Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet QUENDOLINE

(getauft am 12.10.2012)

 

Am 12. Oktober 2012 wurde auf der Berliner Wetterkarte in der Prognose für den Folgetag ein Tiefdruckgebiet über dem Nordatlantik auf den Namen QUENDOLINE getauft. Es bildete sich knapp 1000 Kilometer nordwestlich der Inselgruppe der Azoren und war als Tiefdruckwirbel auch in einer Höhe von etwa 5,5 km, dem sogenannten 500 hPa-Niveau am Rande eines großen Tiefdruckgebietes über dem nördlichen Nordatlantik zu sehen.

Bis zum Morgen des 13. Oktober hatte sich das Tiefdruckgebiet QUENDOLINE bis etwa 1000 km nordöstlich der Azoren verlagert und in seinem Kern wurde ein Luftdruck von etwas unter 1010 hPa gemessen. Von dort reichte eine Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften, die Okklusionsfront, einige Hundert Kilometer nach Süden bis zum Okklusionspunkt, wo sich eine Warm- und eine Kaltfront trafen. Die Warmfront zog sich von dort nach Südwesten und die Kaltfront verlief westwärts. Zwischen diesen beiden Luftmassengrenzen spannte sich der Warmluftsektor auf, in dem auch die Azoren lagen. Da die Azoren aber im Tagesverlauf von der Kaltfront überquert wurden, ging die Höchsttemperatur von 25°C am Vortag leicht auf 22°C zurück. Im Zusammenhang mit der Kaltfront wurden an der Wetterstation Lajes außerdem einige Schauer registriert.

Am 14. Oktober hatte der Wirbel QUENDOLINE mit einem Kerndruck von knapp unter 1010 hPa die Biskaya erreicht und beeinflusste mit seinen Fronten das europäische Festland. Neben einer vom Tiefdruckzentrum nach Südwesten auf den Nordatlantik reichenden Okklusionsfront, verlief eine Warmfront in östlicher Richtung bis nach Westfrankreich, um dort in eine Kaltfront das Tiefkomplexes PERDITA überzugehen. Außerdem ging vom Zentrum des Wirbels QUENDOLINE eine Kaltfront aus, die über den äußersten Nordwesten der Iberischen Halbinsel und weiter nach Südwesten bis südlich der Azoren verlief, wo der Anschluss zu einer Warmfront eines unbenannten Tiefdruckgebietes mit Kern südlich von Grönland bestand. Bis zum Morgen des Folgetages brachte das Tief QUENDOLINE über Westeuropa zum Teil recht beachtliche Niederschlagsmengen. So kamen innerhalb von 24 Stunden im westfranzösischen Bordeaux 4 Liter pro Quadratmeter zusammen, in der Hauptstadt Paris waren es 13 l/m² und im südschweizerischen Locarno 59 l/m².

Mittlerweile hatte der Kern, der sich nun ungefähr über der Region Basel befand, einen Luftdruck von knapp unter 1000 hPa erreicht. Zu diesem Zeitpunkt fungierte das Tief QUENDOLINE als Randtief des noch etwas stärker ausgeprägten Wirbels PERDITA, welcher zu dieser Zeit mit einem Kerndruck von knapp unter 995 hPa über der Nordsee lag. Vom Zentrum des Tiefs QUENDOLINE zog sich eine Warmfront quer über Deutschland und den Norden Polens bis nach Litauen, wo sie in eine Kaltfront des Tiefs PERDITA überging. Vom Kern der Zyklone QUENDOLINE verlief außerdem eine Kaltfront über die westlichen Alpen bis zur französischen Mittelmeerküste, wo sie in eine Warmfront des über den Balearen liegenden Tiefs REGULA überging. Zusätzlich befand sich über dem Osten Frankreichs eine Okklusionsfront, die kurz westlich der zuvor beschriebenen Kaltfront des Tiefs  verlief. Der Wirbel QUENDOLINE nahm im Tagesverlauf das Tief PERDITA in seine Zirkulation auf.

Bis zum Morgen des 16. Oktober fielen innerhalb von 24 Stunden in List auf Sylt 10 l/m², in Thyborön im Norden Dänemarks 16 l/m² und im ostschwedischen Uppsala 23 l/m². In der Nähe der letztgenannten Station, etwa im Bereich von Stockholm, wurde nun mit knapp 1000 hPa auch der tiefste Kerndruck des Tiefs QUENDOLINE gemessen. Von dort verlief eine kurze, bogenförmige Okklusionsfront nach Südfinnland, wo sich der Okklusionspunkt befand. Dort trafen eine über einige Hundert Kilometer aus Nordwestrussland verlaufende Warmfront und eine Kaltfront zusammen, welche über die Baltischen Staaten bis über das östliche Polen reichte und dort in eine Warmfront des mittlerweile vor der ligurischen Küste befindlichen Tiefs REGULA überging. Gebietsweise war der Temperaturrückgang in Mittel- und Osteuropa mit Durchgang der Kaltfront deutlich spürbar. So stieg die Temperatur an diesem Tag in der polnischen Hauptstadt Warschau nur noch auf 13°C, wo die Höchsttemperatur am Vortag noch bei 20°C gelegen hatte.

Am 17. Oktober hatte das Tiefdruckgebiet QUENDOLINE polare Regionen erreicht und befand sich mit zwei Kernen von jeweils etwas unter 1000 hPa Luftdruck über der nördlichen Kola-Halbinsel bei Murmansk sowie zwischen dem Nordkap und der Inselgruppe Spitzbergen. Von den beiden Tiefdruckzentren gingen jeweils Okklusionsfronten in östlicher bis südöstlicher Richtung aus. Dabei reichte die südlichere Okklusionsfront bis knapp nördlich der Stadt Archangelsk, wo am Okklusionspunkt eine bis zum zentralen Ural reichende Warmfront und eine bis über die Region zwischen Archangelsk und Moskau verlaufende Kaltfront zusammentrafen.

Am 18. Oktober war das Tiefdruckgebiet QUENDOLINE mit einem Kerndruck von knapp 1000 hPa über dem Seegebiet zwischen Nowaja Semlja und Spitzbergen zum letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen. Vom Tiefdruckzentrum verlief eine Okklusionsfront in östlicher Richtung bis zum Okklusionspunkt nördlich der Stadt Workuta in der nordrussischen autonomen Republik Komi. Von dort aus verliefen eine Warmfront nach Westsibirien und eine Kaltfront bis zum nördlichen Ural, wo sie Anschluss zu einer Warmfront hatte, die zu dem über dem Weißen Meer angelangten Tief REGULA hatte, das anschließend zum steuernden Tiefdruckgebiet über dem äußersten Nordosten Europas wurde.


Geschrieben am 31.12.2012 von Heiko Wiese

Berliner Wetterkarte: 15.10.2012

Pate: Thomas Zenkel