Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet Philipp

(getauft am 22.03.2021)

 

Am 22. März 2021 befand sich Deutschland am Rande des über der Biskaya gelegenen Hochdruckgebietes MARGARETHE in einer nördlichen Strömung. Diese brachte feuchte Luftmassen von der Nordsee in weite Teile Deutschlands, so dass bei leichten Niederschlägen der Südwesten an diesem Tag meist bedeckt blieb, während die nördlichere Anströmung im Nordosten Luft aus Skandinavien und damit auch mehr Sonnenschein brachte. Aus dem Grund, dass die Luftmassen das skandinavische Gebirge überströmen mussten, verloren diese an Feuchtigkeit, so dass sich in der trockeneren Luft weniger Wolken bilden konnten. Dieses Phänomen nennt man auch den Skandi-Föhn. Dadurch, dass sich Hochdruckgebiete auf der Nordhalbkugel im Uhrzeigersinn drehen, konnten auf der Rückseite von Hoch MARGARETHE warme Luftmassen über den Ostatlantik nach Norden gelangen. Als diese schließlich auf die Kaltfront eines unbenannten Tiefdruckgebietes nördlich der Insel Jan Mayen trafen, begann diese sich zu verwellen, so dass die Meteorologen der Berliner Wetterkarte die Entstehung eines Wellentiefs für den darauffolgenden Tag zwischen Island und den Britischen Inseln prognostizierten. Aufgrund der weiteren Verlagerung dieses Tiefs nach Osten sollte dies das Wettergeschehen in Mitteleuropa beeinflussen. Aus diesem Grund entschieden sich die Meteorologen dieses Wellentief bereits am 22. März in der Prognose für den Folgetag auf den Namen PHILIPP zu taufen, unter dem es im Folgenden auch in Wetterkarten und -berichten geführt wurde.

Am Tag nach der Taufe, den 23. März, erschien dann Tief PHILIPP erstmalig auf der Bodenwetterkarte, wo es sich etwas weiter südwestlich als vorhergesagt ca. 1000 km vor der Westküste Irlands platzierte und dabei einen Kerndruck von knapp unter 1000 hPa vorwies. Am Kern anknüpfend zog sich eine Warmfront in nordöstliche Richtung, wo sie auf Höhe der Shetlandinseln in die Kaltfront des bereits zuvor erwähnten Tiefdruckgebietes nahe der Grönlandsee überging. Des Weiteren erstreckte sich eine Kaltfront südlich abgehend vom Kern in weiten Bogen über den Atlantik. Irland, Nordengland und Schottland befanden sich an diesem Tag im Warmluftsektor zwischen den beiden Fronten, wo es mit 9°C bis 15°C zwar mild, aber wolkenreich blieb.

Innerhalb von 24 Stunden, bis 00 UTC des Folgetages, verstärkte sich die Zyklone PHILIPP von 996 hPa auf 966 hPa Luftdruck im Zentrum. Dies entspricht einer Verstärkung um 30 hPa, und damit einer Bombogenese. Bombogenese ist eine Wortkombination von „Bombe“ und „Zyklogenese“ und beschreibt die Bildung eines Sturms. Um eine Bombogenese handelt es sich, wenn der Kerndruck des Druckgebietes innerhalb von 24 Stunden um mindestens 24 hPa abfällt. Zur Bombogenese kommt es in gemäßigten Klimazonen meist im Winter, wenn kontinentale Kaltluft und feucht-warme Meeresluft aufeinandertreffen. Tief PHILIPP lag um Mitternacht mit einer ausgeprägten Warm- und Kaltfront sowie einer beginnenden Okklusion zwischen Norwegen und Island. Hierbei bildet der Zusammenschluss von Warm- und Kaltfront die eben erwähnte Okklusionsfront, auch als Mischfront bekannt, bei der der Warmluftsektor, der vorher zwischen den Fronten lag, in höhere Luftschichten angehoben wird. Die Luft in diesem Sektor kühlt sich beim Aufsteigen in höhere Luftschichten ab, und da kalte Luft weniger Feuchtigkeit enthalten kann als warme, fällt diese dann als Niederschlag - je nach Temperatur fest oder flüssig - aus. Am Vormittag erreichte das Sturmtief PHILIPP im Höhepunkt seiner Entwicklung mit Windböen, die die 100 km/h oftmals überschritten, die Westküste Norwegens, wobei im Bereich der Kaltfront der Zyklone von Westnorwegen bis Irland zwischen 1 und 5 mm Niederschlag fielen. So meldete beispielsweise Tulloch Bridge in Schottland eine Regenmenge von 5 mm. In einigen Staulagen in Norwegen fielen sogar bis zu 28 mm.

