Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet QUENTIN

(getauft am 04.12.2019)

 

Die Vergabe von Namen an Hoch- und Tiefdruckgebiete wird von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte nur für Druckgebilde durchgeführt, die einen Einfluss auf die Großwetterlage in Europa haben. Am 04.12.2019 befand sich ein noch unbenanntes Tiefdruckgebiet mit einem Frontensystem über der kanadischen Prinz-Edward-Insel. Der Wirbel lag somit direkt in der starken Westwinddrift, welche auf der der 500-hPa-Karte anhand der engen Abstände der Isobaren ersichtlich war. Deshalb wurde prognostiziert, dass sich das Tiefdruckgebiet schnell nach Osten und somit nach Europa verlagern würde. Aufgrund dieser Annahme wurde die Zyklone auf der Vorhersagekarte vom 04.12.2019 für den Folgetag auf den Namen QUENTIN getauft.

 

Die Zyklone QUENTIN wurde erstmals auf einer Analysekarte am 05.12. um 01 Uhr MEZ erwähnt. Dort war das Tief QUENTIN 1000 km nordöstlich von Neufundland verortet. Diese Region rund um Neufundland ist oftmals typisch für die Verstärkung von Zyklonen. Der Wirbel hatte einen Kerndruck von unter 980 hPa, was bereits ein relativ niedriger Druck für eine Tiefdruckzone ist. Schließlich beträgt der mittlere Druck auf Meeresniveau 1013 hPa. Das Entwicklungsstadium war bereits weit fortgeschritten, sodass das Frontensystem aus einer Okklusion, einer Kalt- und einer Warmfront bestand. Bei der Okklusion handelt es sich um eine Mischfront, welche durch den Zusammenschluss von Warm- und Kaltfront entsteht und Eigenschaften beider Typen in sich vereint. Warm- und Kaltfront bezeichnen hier die Grenze zwischen zwei unterschiedlich temperierten Luftmassen. Die Okklusionsfront erstreckte sich vom Tiefdruckzentrum ca. 1500 km nach Nordosten bis zum Okklusionspunkt, welcher die Front in eine Warm- und Kaltfront aufspaltete. Die Warmfront war nach Südosten ausgerichtet und endete 1500 km südwestlich von Irland. Die Kaltfront war nach Südwesten ausgerichtet und verblieb über dem Atlantischen Ozean. Am Nachmittag erreichte die Warmfront die Britischen Inseln. Anschließend folgten am Abend die ersten Ausläufer der Kaltfront. Die Fronten verursachten besonders in Schottland und an den Westküsten des Vereinigten Königreichs diverse signifikante Wetterzustände. In Aultbea, einem Ort im Nordwesten Schottlands, wurde eine Niederschlagsmenge von 36 l/m² innerhalb von 24 Stunden registriert. Des Weiteren meldete die Station Capel Curig eine Niederschlagssumme von 32,2 l/m². Allerdings waren die Niederschlagsmengen lokal stark unterschiedlich und nahmen zum Landinneren stetig ab. Zusätzlich entwickelte sich das Tief QUENTIN zu einem Sturmtief, wodurch an einigen exponiert gelegenen Stationen zahlreiche Orkanböen gemessen wurden. Die stärkste Windböe wurde um 8 Uhr MEZ mit einer Windgeschwindigkeit von 168,5 km/h am Cairngorm registriert. Diese Werte sind bei einem Frontendurchgang allerdings nicht ungewöhnlich. Der Windrekord für diese Messstation liegt übrigens bei beachtlichen 278 km/h, sie ist damit einer der Spitzenreiter in Europa. Aber auch an anderen Stationen wie Aonach Mòr und Cairnwell wehte der Wind mit Orkanstärke. Hier erreichte der Wind bis zu 135 km/h auf dem Aonach Mòr auf 1100 Metern und bis zu 128 km/h in Cairnwell. In der Nacht zum 06.12. frischte der Wind auch an der Nordseeküste auf, sodass vielerorts Sturmböen der Stärke 8 bis 9 auftraten.

