Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet PILLE
(getauft am 02.02.2013)
In einem ausgedehnten weit nach Süden reichenden
Trog, eines Kaltluftvorstoßes nach Süden in einer Höhe von ca. 5,5 km, über
Nordamerika, der mit hoch reichender Kaltluft gefüllt war, entstand an der
Grenze zur wärmeren Meeresluft an der Südostküste ein Tiefdruckwirbel, der am
02.02.2013 auf den Namen PILLE getauft wurde. Die Zyklone PILLE wies um 01 Uhr
MEZ einen Kerndruck von 1005 hPa auf und vom Kern zog
sich eine Kaltfront bogenförmig nach Westen, in entgegen gesetzter Richtung
reichte südöstlich des Kerns eine Warmfront, welche in die Kaltfront einer
Zyklone vor der Westküste Grönlands überging.
In einer kräftigen Höhenströmung verlagerte sich
der Orkanwirbel PILLE weiter nordostwärts und lag am
03.02. bereits einige Hundert Kilometer südlich der Südspitze Grönlands und
östlich von Neufundland. Der Kerndruck der Zyklone lag bei 990 hPa, wobei sie im Verlauf eine Okklusionsfront
ausgebildet hatte. Diese ist eine Mischform aus Kalt- und Warmfront und zog
sich vom Kern wenige Hundert Kilometer nach Süden. Vom Kern erstreckte sich
weiterhin die Kaltfront des Wirbels nach Südwesten bis weit hinaus über den
Atlantik, die östlich der Kaltfront gelegene Warmfront zog sich bogenförmig
nach Südosten und ging einige Hundert Kilometer vor der Küste Irlands in die
Kaltfront des Tiefs ONE über.
Den Höhepunkt der Entwicklung erreichte das Tief am
frühen Morgen des 04.02. mit einem Kerndruck von annähernd 955 hPa. Vom Kern über Island zog sich die Okklusionsfront
bogenförmig nach Süden bis zum Okklusionspunkt über
den Shetland-Inseln. Die Kaltfront zog sich von dort über Schottland und Irland
bis weit hinaus über den Atlantik nach Südwesten, die Warmfront erstreckte sich
hingegen über die Nordsee bis Westdeutschland. Die Niederschlagsfelder des
Orkanwirbels sorgten in Bayern für länger anhaltenden Schneefall, bereits in
den Vormittagsstunden fielen in Regensburg 7 cm Neuschnee. Mit der westlichen
Strömung gelangte kurzfristig maritime Subpolarluft in den Westen Deutschlands.
Im Warmsektor der Zyklone, dem Bereich zwischen Warm- und Kaltfront, stiegen
die Temperaturen an. In Norddeutschland und auch am Oberrhein wurden dabei
Werte um +6 bis +9°C erreicht. Nur in den höheren Lagen der Mittelgebirge, wie
auf dem Brocken, blieb das Tauwetter aus. Im Tagesverlauf stiegen auch die
Temperaturen in Südostdeutschland auf +3 bis +5°C an, sodass in den tieferen
Lagen der Niederschlag von Schnee zunehmend in Regen überging. In der Nacht zum
05.02. blieb es in Deutschland meist frostfrei, durch kalte Böden kam es
allerdings verbreitet zu gefrierender Nässe und dementsprechend glatten
Straßen. Bis um 01 Uhr MEZ dieses Tages bildete der Tiefdruckwirbel PILLE einen
östlichen und einen westlichen Kern aus. Das Zentrum des kräftigen Sturmtiefs
PILLE I mit einem Kerndruck von 970 hPa verlagerte
sich dabei von Island über das Seegebiet nördlich von Schottland. An der Okklusionsfront entstand gleichzeitig über Südschweden das
Teiltief PILLE II. Dabei verlief eine Okklusionsfront
des Tiefs PILLE I bogenförmig nach Nordwesten über den Atlantik bis vor die
Küste Grönlands, eine zweite ebenfalls bogenförmig über das Europäische
Nordmeer und Norwegen bis zum Zentrum von Teiltief PILLE II über Südschweden.
Die Okklusionsfront des Tiefs PILLE II erstreckte sich
bogenförmig über die Ostsee, Litauen und Polen bis über den Süden Deutschlands.
