Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet  QUIANA

(getauft am 17.02.2012)

                                  

Am 15. Februar lag ein Tief über der nördlichen Labradorsee, welches in den nächsten beiden Tagen mit der Höhenströmung in ca. 5,5 km Höhe entlang der grönländischen Südküste zog. Dieser Wirbel befand sich schließlich am 17. Februar über der Dänemarkstraße, der Meerenge zwischen Grönland und Island und wurde am selben Tag auf den Namen QUIANA getauft.

Zum Zeitpunkt der Taufe betrug der Kerndruck ca. 985 hPa und das Frontensystem des Wirbels QUIANA umfasste dabei eine Kaltfront und eine Okklusionsfront, also eine Mischform aus Warm- und Kaltfront. Die Okklusion reichte vom Kern ausgehend bogenförmig in östliche Richtung  über die Nordwest- und Südspitze Islands und über den Atlantik bis ca. 100 km südlich der Insel. Dort schloss die Kaltfront an und reichte ebenfalls in Bogenform bis über den nordwestlichen Atlantikbereich, etwa 1000 km südlich der grönländischen Südspitze. Aufgrund der Hebungsprozesse an den Luftmassengrenzen kam es an diesen verbreitet zu schauerartigen Niederschlägen, die vor allem Island betrafen. So fielen z.B. in der Stadt Akureyri 6 l/m² innerhalb von 9 Stunden, in Skjaldthingsstadir waren es 5 l/m² im gleichen Zeitraum. Außerdem strömte auf der Rückseite des Frontensystems kühle, nordatlantische Luft über Island, sodass die Temperaturen in der Folgenacht deutlich unter dem Gefrierpunkt lagen, beispielsweise fiel das Quecksilber in der Stadt Akurnes auf -6°C.

Im Tagesverlauf verlagerte sich die Zyklone ostwärts und erreichte am frühen Morgen des 18. Februar mit einem Kerndruck von knapp unter
985 hPa das europäische Nordmeer, mittig auf der Strecke zwischen der norwegischen Stadt Trondheim und Island. Eine rücklaufende Okklusionfront des Systems erstreckte sich vom Kern ausgehend nach Westen parallel zur isländischen Südküste bis etwa 500 km südwestlich der Stadt Reykjavik. Ebenfalls vom Kern ausgehend erstreckte sich eine weitere Okklusionsfront in zunächst nordöstliche Richtung bis kurz vor die mittelnorwegische Westküste und beschrieb anschließend einen Bogen nach Süden bis zur norwegischen Stadt Bergen. Dort befand sich der sogenannte Okklusionspunkt, an dem die rascher ziehende Kaltfront die langsamere Warmfront einholte. Die Warmfront erstreckte sich von dort aus bis über das Alpenvorland, die Kaltfront hingegen zog sich über die schottischen Highlands und die irische Nordküste bis über den mittleren Nordatlantik, südlich des Hochs EITEL. Aufgrund des Umfangs des Frontensystems beeinflusste die Zyklone große Teile Nord- und Mitteleuropas. Auf Großbritanniens Insel Isle of Man sorgte z.B. die Kaltfront für eine Niederschlagsmenge von 7 l/m² innerhalb von 24 Stunden bis zum Folgetag, in Keswick sogar 13 l/m² innerhalb von lediglich 12 Stunden. Mit der Kaltfrontpassage kam es außerdem zu kräftigen Böen, wie in Aberporth mit bis zu 78 km/h oder auf der schottischen Insel Tiree mit maximal 87 km/h. In Frankreich fiel an der Kaltfront ebenfalls verbreitet Regen. In Nantes und Lille brachte die Kaltfront innerhalb von 24 Stunden 6 l/m² und in Paris noch 3 l/m². Besonders aber in Deutschland wurden an der Okklusionsfront, wie z.B. in Schmücke mit 15 l/m², vereinzelt relativ hohe Mengen gemessen. Auch in der Umgebung des Okklusionspunktes kamen höhere Summen zusammen, wie im norwegischen Alesund, wo 13 l/m² innerhalb desselben Zeitraums registriert wurden.

