Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet QASIM

(getauft am 01.12.2015)

 

Im Vorfeld eines umfangreichen Hochdruckgebietes über Neufundland konnte sich am 30. November eine Wellenstörung verstärken, die sich in der Folge zu einem Tiefdruckgebiet entwickeln konnte. Dieses wurde auf den Namen QASIM getauft und wurde erstmals auf der Berliner Wetterkarte am 01. Dezember um 01 Uhr MEZ namentlich verzeichnet. Die Zyklone befand sich zu diesem Zeitpunkt über dem zentralen Nordatlantik ca. 1900 km westlich der Bretagne. Im Kern herrschte dabei ein Druck von ca. 993 hPa. Die Warmfront des Tiefs erstreckte sich ca. 500 km in nordöstlicher Richtung und ging anschließend in die Kaltfront des Tiefs PHILIPP über. Die gut ausgeprägte Kaltfront verlief bogenförmig in südwestlicher Richtung und erreichte eine Länge von ca. 2000 km.

Bis zum 02. Dezember verlagerte sich die Zyklone zügig nach Nordosten und konnte um 01 Uhr MEZ knapp südöstlich von Island analysiert werden. Dabei konnte sich das Tief QASIM deutlich verstärken und wies einen Druck von ca. 973 hPa auf. Damit war der Druck in 24 Stunden um 20 hPa gefallen. Dies liegt knapp unterhalb dem Kriterium einer rapiden Zyklogenese oder einer Bombogenese. Eine Bombogenese liegt vor, wenn der Druck in 24 Stunden um 24 hPa fällt. Dieser Wert gilt für 60° nördliche Breite und in diesem Bereich befand sich auch das Tief QASIM. Die Warmfront des Tiefs erstreckte sich über die Nordsee, den mitteldeutschen Raum bis nach Österreich, wo sie anschließend in die Kaltfront von Tief OSCAR überging. Die Kaltfront erreichte erneut eine Länge von knapp 2000 km und erstreckte sich vom Kern in südwestlicher Richtung über die Irische See bis ca. 600 km nordöstlich der Azoren. In diesem Bereich ging sie in die Warmfront des neu über dem Atlantik entstandenen Tiefs RUDI über. Damit konnte sich ein großer und gut ausgeprägter Warmluftsektor ausbilden. In diesem Bereich zwischen Warm- und Kaltfront findet mit südwestlichen Winden eine verstärkte Warmluftzufuhr statt. Vom Tiefdruckkern bis Reykjavik konnte eine Okklusion analysiert werden. Eine Okklusion ist eine Mischfront. Sie entsteht wenn die schneller ziehende Kaltfront sich unter die Warmfront schiebt. Typischerweise wird diese während des Lebenszyklus der Zyklone länger. Zu diesem Zeitpunkt erreichte die Okklusion eine Länge von ca. 350 km.

Die Warmfront überquerte tagsüber Ostdeutschland und befand sich am Tagesende über Ostpolen. Mit Durchgang der Front konnten 24-stündige Niederschlagsmengen von 0,1 bis örtlich 7 mm gemessen werden, wie beispielsweise 2 mm in Berlin, 4 mm in Stettin oder 6 mm Oppeln. Sonnenschein oder stärkere Windböen wurden nicht registriert. Im Warmluftsektor blieb es bewölkt mit kaum Sonne, dabei aber trocken. Die Höchstwerte stiegen verbreitet auf milde 10 bis 14°C. Berlin vermeldete 11°C, ebenso Hamburg und Köln, München erreichte 10°C, Paris 12°C und London 14°C. Die Kaltfront verlagerte sich bis zum Tagesende ost- bis südostwärts und überquerte Schottland, Nordirland und Nordengland. Dabei kam es in diesen Regionen zu einem Temperaturrückgang von anfangs 10 bis 13°C auf 6 bis 9°C kaltfrontrückseitig. Verbunden war der Frontendurchgang mit teilweise starken Regenfällen und Windböen. Die Niederschlagsmengen zeigten aber teilweise deutliche räumliche Unterschiede. Während beispielsweise Dublin und Aberdeen nur 0,6 mm vermelden konnten, gab es in Teilen Schottlands, im Westen von Irland und besonders in Wales stärkere Regenereignisse von registrierten 10 bis 17 mm. Spitzenreiter war die walisische Stadt Capel Curig. Dort fielen von 07 bis 19 Uhr MEZ 47 mm. Gleichzeitig gab es im Flachland die stärkste Böe. Mit 115 km/h wurde Windstärke 11 erreicht. Im restlichen Großbritannien wurden verbreitet Böen von 70 bis 85 km/h, an der irischen Küste auch bis 97 km/h gemessen. Auf den Färöer-Inseln sowie im Nordwesten Schottlands wurden mit 100 bis 113 km/h ebenfalls orkanartige Böen registriert. Am stärksten waren die Windböen auf den Bergen Schottlands. Auf dem Aonach Mór mit 1130 m über NN erreichte der Wind 165 km/h und damit volle Orkanstärke. Ab 118 km/h spricht man von Orkanböen oder Windstärke 12 auf der Beaufortskala. Rückseitig der Kaltfront lockerte die Bewölkung wieder auf und gebietsweise gab es noch etwas Sonnenschein. Hinter einer Kaltfront sinkt die Luft ab und der Druck steigt wieder an, man spricht auch von sogenannten postfrontalen Auflockerungen. Belfast verzeichnete noch 1 Sonnenstunde, Glasgow 2 und das schottische Stornoway 4 Stunden Sonnenschein.