 

Bis zum nächsten Tag, dem 06.12., hatte sich innerhalb der Warmfront eine schwache Wellenstörung entwickelt, woraus sich ein zweites Tiefdruckzentrum bildete. Die verschiedenen Kernzentren werden mittels römischer Ziffern eindeutig benannt und identifiziert. Der erste Kern war 1000 km südlich von Island verortet und lag direkt innerhalb der Okklusionsfront. Der zweite Kern erstreckte sich über Dänemark mit einem Kerndruck von unter 1000 hPa. Die Kaltfront zog am Vormittag schnell über die Britischen Inseln hinweg, weshalb nur geringe Niederschlagssummen gemessen wurden. Lediglich in dem schottischen Ort Altnaharra wurde eine zweistellige Niederschlagsmenge von 14,6 l/m² registriert.  Der Wind schwächte sich ebenfalls ab und wehte nur noch auf dem Cairngorm mit orkanartigen Böen um 115 km/h. Im Tagesverlauf war besonders Deutschland von der Warmfront und dem anschließendem Warmsektor geprägt, welcher durch advektive Niederschläge gekennzeichnet war. Dadurch wurde bundesweit etwas Niederschlag gemessen. Die Höchstwerte lagen dabei in den Mittelgebirgen Nordrhein-Westfalens und Hessens. In Heiligenhaus-Abtsküche betrug die 24-stündige Niederschlagssumme 30,1 l/m². Aber auch in Berlin-Dahlem regnete es zweitweise insgesamt 6,4 l/m². Zusätzlich wehte der Wind am Brocken im Harz mit bis zu 113 km/h um 17 Uhr MEZ. Auf der höchsten Erhebung des Riesengebirges, der Schneekoppe mit 1600 Metern, erreichte der Wind in der zweiten Nachthälfte zum 07.12. bis zu 165 km/h. Zudem erwärmte sich die Höchsttemperatur an vielen Stationen um einige Kelvin aufgrund der milden Luftströmung von Westen. In Luxemburg, an der Grenze zu Deutschland in Schengen, erhöhte sich die Maximaltemperatur im Vergleich zum Vortag um 6 Kelvin von -1°C auf +5°C.

 

Am folgenden Tag hatte sich das östliche Tiefdruckzentrum QUENTIN II aufgelöst. Das verbleibende Zentrum befand sich nördlich von Dänemark mit einem Druck von unter 990 hPa. Allerdings fehlte dem Frontsystem die nötige absolute Feuchte, weshalb die Niederschlagsmengen nur noch gering ausfielen. Lediglich an der Station Pec pod Sněžkou im Riesengebirge wurde eine Niederschlagssumme von 25,1 l/m² in Form von advektivem Regen, Schneeregen und Schnee gemessen. Die Schneefallgrenze lag in der Nacht bei 600 Metern und stieg im Tagesverlauf auf über 1000 Meter an, wodurch der Niederschlag in verschiedenen Aggregatszuständen vorkam. In Nordostdeutschland regnete es auch zeitweise, wobei die Temperatur zeitgleich fast die 10°C-Grenze erreichte. In Berlin-Dahlem stieg die Höchsttemperatur auf milde 9,5°C an, was deutlich über dem Temperaturmittel für Anfang Dezember liegt.

 

In den folgenden Tagen verlagerte sich der Wirbel QUENTIN über den Südosten Finnlands bis zum Barentssee. Aufgrund der weiterhin fehlenden Feuchtigkeit waren die Niederschlagsmengen weiterhin vergleichsweise niedrig. Trotzdem meldete die in Nordwestrussland verortete Station Onega 12,2 l/m² für den 08.12.2019. Des Weiteren wurden in Pudosch ebenfalls 10,8 l/m² gemessen. Allerdings ging mit dem Frontdurchgang eine markante Erwärmung von Westsibirien einher. Innerhalb von 48 Stunden stieg die Temperatur am Unterlauf des Ob von -30°C auf Werte über dem Gefrierpunkt. Allerdings hatte das Tief QUENTIN ab dem 10.12. keinen Einfluss mehr auf das Wetter in Europa.