Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet PETRA

(getauft am 22.04.2012)

 

Am 22. April 2012 entwickelte sich über dem Nordosten Kanadas ein Tiefdruckgebiet, das auf der Prognosewetterkarte für den nächsten Tag auf den Namen PETRA getauft wurde. Es bildete sich am Rand einer über den Neuenglandstaaten der USA liegenden Zyklone im Bereich einer Luftmassengrenze, die zunächst als Warmfront ausgeprägt war. Im Laufe des 22. April verwellte diese, sodass sich ein eigenständiger Wirbel, nämlich das Tief PETRA, bilden konnte.

Mit einer kräftigen westlichen Höhenströmung in ca. 5,5 km Höhe verlagerte sich das Tiefdruckgebiet PETRA bis zum Morgen des 23. April bis knapp östlich von Neufundland. Dort betrug der Luftdruck etwa 1018 hPa. Westlich des Tiefs reichte eine kurze Kaltfront bis ungefähr zur Küste der Halbinsel Neuschottland. Vom Kern des Tiefs PETRA ging außerdem eine bis ungefähr über die Mitte des Nordatlantiks reichende Warmfront aus. Im Ort Gander auf Neufundland wurde als Folge des Durchzuges des Tiefdruckgebietes PETRA Niederschlag teils in flüssiger, teils in fester Form gemeldet, zeitweise sogar als gefrierender Sprühregen. Dieser ergab bis zum Morgen des Folgetages einer Summe von 3 l/m².

Mittlerweile, am Morgen des 24. April, hatte der Kern des Wirbels PETRA ungefähr die Hälfte des Nordatlantiks bis zu einer Position etwas mehr
als 1000 km südwestlich von Island überquert. Der Luftdruck betrug dort knapp 1010 hPa. Vom Zentrum des Tiefdruckgebietes PETRA ging zum einen eine Warmfront aus, die bis nordöstlich der Inselgruppe der Azoren reichte und in die Kaltfront des Tiefs OLGA überging. Zum anderen verlief eine Kaltfront vom Zentrum des Tiefs PETRA ausgehend bis südöstlich von Neufundland, um in die Warmfront eines Tiefdruckgebietes über dem östlichen Nordamerika überzugehen. Südlich des Tiefdruckkerns des Wirbels PETRA und begrenzt durch die Warmfront im Osten sowie durch die Kaltfront im Westen, spannte sich als Dreieck der Warmluftsektor auf, der südlich durch ein kleines Azorenhoch begrenzt wurde. Die Wetterstation Lajes auf der zu den Azoren gehörenden Insel Terceira registrierte am 24. April als Folge der Warmluftzufuhr am Rand des Hochs und unterstützt durch den beschriebenen Warmluftsektor eine Höchsttemperatur von 24°C im Vergleich zu maximal 20°C am Vortag. Am Morgen des 25. April lag der Kern des Wirbels PETRA, deutlich verstärkt auf einen Luftdruck von etwas unter 980 hPa, südwestlich von Irland. Die Kaltfront hatte die Warmfront zum Teil eingeholt, sodass sich im Bereich des Tiefdruckkerns eine Mischfront mit Warm– und Kaltfronteigenschaften, eine sogenannte Okklusion befand. An ihrem östlichen Ende, dem Okklusionspunkt, schloss sich die über die Biskaya bis nach Nordspanien verlaufende Warmfront an. Außerdem erstreckte sich vom Okklusionspunkt aus die Kaltfront nach Südwesten, streifte die Iberische Halbinsel nordwestlich und reichte über die Azoren und bis über den westlichen Teil des Nordatlantiks hinweg. Mit dem Durchzug der Kaltfront, die an der Wetterstation Lajes auf den Azoren 4 l/m² Regen brachte, drehte die zuvor südwestliche bis westliche Strömung auf nordwestliche bis nördliche Richtungen, und somit erreichte die Temperatur in Lajes lediglich Höchstwerte von 17°C. Im Westen und Südwesten Europas brachte das Tiefdruckgebiet PETRA innerhalb von 24 Stunden bis zum Morgen des 26. April gebietsweise zweistellige Niederschlagsmengen. Im südenglischen Plymouth fielen beispielsweise 16 l/m² und im südwestfranzösischen Bordeaux 10 l/m². In Wales und Südwestengland wurden örtlich Böen mit 9 bis 10 Beaufort erreicht, was Sturm bzw. schwerem Sturm entspricht.

