Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet QUILA

(getauft am 08.09.2016)

 

Das Wetter wird in Mitteleuropa hauptsächlich von Hochdruckgebieten und den Fronten von Tiefdruckgebieten bestimmt. Diese wiederum entwickeln sich aufgrund der großskaligen Dynamik in höheren Atmosphärenschichten, insbesondere der mittleren Troposphäre in etwa 5,5 km über dem Meeresspiegel. Dort sind sogenannte Tröge zu finden, wenn kalte Luft vom Pol weit nach Süden transportiert wird. Der Gegensatz zu Trögen sind Keile, die die Strömung von warmer Luft nach Norden bezeichnen.

Am 8. September 2016 war die Großwetterlage in Europa geprägt durch einen kurzwelligen Keil mit Achse von der Nordsee bis zum Alpenraum und einen ausgeprägten Trog über dem Nordwestatlantik. Auf der Südseite dieses Troges war die Westwindströmung recht kräftig und am Boden unterhalb des Troges war außerdem ein ausgeprägtes Tiefdruckgebiet vorhanden, welches diese Strömung bis in die untere Troposphäre durchsetzte. So wurde ein Tiefdruckgebiet, welches sich bei Neufundland gebildet hatte, schnell mit der Strömung über den Nordatlantik transportiert und nahm damit Einfluss auf das Wetter in Europa. Aus diesem Grund fand am Morgen des 8. September in der Analyse eine Taufe des neuen Tiefdruckgebietes auf den Namen QUILA statt. In der Bodenanalyse der Berliner Wetterkarte wurde der Kern des Tiefs QUILA kurz nach der Entstehung um 02 Uhr MESZ mit einem Druck von etwa 1009 hPa rund 200 km nordöstlich von Neufundland analysiert. Im Verlauf des Tages legte das Tief QUILA eine Strecke von ungefähr 2000 km zurück und verstärkte sich dabei auf einen Kerndruck von etwa 990 hPa. Weiterhin bildete es im Zuge der Tiefdruckentwicklung ein typisches Frontensystem bestehend aus Warm- und Kaltfronten aus.

In der Bodenanalyse der Berliner Wetterkarte von 02 Uhr MESZ des 9. September wurde der Tiefdruckkern QUILA knapp 1000 km westlich von Irland verzeichnet. Vom Kern ausgehend wurden drei Fronten analysiert. Die Erste begann als Warmfront, welche sich nach Südosten bis etwa zur Biskaya zog, von dort in eine Kaltfront nach Nordosten über England wechselte und zuletzt als kurze Okklusion über Südschottland endete. Dieser folgte eine zweite, kürzere Warmfront vom Kern in einem leichten Bogen nach Süden und dann nach Südosten über den Nordwestatlantik führend. Zum Dritten zog sich eine ausgeprägte Kaltfront vom Kern des Wirbels QUILA in einem Bogen nach Süden und dann nach Westen, wo sie über Neufundland in die Warmfront eines nachfolgenden Tiefs überging. Der großräumigen Strömung um die Tiefdruckzone über Island folgend, schlug die Zyklone QUILA mit seinem Frontensystem an diesem Tag eine Zugbahn nach Nordosten ein und überquerte dabei Großbritannien. Derweil erreichte die doppelte Warmfront mit leichtem bis mäßigem Regen am Morgen Irland und am Vormittag den Rest der Britischen Inseln. Innerhalb von 12 Stunden bis 08 Uhr MESZ fielen im nordirischen Castlederg 7 mm, in Keswick 5 mm und im walisischen Capel Curig sogar 9 mm. Weiter im Inland von England waren die Niederschläge meist eher schwach ausgeprägt, sodass in Coleshill bei Birmingham nur
0,2 mm und in London nur nicht messbare Mengen an Niederschlag registriert wurden. Im Reifeprozess der Zyklone QUILA drehte sich das Frontensystem immer mehr um den Kern ein, wobei die Kaltfront die Warmfront einholte und dabei die warme Luft anhob. Dadurch entwickelte sich im Tagesverlauf eine Okklusion vom Kern des Tiefs QUILA aus. Am Nachmittag griff nun auch die Kaltfront auf Irland und Großbritannien über. Diese brachte etwas kräftigeren Regen mit sich. Zwischen 08 und 20 Uhr MESZ registrierten die Niederschlagsmessgeräte an den Stationen von Cork und Glasgow jeweils 19 und 16 mm. Da das Tief QUILA und auch dessen Fronten nun immer mehr Richtung Norden zogen, kam die intensive Kaltfront nicht mehr weit nach Osten über den Rest Englands voran. In den folgenden 6 Stunden fielen beispielsweise in Keswick noch 17 mm. In Crosby bei Liverpool waren es dagegen nur 2 mm im selben Zeitraum und an der Ostküste blieb es meist gänzlich trocken.