Im Verlauf des 02. Dezember okkludierten bereits große Teile der Fronten im nördlichen Teil des Systems. Die Okklusion reichte dabei bis an die Südspitze Norwegens. Sie brachte besonders an der Westküste ergiebige Regenfälle. Verbreitet fielen 10 bis 30 mm, Spitzenreiter war die Stadt Bergen wo 24-stündig 36 mm fielen. Auch in Norwegen gab es gebietsweise Sturm- und örtlich Orkanböen. So gab es in den norwegischen Küstenstädten Ona Li 119 km/h, in Krankenes ebenfalls 119 km/h und 137 km/h in Fossmark. Die Temperaturen stiegen mit Ankunft der Okklusion auf 8 bis 11°C an der norwegischen Küste an. Der südliche Teil Schwedens befand sich am Abend im Bereich des Warmluftsektors. Während es dort mit 6 bis 9°C mild war, wurde es nach Norden drastisch kälter. Bereits in Stockholm wurden nur noch 3°C gemessen, in Mittel- und Nordschweden herrschten Werte von +2 bis -12°C im äußersten Norden.

Am 03. Dezember um 01 Uhr MEZ befand sich der Kern von Tief QASIM nordöstlich von Island. Dabei konnte sich die Zyklone nochmals verstärken und sich auf einen Druck von ca. 956 hPa vertiefen. Zum Vergleich, der tiefste in Deutschland gemessene Druck liegt bei 955 hPa und stammt aus Bremen vom November 1983. Die nun ca. 1500 km lange Okklusion erstreckte sich bogenförmig nördlich des Kerns bis nach Mittelschweden. Die Warmfront verlief über die östliche Ostsee, Polen, Slowakei, Ungarn bis Serbien, die Kaltfront von Mittelschweden und Norddänemark bis über die Nordsee. Bis zum Tagesende überquerten die Warm- und Kaltfront Schweden, die Ostsee sowie die Baltischen Staaten. Dabei okkludierten große Teile des Frontensystems. Die Okklusion überquerte Skandinavien und befand sich am Abend bereits im Westen von Russland. Die Temperaturen stiegen im Warmluftsektor, der sich von Norddeutschland, Dänemark, Südschweden bis in die Baltischen Staaten erstreckte, erneut auf milde 7 bis 12°C. In Riga konnten 8°C, in Warschau 9°C und in Berlin sogar 12°C gemessen werden. Besonders in Deutschland konnte mit Unterstützung des über den Alpenraum liegenden Hochdruckgebietes XENA gebietsweise 4 bis 8 Stunden die Sonne scheinen. Entlang der Fronten fielen 24-stündig von Nordpolen, Weißrussland, den Baltischen Staaten, Finnland bis in den Westen Russlands 0,1 bis 2 mm. Höhere Niederschlagsmengen wurden in der Nähe des Okklusionspunktes gemessen. In diesem Punkt holt die Kaltfront die Warmfront ein, wodurch Aufgleitniederschläge ausgelöst werden. In Mittelfinnland, im Nordwesten von Russland und auf der Halbinsel Kola fielen 3 bis 9 mm. Bei Temperaturen von 1 bis -3°C fiel der Niederschlag in Form von Schnee und bis zum nächsten Morgen konnten 5 bis stellenweise 10 cm Neuschnee registriert werden. Im finnischen Kuusamo fielen beispielsweise 5 mm und bis zu 9 mm fielen im russischen Pudoz. In Sankt Petersburg gab es 2 mm, bei leicht positiven Temperaturen fiel der Niederschlag allerdings als Regen. Stärkere Windböen gab es mit dem Durchzug der Okklusion. Die