Mittlerweile hatte sich der Kern des Wirbels PETRA, in dem weiterhin ein Luftdruck von etwas unter 980 hPa gemessen wurde, bis über Wales verlagert. Die südwestlich vom Kern beginnende Okklusionsfront reichte bis über die Nordsee, wo eine bis über die Mitte Deutschlands zu verfolgende Warmfront und eine bis über das belgisch-französische Grenzgebiet verlaufende Kaltfront sich trafen. Die Kaltfront ging weiter südwestlich in eine verwellte Luftmassengrenze über. Bis zum Morgen des 27. April summierte sich der 24-stündige Niederschlag auf der südwestirischen Insel Valentia auf 9 l/m², in Brüssel auf 7 l/m², und in den saarländischen Orten Berus und Tholey auf jeweils 6 l/m².

Am 27. April waren zwei Kerne des Tiefdruckgebietes PETRA auf der Bodenwetterkarte zu sehen. Das Zentrum PETRA I lag über Mittelengland und das Zentrum PETRA II befand sich vor der norwegischen Küste, knapp südlich des Polarkreises. Vom Teiltief PETRA I verlief einerseits eine Okklusionsfront bis zur Biskaya, andererseits reichte eine Okklusionsfront vom Teiltief PETRA I über die Nordsee nach Südnorwegen, wo sich ein unbenanntes Tiefdruckgebiet befand. Knapp westlich, parallel zur letztgenannten Luftmassengrenze, erstreckte sich eine weitere Okklusionsfront, die bis zum Teiltief PETRA II führte, woran sich wiederum eine Okklusionsfront bis vor das Nordkap anschloss. Die beiden Teiltiefs PETRA I und PETRA II bildeten eine Tiefdruckrinne über Nordwesteuropa, die zwischen einem Nordatlantikhoch und dem über Osteuropa liegenden Hochdruckgebiet JANTO verlief. Während es in Norwegen eher verhaltenen Niederschlag gab, der zum Beispiel in Bergen bis zum Morgen des nächsten Tages innerhalb von 24 Stunden 3 l/m² brachte, regnete es auf den Britischen Inseln und an der Nordsee ergiebiger, mit jeweils 10 l/m² im schottischen Glasgow und im niederländischen Rotterdam.

Bis zum Morgen des 28. April hatten sich beide Kerne wieder vereinigt, wodurch der neue Kern nun wieder als PETRA bezeichnet wurde und über Lappland lag. Der Kerndruck betrug etwas unter 1000 hPa. Von dort verlief eine Okklusionsfront über Nordrussland bis vor den Ural, woran sich eine nach Westsibirien reichende Warmfront und eine bis nach Südrussland und über die Ostukraine führende Kaltfront anschlossen. Um das Tiefdruckgebiet PETRA war über dem nordöstlichen Europa ein komplexes Muster zahlreicher weiterer Fronten und Teiltiefs angeordnet. Damit verbunden waren wechselhaftes Wetter mit einigen Schauern und örtlichen Tiefsttemperaturen nahe dem Gefrierpunkt, wie zum Beispiel in der nordrussischen Hafenstadt Murmansk.

Bis zum Folgetag, dem 29. April, zog das Tief PETRA mit einem Kerndruck von knapp unter 1000 hPa weiter in Richtung Osten und brachte weitere Schauer, u.a. an den Wetterstationen Murmansk und Archangelsk. Nachfolgend konnte das Tief nicht mehr als eigenständiges Tiefdruckgebiet auf der Berliner Wetterkarte analysiert werden, da es nachfolgend aus dem Darstellungsbereich verschwand.

 


Geschrieben am 19.06.2012 von Heiko Wiese

Berliner Wetterkarte: 26.04.2012

Pate: Petra Meiners-Pamperrien