Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
PHILIPP
(getauft
am 01.04.2019)
Am 01.04.2019 wurde von den Meteorologen der
Berliner Wetterkarte in der Prognose für den Folgetag ein Tiefdruckgebiet auf
den Namen PHILIPP getauft, da dieses in den kommenden Tagen das europäische
Wettergeschehen mit beeinflussen sollte.
Dieses Tief
entstand am Morgen des 02.04. an der Kaltfront des Atlantiktiefs OTTO im
Bereich von Schottland und verlagerte sich im Tagesverlauf langsam über den
Norden Großbritanniens hinweg zur Nordsee. Entlang der sich ausbildenden
Kaltfront des Hochs PHILIPP, welche ostwärts über Großbritannien hinweg zog,
trat schauerartig verstärkter Niederschlag auf. Auf der Rückseite des Tiefs,
hinter der Kaltfront, strömte maritime Luft polaren Ursprungs südwärts und
sorgte neben einer deutlichen Temperaturabnahme für Regen-, Schnee- und auch
Hagelschauer. Bis zum Nachmittag des 02.04. war die Kaltfront nach Frankreich
und den Beneluxstaaten weitergezogen, dabei entwickelten sich zahlreiche
kräftige Gewitter, bei denen neben viel Niederschlag auch einzelne Sturmböen
auftraten. So wurden im belgischen Antwerpen Böen bis 75,6 km/h gemessen, was
auf der Beaufort-Skala Stufe 9 entspricht. Mit dem Durchzug der Kaltfront nahm
auch die Temperatur deutlich ab. Wurden am Vormittag in Paris noch knapp 17°C
gemessen waren es nach dem Durchgang der Front nur noch etwa 8°C. Zum Abend und
in der Nacht ließ die Gewitteraktivität im Umfeld des Tiefdruckwirbels PHILIPP
deutlich nach.
Bis 01 Uhr
Mitteleuropäischer Zeit (MEZ) des 03.04. war das Zentrum des Tiefs PHILIPP
unter weiterer Verstärkung zur Nordsee gezogen, der minimale Luftdruck im Kern
des Tiefs betrug zu diesem Zeitpunkt etwa 997 hPa. Die Warmfront des Tiefs
PHILIPP verlief mit leichten Niederschlägen über Deutschland und Tschechien
hinweg bis nach Ungarn. Die langgestreckte Kaltfront reichte über
Westdeutschland und Frankreich bis nach Spanien. In der zweiten Nachthälfte
traten die stärksten Niederschläge über Frankreich sowie im Zuge der Schauer
auf der Rückseite des Tiefdruckwirbels auf. Bis 07 Uhr MEZ wurden im
französischen Montauban 24-stündige Niederschlagsmengen von 17,9 mm gemessen,
in De Bilt in den Niederlanden waren mit Durchzug der Gewitter am Vortag 11,7
mm gefallen und im walisischen Rhyl 11,0 mm. Die höchste Niederschlagssumme in
Deutschland wurde mit 7,7 mm in Geilenkirchen gemessen. Unterdessen begann das
Tief PHILIPP zu okkludieren, also im Bereich des Tiefzentrums eine
Okklusionsfront auszubilden. In der Meteorologie bezeichnet eine Okklusion oder
Okklusionsfront eine Mischfront aus Kalt- und Warmfront, die entsteht, wenn die
nachfolgende und schneller ziehende Kaltfront die vorhergehende Warmfront
einholt. Der Punkt, an dem die Kalt- und Warmfront zusammenlaufen heißt
Okklusionspunkt. Am Vormittag des 03.04. schlug das Tief PHILIPP eine
rückwärtige Zugbahn nach Westen in Richtung England ein, wohingegen die
Kaltfront und die maritime Polarluft ostwärts über Deutschland hinweg zogen.
Nördlich des Tiefzentrums bildete sich zu dieser Zeit auch ein Starkwindfeld
aus, in dem im weiteren Tagesverlauf und in der Nacht Sturm-, in den
schottischen Highlands auch Orkanböen auftreten sollten. Die stärksten
Niederschläge traten ebenfalls im Bereich des Kerns des Tiefs entlang der
Okklusion sowie über dem Südwesten Deutschlands und im Stau der Westalpen auf.
Am Nachmittag bildeten sich über Baden-Württemberg und dem Norden Bayerns
erneut an der Kaltfront einige kräftige Gewitterzellen, welche dort für viel
Niederschlag sorgten. Die Nacht verlief vor allem im schottischen Hochland sehr
stürmisch, am Glen Ogle wurden bis 113,0 km/h gemessen, an der 1245 m hoch
gelegenen Station in den Cairngorm Mountains sogar bis 146,4 km/h.