Geschwindigkeiten blieben aber mit 50 bis 61 km/h gering. Die Drängung der Isobaren war dagegen vor der norwegischen Nordwestküste am stärksten ausgeprägt. Isobaren stellen Linien gleichen Luftdruckes dar. Gleichzeitig wurde mit nordwestlicher Strömung polare Luft aus Grönland herangeführt. Durch die relativ warme Meeresoberfläche wurde die Atmosphäre stark labilisiert, sodass sich kräftige Schauer und Gewitter bilden konnten. Damit waren die Bedingungen ideal um aus höheren Luftschichten starke Windböen zum Boden zu transportieren. Bereits um 09 Uhr MEZ wurden an der Westküste erste Gewitter beobachtet. Diese gingen teilweise mit Graupel und Hagel einher. In nördlicheren Regionen gingen die Schauer in Form von Schnee- und Schneeregen nieder. Durch wiederholte starke Regenschauer und Gewitter konnten bis zum 07. Dezember um 07 Uhr MEZ 24-stündig gebietsweise 10 bis 30 mm gemessen werden. Spitzenreiter waren mit 45 mm Sandjessnoen und mit 60 mm Hjartasen. Dazu gab es nahezu entlang der gesamten Westküste Norwegens Sturm- und Orkanböen. Die stärksten Böen traten dabei im Nordwesten nahe dem Tiefdruckkern auf. Flächendeckend wurden an der Küste über 100 km/h gemessen. Die stärksten Böen gab es in Bronnoy mit 140 km/h und in i Vesterålen mit 155 km/h. Die Höchsttemperaturen erreichten dort milde 6 bis 9°C, währenddessen es in Mittel- und Nordschweden mit 0 bis -5°C Dauerfrost gab.

Am 04. Dezember um 01 Uhr MEZ befand sich das Tief QASIM weiterhin über der Norwegischen See. Der Kern verlagerte sich geringfügig nach Nordosten und begann sich langsam aufzufüllen. Der Druck stieg auf ca. 968 hPa an. Die Okklusion erstreckte sich bogenförmig vom Kern, über Spitzbergen und den Westen Russlands bis Weißrussland. Sie erreichte damit eine Länge von ca. 3800 km. Zu diesem Zeitpunkt konnten noch eine kurze Warm- und Kaltfront analysiert werden. Bereits um 13 Uhr MEZ hatten sich Warm- und Kaltfront aufgelöst und die Okklusion löste sich vom Tiefdruckkern ab. Bis zum Tagesende lösten sich alle Fronten des Tiefs auf. Entlang der Okklusion fielen geringe Regenmengen von 0,1 bis 0,6 mm. Deutlich wetterwirksamer war das Tief erneut an der Nordwestküste von Norwegen. Dort war immer noch ein großer Gradient vorhanden, wenn auch nicht mehr so stark wie am Vortag. Gebietsweise gab es 75 bis 100 km/h. In Rotvaer wurden mit bis zu 126 km/h die stärksten Orkanböen registriert. Der Wind ließ im weiteren Tagesverlauf mit Nordostverlagerung und Abschwächung des Tiefs deutlich nach.

Bis zum 05. Dezember um 01 Uhr MEZ verlagerte sich das Tief QASIM ohne Fronten über das Gebiet zwischen Spitzbergen und Nordnorwegen. Der Druck stieg auf 973 hPa an. Die Wetterwirksamkeit blieb gering, stärkere Windböen oder Niederschläge blieben aus. Bis zum Abend löste sich das Tiefdruckgebiet auf bzw. wurde von Tief RUDI und dem nachfolgenden Tief TED aufgenommen.

 

 

Geschrieben am 20.12.2015 von Dennis Schneider 

Berliner Wetterkarte: 02.12.2015 

Pate: Qasim Husain