Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet QUENTIN
(getauft am 18.04.2017)
Im Laufe des 18.04.2017 verlagerte sich
ein kleinräumiger Wirbel von Neufundland aus nach Nordosten in Richtung des
Seegebietes zwischen Grönland und Island, welches auch als Dänemarkstraße
bezeichnet wird. Über der Südostküste Grönlands befand sich dabei ein weiteres
Tiefdruckgebiet, welches mit einem Höhenwirbel in ca. 5,5 km Höhe
korrespondierte. Die heranziehende Zyklone vereinigte sich bis zum Abend mit
dem Bodentief, wodurch ein Tiefdruckgebiet entstand, welches aufgrund seines
vorhergesagten Einflusses auf das Wettergeschehen Mitteleuropas in der Prognose
für den Folgetag auf den Namen QUENTIN getauft wurde.
Der Wirbel QUENTIN wurde am 19.04. um
01 Uhr MEZ mit einem Kerndruck von knapp unter 1000 hPa über der
Dänemarkstraße, etwa 100 km vor der Südostküste Grönlands analysiert. Vom
Zentrum des Tiefs ging zu diesem Zeitpunkt eine Okklusion, d.h. eine Mischfront
aus Warm- und Kaltfront, bogenförmig nach Osten aus, die sich am sogenannten
Okklusionspunkt, also dem Ort, an welchem die Warmfront von der schneller
ziehenden Kaltfront eingeholt wird, aufspaltete. Vom Okklusionspunkt führte
eine Warmfront nach Südosten bis sie rund 600 km südlich von Reykjavik über dem
Nordatlantik endete. Des Weiteren reichte eine Kaltfront ebenfalls vom
Okklusionspunkt nach Südwesten, wobei sie sich etwa auf Breite von Prag über
dem Nordatlantik mit der Warmfront eines weiteren, kleinräumigen Tiefs verband.
Mit dem Durchzug der Fronten über Island stand Niederschlag in Form von Regen
in Verbindung, welcher innerhalb von 15 Stunden bis 10 Uhr MEZ für 8 l/m² in
Reykjavik, 10 l/m² am Flugplatz von Keflavik und 11 l/m² in Gufuskalar sorgte.
Mit der Warmfront wurden außerdem subtropische Luftmassen herangeführt, die zu
einem Anstieg der Höchsttemperaturen führte. So wurden beispielsweise an der
Station Skjaldthingsstadir mit einem Maximum von 12,4°C insgesamt 5,2 Grad mehr
als tags zuvor registriert. Bis zum Abend dehnte sich die Warmfront auch auf
die Britischen Inseln aus. Auch dort konnte ein Anstieg der Temperatur
beobachtet werden, welcher mit 2 bis 4 Grad in Schottland am kräftigsten
ausfiel. Des Weiteren fielen 12-stündig bis 19 Uhr MEZ örtlich um 1 l/m², an
der irischen Station Oak Park, Carlow wurden 3 l/m² gemessen.
Bis zum Folgetag zog Tief QUENTIN
weiter nach Nordosten bis nahe der Insel Jan Mayen. Mit einem Kerndruck von
etwa 995 hPa um 01 Uhr MEZ verstärkte sich die Zyklone im Vergleich zum Vortag.
Das Frontensystem bestand zu diesem Zeitpunkt aus einer nach Südosten über das
Europäische Nordmeer reichenden Okklusion, die sich auf Breite von Reykjavik
und ca. 300 km westlich der norwegischen Küste bei Trondheim in eine Warm- und
eine Kaltfront aufspaltete. Die Warmfront führte über die Nordsee bis Mittelengland
im Bereich des Hochdruckgebiets QUERIDA, während die Kaltfront ihr mit
südwestlichem Verlauf folgte und sich südlich der Färöer-Inseln bis weit über
den Nordatlantik erstreckte. Aufgrund des Hochdruckeinflusses fielen die
Niederschlagssummen in Großbritannien nur gering aus und konzentrierten sich
mit Mengen von maximal 2 l/m² auf Mittelengland, Wales, Teile Schottlands und
die Shetland-Inseln. Dennoch wurden mit der Warmfront gemäßigte Luftmassen
herantransportiert, welche die vorherrschende kühlere Polar- und Arktikluft
verdrängten, wodurch es im Zusammenspiel mit dem Hoch QUERIDA vor allem an der
Ostküste Englands und Schottlands zu Temperaturanstiegen zwischen 2 und 6 Grad
im Vergleich zum Vortag kam. Auch in Teilen Frankreichs, den Benelux-Staaten
und Deutschland wurden im Tagesverlauf Anstiege der Tageshöchstwerte von 2 bis
4 Grad beobachtet. Die Ausläufer des Wirbels QUENTIN erreichten an diesem Tag
bereits Skandinavien und verlagerten somit den Niederschlagsschwerpunkt in
diesen Bereich. Vor allem an den Skanden traten kräftige Stauniederschläge auf,
die in Norwegen bis 07 Uhr MEZ in 12 Stunden zu 19 l/m² in Orland, 21 l/m² in
Afjord und 28 l/m² auf der Inselgemeinde Vega führten. Bis zum Abend zogen die
Tiefausläufer weiter über Skandinavien hinweg und auch das Tiefdruckzentrum
näherte sich der norwegischen Küste. Dadurch konnten bis 19 Uhr MEZ nochmals 22
l/m² in Bergen, 23 l/m² in Fossmark, 24 l/m² in Nedre Vats und 35 l/m² in
Liarvatn gemessen werden. Im schwedischen Korsvattnet wurden währenddessen noch
7 l/m² verzeichnet. Hinzu frischte der Wind stark auf und erreichte auf den
Bergen Orkanstärke und auch in niedrigeren Lagen noch Stärke 7 bis 8 auf der
Beaufortskala. So wurde an der norwegischen Station Somna-Kvaloyfjellet eine
Spitzenböe von 154,9 km/h aufgezeichnet, vom schwedischen Stekkenjokk wurden
maximale 140,5 km/h gemessen.