 

Die sich nun allmählich abschwächende Zyklone PHILIPP erreichte bis 00 UTC des 25. März das Nordkap, von wo aus die Kaltfront sich bis zur Westküste Portugals erstreckte und zunächst u.a. Nordfrankreich überquerte, wo ebenfalls bis zu 5 mm Regen gemessen wurden, um wenig später mit einigen lockeren, meist hohen Wolkenfeldern auch den Westen Deutschlands zu erreichen. Zu diesem Zeitpunkt war die Kaltfront kaum noch wetteraktiv. Aufgrund der geringen Bewölkung sanken die Temperaturen in jener Nacht insbesondere in Bayern unter den Gefrierpunkt. So meldete der Flughafen München Minimaltemperaturen von −4C, Nürnberg verzeichnete einen Tiefstwert von −2C. Hochdruckwirbel MARGARETHE hatte derweil mit dem Zentrum den Alpenraum erreicht und beeinflusste nun auch den Nordosten Deutschlands maßgeblich. So registrierte an diesem Tag Berlin-Dahlem 5 Stunden Sonnenschein bei 12,8C, die höchste an unserer Station gemessene Temperatur seit dem 03. März. Tiefdruckwirbel PHILIPP zog weiter in nordöstliche Richtung, wobei sich entlang der Kaltfront einzelne schwache Schauer bildeten, die ostwärts zogen. Meist lagen die Niederschlagsmengen hierbei unter 1 mm. Anders sah es in Genthin und Elsterwerda aus, wo mit 2 mm geringfügig größere Niederschlagssummen fielen. Bis zum nächsten Tag löste sich die eh schon geschwächte Kaltfront aufgrund fehlender Temperaturgegensätze an der Luftmassengrenze auf.

Um 00 UTC des 26. März lag Tief PHILIPP mit nur noch 985 hPa Kerndruck über Workuta in Russland. Die Warmfront der Zyklone erstreckte sich in südöstliche Richtung bis nordöstlich von Tobolsk, während die Okklusionsfront in südwestliche Richtung bis nordwestlich von Archangelsk verlief. Insbesondere im Bereich der Fronten war es in Russland an diesem Tag stark bewölkt, während es im Gebiet zwischen den Fronten leicht bewölkt blieb. Auch kam es im Einflussbereich der Okklusionsfront örtlich zu Schauern. In Berlin-Dahlem zog am Morgen noch ein kurzer Schauer mit 0,7 mm Regen durch, wodurch sich die Monatsbilanz auf knapp 30 mm erhöhte, was fast 80% vom Sollwert entsprach. Sonst blieb es aber in den meisten Regionen niederschlagsfrei.

 

Auf der 00 UTC Bodenwetterkarte der Berliner Wetterkarte am 27. März war Tief PHILIPP nicht mehr verzeichnet, da das Druckgebiet im Verlauf des vorherigen Tages weiter in nordöstliche Richtung über die Grenzen des Kartenausschnitts hinweg gezogen war. Deutschland hingegen wurde an diesem Tag von der Kaltfront des Tiefdruckgebietes QUASIMODO überquert, welche gewittrige Schauerniederschläge mit sich brachte.