luft reichte hinter der Warmfront bis nach St. Petersburg, wo die Höchsttemperatur 32,4°C betrug. Südlich davon wurden bis zu 32,6°C in Pskow gemessen. Wo Regen fiel stieg die Temperatur nicht so stark an, wie in Espoo mit beispielsweise 25,7°C, 23,2°C in Tampere oder 21,4°C in Umeå.

Am 19.06. um 02 Uhr MESZ lag das Zentrum des Wirbels PETRA ein wenig westlich des Weißen Meeres mit einem leicht sinkenden Kerndruck von etwa 1009 hPa. Westlich und südwestlich des Zentrums erstreckte sich die Kaltfrontokklusion, hinter der also kühlere Luft herangeführt wurde, über der Mitte und dem Südwesten Finnlands. Vom Okklusionspunkt zwischen dem Weißen Meer und dem Onegasee verlief die Warmfront wellenförmig bis zur mittleren Wolga, wo sie im Anschluss in eine Kaltfront überging. Die Kaltfront erstreckte sich vom Okklusionspunkt bogenförmig bis nach Estland. Am Rigaischen Meerbusen ging diese in die Warmfront des Tiefs OCTAVIA über. Nennenswerten Niederschlag brachten Schauer und Gewitter, die sich entlang der Kaltfrontokklusion und der Kaltfront gebildet hatten. Somit wurden lokal bis zu 19 l/m² im 12-stündigen Zeitraum bis 08 Uhr MESZ in Medweschjegorsk oder 11 l/m² in Kalevala gemessen. Bis zu 33,5°C in Demjansk und 34,1°C in Opotschka erhitzte sich die Luft im breit aufgefächerten Warmsektor zwischen Warm- und Kaltfront. Hinter der Kaltfront war es deutlich kühler mit 23,5°C in Jyväskylä und 23,1°C in Kuopio.

Mit weiter sinkenden Bodenluftdruck zog die Zyklone PETRA bis zum nächsten Tag weiter nach Osten und lag mit dem Kern am 20.06. um 02 Uhr MESZ über dem nördlichen Ural bei Workuta. Dort wurde ein Druck von knapp 998 hPa registriert. Über dem nördlichen Ural verlief zudem die Okklusion mit dem Okklusionspunkt 400 km nordwestlich von Perm. Die Warm- und Kaltfront lagen über dem Westen Russlands, wobei die Warmfront rund 500 km östlich von Moskau in eine Kaltfront überging und die Kaltfront des Tiefdruckgebietes PETRA in einem großen Bogen bis in den Süden Schwedens reichte. Kräftige Regenfälle fielen im Einflussbereich der Mischfront im nördlichen Teil des Urals und im westlichen Uralvorland. Die 24-stündigen Regenmengen bis 08 Uhr MESZ betrugen in Pechora 13 l/m² oder in Workuta 9 l/m². Heftige Schauer mit Gewitter gingen gebietsweise an der Kaltfront in Westrussland nieder, wo sich abrupt Kaltluft unter einer vorlaufenden Warmluftmasse schob und es zu immensen Hebungsprozessen in der Atmosphäre kam. Um 08 Uhr MESZ meldete die Station Ostaskov eine 12-stündige Niederschlagsmenge von 47 l/m², Malojaroslawez 43 l/m² und Spas-Demensk 38 l/m². Nach den Gewitterschauern stieg die Temperatur nur noch auf 19,3°C in St. Petersburg und 22,3°C in Tallinn in einer maritimen Polarluftmasse. Vor der Passage der Kaltfront waren es zum Beispiel 28,8°C in Brjansk oder 31,9°C in Liwny.

Bis zum nächsten Tag verlagerte sich der Kern des Wirbels PETRA nach Südosten und befand sich nun über Sibirien rund 600 km nördlich von Tobolsk mit einem vorherrschenden Luftdruck von circa 997 hPa. Von der Mündung der Petschora am Nordpolarmeer verlief die Okklusion S-förmig bis etwa zur Mündung des Irtysch in den Ob, wo der Okklusionspunkt war. Über Sibirien erstreckte sich die Warmfront, die nur noch am Rand der Berliner Wetterkarte zu sehen war, und die lange Kaltfront verlief vom Okklusionspunkt in einem Bogen über dem Westen Russlands bis Moskau und anschließend nach Westen bis nach Gotland. Wie am Vortag regnete es entlang der Okklusion teilweise kräftig. So kamen beispielsweise in Izhma in 24 Stunden bis 08 Uhr MESZ 16 l/m² oder in Muschi, einem Dorf im nördlichen Westsibirien, 40 l/m² zusammen. Immer noch gab es zudem einzelne Gewitter mit signifikanten Regenmengen an der Kaltfront. Bis zu 34 l/m² in Gagarin und 29 l/m² in Moskau regnete es in 12 Stunden bis 08 Uhr MESZ. Südlich der Kaltfront wurde die 25-Grad-Marke geknackt, wie in Minsk mit 25,5°C und in etwas kühlerer Luft stieg die Temperatur hinter der Front auf 22,3°C in Tichwin oder 22,4°C in Gdow. Im Dauerregen waren es nur maximal 11,4°C in Izhma und 9,4°C in Uchta.

Mit einem leicht steigenden Kerndruck von ungefähr 998 hPa zog das Tiefdruckgebiet PETRA bis zum nächsten Tag nur ein wenig weiter nach Osten und lag am 22.06. um 02 Uhr MESZ mit dem Zentrum über dem westlichen Sibirien. Nördlich und südlich des Kerns verlief die wellenförmige Okklusion zwischen 700 und 800 km östlich des Urals parallel zu diesem Gebirge. In der Nähe des Obbusens ging die Okklusion in eine weitere Mischfront eines Tiefs über der Yamal-Halbinsel im Nordwesten Sibiriens über. Der Regen entlang der Okklusion, wo die Warmluft durch die einfließende Kaltluft komplett vom Boden gehoben wurde, ließ deutlich nach. Innerhalb eines Tages fiel bis 08 Uhr MESZ in Chanty-Mansijsk 0,7 l/m² und in Laryak 3,8 l/m². Dabei trennte die Okklusion zwei unterschiedliche Luftmassen voneinander. Östlich der Mischfront stieg die Temperatur auf 23,3°C in Kellog zum Beispiel und westlich der Okklusion in kühlerer Luft beispielsweise 15,5°C in Tobolsk. Bis zum nächsten Tag zog das Tief PETRA aus dem Erfassungsgebiet der Berliner Wetterkarte heraus, so dass es letztmalig am 22.06 auf dieser Erwähnung fand.