Südlich dieser beiden Kerne gelangte mit einer westlichen bis südwestlichen
Strömung labil geschichtete Meeresluft nach Mitteleuropa. Merkmale einer labil
geschichteten Atmosphäre sind beispielsweise hoch reichende Quellwolken oder
auch die Entstehung von Gewittern. Über dem Nordatlantik bildeten sich als
Folge dieser Labilisierung zahlreiche Schauerzellen,
die sich nach Osten verlagerten. In den frühen Morgenstunden meldeten bereits
mehrere Wetterstationen im Raum von Belgien bis nach Westniedersachsen
Gewitter. Zeitweise wurden innerhalb eines Zeitraumes von 120 Minuten mehr als
700 Blitze registriert. In einer Höhe von 1,5 bis 2 km wehte der Wind über
Belgien mit einer Stärke von 50 bis 70 kn, sodass auch im Flachland kräftige
Sturmböen auftraten. In diesen riesigen Gewitterwolken, auch Superzellen
genannt, wurden in Belgien nach Aussage der Medien auch Tornados gesichtet. Der
Wind nahm allerdings im Tagesverlauf an Stärke ab, da der Kerndruck des Wirbels
PILLE I innerhalb von 24 Stunden um rund 20 hPa
anstieg. Bei kräftigen Niederschlägen fielen gebietsweise 12-stündig Mengen von
über 10 Liter pro Quadratmeter. In Schwanewede nördlich von Bremen wurden
beispielsweise 15 l/m² registriert. Die Temperaturen lagen zwischenzeitlich
deutlich über dem Gefrierpunkt, dennoch bildete sich
zeitweise immer wieder eine nasse Schneedecke aus. In Hamburg Fuhlsbüttel lag
der Schnee am Abend 3 cm hoch. Mit Maximalwerten von +2°C war es in Schleswig-Holstein
und Westmecklenburg vergleichsweise kühl, da in Deutschland meist Temperaturen
von +4°C bis +8°C erreicht wurden.
In der Nacht zum 06.02. griff von Westen ein
Schneefallgebiet, mit teilweise schauerartig verstärktem und stellenweise sehr
ergiebigen Schneefall, auf Nordrhein-Westfalen und
Rheinland-Pfalz über, wobei Duisburg eine Niederschlagsmenge von 10 l/m²,
Xanten 12 l/m² und Kleve 17 l/m² meldeten. Am Niederrhein wurden von Duisburg
bis Kleve um 07 Uhr MEZ Schneehöhen von 12 bis 15 cm gemessen. Durch diesen
kräftigen Schneefall kam es in Nordrhein-Westfalen zu einigen
Verkehrsbehinderungen und Staus auf Autobahnen. Wesentlich niedrigere
Gesamtschneehöhen meldeten Stationen in Hessen, Bayern und Sachsen sowie
Niedersachsen. In Cottbus und in Frankfurt wurden 3 cm Schnee gemessen. Das
Zentrum des für Mitteleuropa wetterbestimmenden Tiefs PILLE hatte sich nun vom
Seegebiet nördlich Schottlands nach Südschweden verlagert. Der Wirbel PILLE II,
mit einem Kerndruck von 990 hPa übernahm nun die
Rolle des steuernden Druckgebildes, das zuvor steuernde Tief PILLE I verlagerte
sich unter Abschwächung südwärts über die westliche Nordsee bis über den
Ärmelkanal. Von Belgien zog sich eine Kaltfront des Tiefs PILLE I, welche über
der Bretagne in eine Okklusionsfront überging. Diese
reichte weiter über Belgien und Frankreich bis hinaus über den Atlantik.
Nördlich dieser Front erstreckte sich eine weitere Okklusionsfront
über England, Schottland und die Nordsee bis zur Küste Norwegens und zog sich
schließlich weitere Hundert Kilometer über das Europäische Nordmeer. Die Okklusionsfront der Zyklone PILLE II zog sich von
Südnorwegen, über Schweden und Finnland bis Russland und ging über der
Wolgaplatte in die Warmfront des neu entstandenen Tiefs PILLE III über. Der
Kern des Wirbels PILLE III lag über der Ostsee vor der Küste Litauens, von dort
zog sich die Okklusionsfront bis zum Okklusionspunkt über Weißrussland. Die Kaltfront erstreckte
sich dabei nach Südwesten über Polen bis über die Slowakei, die nordöstlich der
Kaltfront gelegene Warmfront verlief von Weißrussland bis nach Russland.
Am 07.02. lag das Zentrum von Tief PILLE mit einem
auf 1000 hPa abgeschwächten Kerndruck über
Südschweden, von wo sich die Okklusionsfront über die
Ostsee bis nach Estland erstreckte und sich dort in eine Kalt- und Warmfront
aufspaltete. Die Kaltfront verlief dabei in einem Bogen über Russland bis nach
Weißrussland, die weiter nördlich gelegene Warmfront erstreckte sich über
Südfinnland bis über das Nordrussische Tiefland. An der Rückseite von Tief
PILLE waren die Schneeschauer, die von der Nordsee nach Deutschland
herangezogen waren, nur noch schwach ausgeprägt. Ergiebiger war der
Niederschlag nur in Norddeutschland sowie in höheren Lagen. In Rostock wurde am
Flughafen Laage eine Neuschneemenge von 8 cm
gemessen.
Im weiteren Verlauf begann sich die Zyklone PILLE
weiter aufzufüllen und lag am 08.02. mit seinem Kern über der Odermündung. Zum
09.02. wurde das Tief PILLE in die Zirkulation des Tiefdrucksystems QUINTEN mit
einbezogen. Eine Okklusionsfront des Wirbels PILLE
zog sich nun von der Ostsee über Polen, sowie den Norden Deutschlands und
sorgte noch für einige schwache Schneeschauer. Zum 10.02. füllte sich der
Wirbel PILLE soweit mit Luft auf, dass dieser auf der Berliner Wetterkarte
nicht mehr analysiert werden konnte.
Geschrieben
am 28.04.2013 von Natja Ruth Bublitz
Berliner
Wetterkarte: 05.02.2013
Pate:
Philipp Kretschmer