Das Orkantief QUENTIN wurde um 01 Uhr
MEZ am 21.04. mit seinem Zentrum und einem weiter vertieften Kerndruck von 980
hPa knapp westlich der Lofoten analysiert. Die zugehörige Okklusion führte nun
über Nordnorwegen und Finnland bis über die nördliche Ostsee südöstlich von
Stockholm. Die sich anschließende Warmfront verlief nach Südwesten über
Südschweden, Schleswig-Holstein und die Niederlande bis zum Ärmelkanal, während
sich die Kaltfront nach Westen erstreckte und dabei Südnorwegen und
Nordschottland überquerte. Besonders in Norwegen setzten im Bereich hinter der
Kaltfront Schauer ein, wodurch in Laksfors sowie in Storforshei je 19 l/m²
innerhalb von 12 Stunden bis 07 Uhr MEZ registriert wurden. Auch in Finnland
setzte nun Niederschlag ein, jedoch wurden im selben Zeitraum wie zuvor
lediglich 6 l/m² am See Pesiöjärvi gemessen. Im Tagesverlauf zogen die
Ausläufer weiter gen Osten und überquerten dabei auch Deutschland, wobei die
Niederschlagsmengen meist unter 1 l/m² blieben. Der Wind frischte aber vor
allem im Norden des Landes auf und erreichte an einigen Stationen mitunter
Sturmstärke, wie in Glücksburg, wo eine Spitzenböe von 82,9 km/h registriert
wurde. In Norwegen und auch in den höheren Lagen Schwedens hielten die
Orkanböen derweil weiter an. Gleichzeitig wurden 12-stündig bis 19 Uhr MEZ in
Bulken 12 l/m², in Fossmark 17 l/m² und in Rodalsfjellet 27 l/m² Niederschlag
gemessen.
Um 01 Uhr MEZ des Folgetages befand
sich das Orkantief QUENTIN zentral über Finnland mit einem Kerndruck von rund
990 hPa. Vom Zentrum führte die Okklusion in einem Bogen nach Südosten über das
Weiße Meer und Nordwestrussland bis knapp nördlich von Moskau, wo sich eine
Warmfront dem Verlauf anschloss und über Kiew bis zu den Nordkarpaten verlief.
Des Weiteren entwickelte sich entlang der Kaltfront bis zum Nachttermin ein
weiteres Tiefdruckzentrum über dem Baltikum aus, welches in der Folge die
Steuerung des Systems QUENTIN übernehmen sollte. Dessen Kerndruck betrug etwa
994 hPa, wobei das Zentrum über dem Südosten Estlands analysiert wurde. Von
diesem reichte eine kurze Warmfront nach Osten bis zur Okklusion bei Moskau.
Außerdem erstreckte sich eine Kaltfront bogenförmig nach Westen mit Verlauf
über Litauen, Polen, Deutschland, die Niederlande, Nordengland und Irland bis
weit hinaus über den Nordatlantik. Mit dem Durchzug der Kaltfront sanken die
Höchsttemperaturen vor allem in Zentraleuropa ab. Während in Deutschland am Tag
zuvor noch vielerorts 13 bis 16°C registriert wurden, konnten nun nur noch
maximal 9 bis 11°C verzeichnet werden. Über dem Süden Norwegens und Schwedens
kam es bereits in der vorangegangenen Nacht entlang einer Konvergenzlinie, an
welcher verstärkt Hebung von Luftmassen auftritt, zu Schnee- und Regenschauern,
welche bis 07 Uhr MEZ für 12-stündige Niederschlagsmengen von 11 l/m² in
Lakatrask, 14 l/m² in Innerdalen, 15 l/m² in Katsoy, 17 l/m² in Tromsö und 18
l/m² in Rodalsfjellet sorgten. Während in Deutschland im gleichen Zeitraum in
der Nordhälfte des Landes verbreitet Regen mit maximalen Mengen von 4 l/m² in
Carlsfeld und 7 l/m² auf dem Brocken auftrat, konnten weiter östlich 8 l/m² in
Wilna, 9 l/m² im polnischen Suwalki und 12 l/m² in Kaliningrad gemessen werden.