Zu Tagesbeginn
des 04.04. befand sich das Zentrum des Tiefs PHILIPP bei einem auf ca. 990 hPa
gefallenen Luftdruck über dem westlichen Teil von Wales. Der Wirbel war
mittlerweile vollständig okkludiert, die Okklusion verlief im Uhrzeigersinn
über Irland und Schottland nach Deutschland. In diesen Regionen regnete es auch
stärker. Hier kamen bis 07 Uhr MEZ binnen eines Tages hohe Summen zusammen, wie
im schottischen Aviemore mit 33,4 mm, im englischen Redesdale mit 24,2 mm und
in Cevio in der Südschweiz mit sogar unwetterartigen 91,6 mm. In Deutschland
wurden die höchsten Summen in einem Streifen vom Oberrhein über Hessen und
Niedersachsen bis zur Nordsee gemessen. Spitzenreiter hierbei war die
Wetterstation in Freiburg, an der 21,0 mm Niederschlag gemessen wurden. In den
darauffolgenden Stunden verlagerte sich das Zentrum des Tiefs PHILIPP kaum
noch, am kräftigsten regnete es über dem Süden und der Mitte Englands,
vereinzelt mischten sich auch nasse Schneeflocken unter. Am Abend erreichten
auch stärkere Niederschläge mit einem neuerlichen Vorstoß polarer Kaltluft den
Nordwesten Spaniens.
Mit dem
Tagesanbruch des 05.04. erreichte der Kern des Tiefs PHILIPP bei wieder leicht
ansteigendem Luftdruck von ca. 991 hPa die irische Küste. Neben der Okklusion,
welche zum einen über England verlief und zum anderen über den Atlantik und die
Nordsee bis nach Norddeutschland reichte, hatte sich mit dem Vorstoß der
polaren Luft zur iberischen Halbinsel eine neue Kaltfront gebildet, welche von
der Biskaya über Spanien und Portugal bis nördlich der Kanaren verlief. Das
Zentrum des Tiefs PHILIPP zog in den folgenden Stunden nach Westen weiter auf
den Atlantik, die Position der Hauptniederschlagsgebiete veränderte sich jedoch
kaum. Dies führte dazu, dass besonders im Nordwesten Spaniens, entlang der
portugiesischen Küste und im Süden Englands bis 07 Uhr MEZ hohe
Niederschlagsmengen registriert wurden. In Middle Wallop wurden 27,2 mm
gemessen, am Flughafen der Hafenstadt Bournemouth 25,4 mm. In Santiago De
Compostela konnten 25,3 mm erfasst werden, im portugiesischen Chafé sogar 37,1
mm. Doch auch in Deutschland waren nochmals signifikante Mengen gefallen, wie
mit 13,3 mm in Meppen. Im Verlauf des 05.04. schwächten sich die
Niederschlagsgebiete entlang der Okklusionsfront ab, wohingegen im Bereich der
Kaltfront, welche zum Mittag auch Marokko erreichte, starke Regenschauer und
einzelne Gewitter auftraten. In den Bergen Spaniens schneite es bei
Temperaturen um den Gefrierpunkt oberhalb von 1000 m sogar nochmals kräftig.
Die höchsten Regenmengen kamen im Umfeld der Straße von Gibraltar sowie in der
Sierra de Guadarrama zusammen. Zudem traten besonders über dem Süden der
iberischen Halbinsel stürmische Böen auf.
Das Zentrum der
Zyklone PHILIPP zog unterdessen zunächst südwestwärts, später auch südwärts
weiter und befand sich um 01 Uhr MEZ des 06.04. vor der Nordwestspitze
Spaniens, wobei der Luftdruck weiter auf knapp 995 hPa angestiegen war. Die
Okklusion verlief vom Kern des Tiefs aus über den Atlantik nordwärts bis
nördlich von England. Eine zweite Front befand sich über Irland und dem
Südwesten Englands. Die maritime Polarluft, welche rückseitig der Kaltfront
weiter nach Südosten vordringen konnte, sorgte in weiten Teilen Spaniens für
eine sehr kühle Nacht mit Frost im Bergland und Temperaturen knapp über dem
Gefrierpunkt in den restlichen Landesteilen, wie in der Hauptstadt Madrid, wo
das Thermometer bis zum Morgen auf 1,5°C sank. Die einige Tage zuvor nach
Europa geströmte und nun schon gealterte Polarluft über dem Osten Frankreichs
und Süddeutschland sorgte in diesen Regionen für leichten Luftfrost in der
Nacht, was einer gemessenen Temperatur von unter 0°C in einer Höhe von 2 Metern
entspricht. Die Niederschlagsgebiete zogen unterdessen weiter ostwärts, in den
Regionen wo sie tags zuvor und in der Nacht in Erscheinung getreten waren
wurden aber am Morgen erneut hohe Niederschlagsmengen gemeldet. So waren im
spanischen Cañizares 21,2 mm innerhalb von 24 Stunden gefallen, in Grazalema
unweit der Straße von Gibraltar 33,4 mm und auch im südenglischen Plymouth
wurden 17,6 mm gemessen. Das Tief PHILIPP schwächte sich jedoch immer weiter
ab, zog im weiteren Tagesverlauf in Richtung der Pyrenäen weiter und löste sich
dort in den frühen Nachmittagsstunden auf.
Das
Tiefdruckgebiet PHILIPP hatte insgesamt über 6 Tage lang das Wettergeschehen
besonders über dem Westen Europas mitbestimmt. Dabei hatte es neben vielen
Schauern und Gewittern auch für Sturm, lokal hohe Niederschlagssummen und einen
späten Kaltlufteinbruch über der iberischen Halbinsel gesorgt.