Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet QUASIMODO

(getauft am 27.06.2013)

 

Entlang einer Wellenstörung entstand während der letzten Juni-Dekade über dem mittleren Nordatlantik ein Tiefdruckwirbel, der am 27.06.2013 auf den Namen QUASIMODO getauft wurde.

Am Tauftag lag der Kern des Tiefdrucksystems mit einem Druck von 1015 hPa über dem zentralen Nordatlantischen Ozean, südlich von Grönland. Vom Zentrum verlief eine Warmfront nach Nordosten, bevor sie sich nach wenigen Hundert Kilometern mit den Ausläufern eines unbenannten Frontensystems verband. Südwestlich des Kerns ausgehend reichte eine Kaltfront in entgegengesetzte Richtung und ging kurz vor der Küste Neufundlands in ein nachfolgendes Tief über.

Bis zum Folgetag verlagerte sich das Tiefdrucksystem nach Nordosten und lag schließlich über der Südostküste Islands, wobei der Druck im Zentrum auf 1000 hPa fiel. Die Warmfront verlief vom Kern nach Süden, über die Irische See, zwischen Irland und Großbritannien, hinweg bis Cornwall. Die Kaltfront des Wirbels zog sich dagegen in einem lang gestreckten Bogen über weite Teile des Nordatlantiks.

Bis zum 29.06.2013, um 00 Uhr UTC, verstärkte sich das Tief QUASIMODO auf einen Kerndruck von knapp 995 hPa und das Zentrum befand sich nun über der Insel Jan Mayen. Da sich die Warmfront eines Tiefdrucksystems langsamer verlagert als die Kaltfront, wurde diese rasch eingeholt und die warme Luft angehoben. Dieser Prozess wird Okklusion genannt. Die somit entstandene Okklusionsfront, also eine Mischfront mit Warm- und Kaltlufteigenschaften, zog sich vom Kern ausgehend in einem Bogen nordwärts um Jan Mayen, dann weiter nach Süden über Bergen und Stavanger bis zum sogenannten Okklusionspunkt über der zentralen Nordsee. Dieser Punkt beschreibt wo sich die Okklusion wieder in Warm- und Kaltfront aufspaltet. Die Warmfront verlief vom Okklusionspunkt aus über die Niederlande, Belgien und Frankreich bis zu den Pyrenäen. Die Kaltfront zog sich dagegen nach Südosten über London bis Cornwall. Das Frontensystem des Wirbels QUASIMODO zog schnell über Großbritannien und die Nordsee hinweg. In Folge dessen kam es zu ergiebigen Regenfällen im Westen Deutschlands mit 12-stündigen  Niederschlagsmengen von mehr als 10 l/m2. Mit der Verlagerung nach Osten schwächte sich das Regengebiet jedoch ab, sodass im Berliner Raum im Gegensatz nur wenige Tropfen fielen.

Bis zum 30.06.2013 hatte sich das Tiefdruckgebiet QUASIMODO in zwei Zentren gespaltet. Das Tief QUASIMODO I befand sich dabei über Jan Mayen und hatte einen Druck von 990 hPa. Vom Kern des Tiefdruckwirbels verlief eine Okklusion nach Norden und zog sich entlang der Ostküste Grönlands bis zu seinem Okklusionspunkt nordöstliche der Inselgruppe Spitzbergen, über der Insel Nordostland. Die von dort ausgehende Warmfront  erstreckte sich einige Hundert Kilometer über das Nordpolarmeer nach Osten. Die Kaltfront reichte nach Süden bis sie sich über der Bäreninsel mit einem unbenannten Tiefdruckwirbel verband.

Das Zentrum QUASIMODO II lag über Göteborg und besaß einen Kerndruck von 1010 hPa. Vom Kern zog sich eine Okklusion in einem Halbkreis über Schweden und ging bei Stockholm in eine Kaltfront über. Diese erstreckte sich über die Ostsee und die Danziger Bucht südwärts, bevor sie nahe den Alpen auf südwestliche Richtung schwenkte und über München und Genf bis zum französischen Zentralmassiv reichte. Diese Kaltfront zog im Laufe des Tages über Süddeutschland, wobei verbreitet mehr als 10 l/m2 fielen. In Nürnberg wurde sogar eine Regenmenge von 13 l/m² verzeichnet. Besonders im Schwarzwald wurden die Regenfälle aufgrund von Staulagen nochmals verstärkt. Gegen 18 Uhr UTC fielen in Todtmoos, südlich des Feldbergs 30 l/m² und die Station Baiersbronn-Ruhestein konnte sogar 57 l/m² melden. Auf der Rückseite der Kaltfront gelangte arktische Meeresluft nach Deutschland, was während der letzten Jahre in den Sommermonaten sehr selten geschah. Da der Himmel rückseitig der Kaltfront zusätzlich auch aufklarte, kühlte es sich in der Nacht ungewöhnlich stark ab. In ganz Norddeutschland waren Minima zwischen 9°C und 4°C zu verzeichnen. In Berlin-Dahlem sank die Temperatur auf 7,8°C, was nicht weit entfernt vom tiefsten Messwert von 6,2°C, für den 30. Juni, liegt. Ein extremes Beispiel lieferte Halle-Kröllwitz. Dort gab es mit -1°C sogar leichten Bodenfrost.

Aufgrund der sich nach Osten verlagernden, ausgedehnten Zyklone RAINER wurde das Tiefdrucksystem QUASIMODO verdrängt und konnte daher bereits am nächsten Tag nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte analysiert werden.

 


Geschrieben von Carsten Raymund

Berliner Wetterkarte: 29.06.2013

Pate: Stephan Hack (www.eastwest-trading.de)