Das Frontensystem verlagerte sich bis zum Abend nur langsam weiter nach Osten
bzw. im Fall der Kaltfront nach Südosten. Dabei fielen in 12 Stunden nochmals 5
l/m² auf dem Fichtelberg, 6 l/m² in Carlsfeld, je 8 l/m² auf dem Chopok in der
Niederen Tatra sowie im estnischen Tartu-Toravere, 14 l/m² an der russischen
Station Staraja Russa und 20 l/m² in Innerdalen. In Norwegen schwächte sich der
Wind im Tagesverlauf zwar etwas ab, jedoch hielten die stürmischen Böen in den
niederen Lagen weiter an und auch auf den Bergen wurden weiterhin schwere
Sturmböen, an der Station Rotvaer sogar Orkanböen von bis zu 129,7 km/h
erreicht.
Das Tief QUENTIN befand sich am 23.04.
zum Nachttermin mit seinem Zentrum über dem Süden der russischen Oblast
Wologda. Der Kerndruck betrug dabei ca. 990 hPa. Von dort verlief die Okklusion
nach Süden bis etwa 500 km südöstlich von Moskau, wo sich der Okklusionspunkt
befand. An diesem anschließend führten einerseits eine Warmfront bis zum
Asowschen Meer und andererseits eine Kaltfront südlich an Kiew vorbei nach
Südwesten, wobei sie Budapest, die Alpenregion, Zentralfrankreich, Cornwall und
Irland überquerte und schließlich in die Warmfront des südlich von Island
befindlichen Wirbels REINER überging. Bis zum Morgen wurden entlang der
Kaltfront 12-stündlich bis 07 Uhr MEZ 7 l/m² in Obertauern bei Schladming, 9
l/m² in Chieming, 12 l/m² im russischen Krestzy und 17 l/m² auf dem Chopok in
der Slowakei registriert. Die Kaltfront zog im Tagesverlauf rasch nach Südosten
in Richtung des Schwarzen Meeres, Griechenlands und des Nordwestens der Türkei.
Dabei wurden in einem Beobachtungszeitraum von abermals 12 Stunden im
serbischen Valjevo 7 l/m², an den rumänischen Stationen Deva und Ocna Sugatag
jeweils 8 l/m² und auf dem Lomnicky Stit in der Hohen Tatra 12 l/m²
Niederschlag verzeichnet, welcher in hohen Lagen auch als Schnee auftrat. Die
höchsten Niederschlagssummen konnten jedoch auf der Krim vermeldet werden. Dort
fielen 22 l/m² in Simferopol und 28 l/m² in Kertsch. Auch in Mariupol in der
Oblast Donezk an der Nordküste des Asowschen Meeres wurden 22 l/m² gemessen.
In der Folgezeit schwächte sich das
Tief QUENTIN zusehends ab und wies am 24.04. um 01 Uhr MEZ mit Lage westlich
des zentralen Uralgebirges nur noch einen Kerndruck von etwa 1001 hPa auf. Das
zugehörige Frontensystem beschränkte sich nun auf jeweils eine Okklusion,
welche sich vom Kern südwestlich und nordöstlich erstreckten und dabei
ausschließlich den Norden Russlands und Teile Westsibiriens beeinflussten. Die
weitreichende Kaltfront des Vortages verblieb derweil bis zum Folgetag über
Südwesteuropa, der Ukraine und Teilen Russlands bestehen und löste sich bis zum
Folgetag auf bzw. wurde von einem anderen Tief über Südrussland aufgenommen.
Zuvor sorgte die Kaltfront in der nordwestlichen Türkei nochmals für
nennenswerte Niederschlagsmengen von 8 l/m² in Kumköy nördlich von Istanbul und
10 l/m² an der Station Cengiz Topel.
Im Bereich schwacher
Luftdruckgegensätze über Nordrussland schwächte sich das Tief QUENTIN weiter ab
und wurde folgend in die Zirkulation eines unbenannten und von Süden
heranziehenden Wirbels westlich des Südurals aufgenommen, wodurch es am
Folgetag nicht mehr namentlich auf der Berliner Wetterkarte verzeichnet werden
konnte.
Geschrieben am 04.07.2017 von Sebastian
Wölk
Berliner Wetterkarte: 20.04.2017
Pate: Alessandra Canosa