Das Tiefzentrum zog in Richtung Nordosten weiter und befand sich am frühen Morgen des 19. Februar mit einem Kerndruck von etwa 980 hPa knapp westlich des Nordkaps. Die Okklusionsfront der Zyklone reichte dabei in einer Wellenform vom Kern ausgehend über Norwegen und Mittelschweden bis Stockholm, wo sich der Okklusionspunkt befand. Ab dieser Stelle reichte die anschließende Warmfront in süd- bis südwestlicher Richtung über die Ostsee und Berlin bis über den westlichen Alpenbogen. Kurz hinter der Warmfront reichte die Kaltfront des Systems nahezu parallel zur Warmfront über Kopenhagen, Hamburg, Köln und das französische Zentralmassiv bis über den zwischen den Azoren und Irland gelegenen Bereich des Atlantiks. Insbesondere südlich des Okklusionspunktes, also über Deutschland und Polen, fiel der meiste Niederschlag. Da an den vorherigen Tagen beständig relativ milde Meeresluft vom Atlantik herangeführt wurde, fiel dieser in meist flüssiger Form. Innerhalb von 24 Stunden fielen somit 8 l/m² im bayrischen Zwiesel sowie auf dem großen Arber. Der Brocken registrierte mit 11 l/m² eine etwas höhere Menge. Mit bis zu 9 l/m² in Suwalki im Nordosten Polens oder 10 l/m² im lettischen Kaunas kamen in diesen Regionen ähnliche Mengen zusammen. Im Bereich der Kaltfront über Westeuropa sorgten Schauer vereinzelt für ergiebige Menge, wie z.B. im spanischen Bilbao. Dort fielen 17 l/m² innerhalb von 12 Stunden. In Südfrankreich verursachte die kräftige Nordströmung hinter der Kaltfront den berüchtigten Mistralwind im Rhônetal. In Avignon beispielsweise erreichten die Böen 81 km/h.

Aufrgund des ausgeprägten Hochs DIETER über Russland wurde ein deutliches Vorankommen des Wirbels erschwert und die Zyklone QUIANA begann sich im Tagesverlauf allmählich abzuschwächen. Dabei verlagerte sie sich über Nordnorwegen hinweg und erreichte am Morgen des 20. Februar mit einem Kerndruck von ca. 995 hPa das Nordende des Bottnischen Meerbusens. Trotz der Abschwächungstendenz erstreckte sich das Frontensystem der Zyklone über weite Teile Europas. So reichte die Okklusionsfront vom Kern in südlicher Richtung über Helsinki, Tallin, Polen und Weißrussland hinweg bis zur ungarischen Stadt Budapest, wo sie sich in eine Warm- und Kaltfront teilte. Ausgehend vom dortigen Okklusionspunkt reichte die Warmfront südwärts über den Balkan bis zum Südende des italienischen Stiefels. Mit einer sehr kurzen Ausdehnung reichte die Kaltfront dahinter bis Kroatien.

Vor allem über Ost- und Nordosteuropa war relativ kühle Kontinentalluft vorherrschend, sodass dort die Okklusionsfront in ihrem Einflussbereich zunächst Schneefälle verursachte, welche jedoch rasch in Regen übergingen. Verbreitet fielen 1 bis 2 l/m², vereinzelt auch etwas mehr, wie z.B. im russischen Smolensk mit 5 l/m² oder im weißrussischen Vitebsk mit 4 l/m² innerhalb von 24 Stunden. Im südlichen Bereich des Frontensystems wurden ähnliche Mengen registriert, wie im rumänischen Iasi mit 3 l/m².

Das Frontensystem konnte sich im Tagesverlauf zwar weiter ostwärts verlagern, allerdings füllte sich das Tief zunehmend auf, sodass es am nächsten Tag nicht mehr namentlich auf der Berliner Wetterkarte analysiert werden konnte.

 


Geschrieben am 01.04.2012 von Alexander Bütow

Berliner Wetterkarte: 18.02.2012

Pate: Andreas Saller