Um 2 Uhr MESZ des 10. September lag das Tiefdruckgebiet QUILA etwa 300 km nordwestlich von Schottland und hatte sich auf einen Kerndruck von 975 hPa verstärkt, was schon einer recht intensiven Tiefdruckentwicklung entspricht. Damit entsprach diese Zyklogenese an zwei Tagen hintereinander einer sogenannten rapiden Zyklogenese oder Bombogenese vorbei. Man spricht von solch extremen Entwicklungen, falls der Kerndruck in 24 Stunden um etwa 20 hPa fällt. Demzufolge war das Tief QUILA mit unter 975 hPa recht stark ausgeprägt und der östlichere Teil eines Tiefdruckkomplexes mit zwei Kernen westlich und südöstlich von Island. Vom Zentrum der Zyklone QUILA wurde die Okklusion Richtung Osten analysiert, wo sie sich etwa 200 km vor der norwegischen Küste am sogenannten Okklusionspunkt in Warm- und Kaltfront auftrennte. Die kurze Warmfront nach Südosten endete bereits über der Nordsee. Die kräftige Kaltfront zog sich hingegen in einem weiten Bogen nach Süden bis zur Biskaya und dann in Richtung Westen über den Nordatlantik zu nachfolgenden Frontensystemen. Während das Tief QUILA weiter nordwärts zog, kamen die Fronten nach Osten bis Norwegen, zur Nordsee und Nordfrankreich voran. Dabei wurden beispielsweise in Stavanger 11 mm, in Eik Hove 34 mm, in Wittering 17 mm, in London 4 mm und in Brest 22 mm zwischen 08 und 20 Uhr MESZ gemessen. Auch Island wurde von der Okklusion mit teilweise starkem Regen überquert, was in Siglufjordur zu einer 12-stündige Niederschlagsmenge von 78 mm führte. Mit der intensiven Tiefdruckentwicklung verstärkte sich auch der Wind, was teilweise in Schottland und Island zu Sturmböen über 80 km/h, also Beaufort Stärke 9 führte. Da der Wirbel jedoch über dem Nordmeer recht isoliert war, wurden kaum andere Landgebiete betroffen. Hinter der Kaltfront gelangte außerdem polare Meeresluft nach Europa. In London sank die Höchsttemperatur im Vergleich zum Vortag von 24,3°C auf 19,3°C, also um 5 Grad.

Zum Nachttermin des 11. September befand sich das Tiefdruckgebiet QUILA mit weiterhin 975 hPa als Kerndruck über dem Nordwesten Islands. Das Frontensystem war vom Kern nach Norden, dann in einem Bogen bis Nordnorwegen okkludiert. Von dort verlief eine Warmfront nach Südosten über Finnland nach Westrussland. Weiterhin ging eine Kaltfront nach Südwesten über die Nordsee bis zur Biskaya aus, welche aufgrund eines Randtiefs an dieser Front teilweise über Südnorwegen rückläufig als Warmfront analysiert wurde. Diese neue Tiefdruckentwicklung übernahm im Tagesverlauf immer mehr die Steuerung des Frontensystems, während sich das Tief QUILA rasch abschwächte. Im Bereich des Okklusionspunktes über Zentralnorwegen kam es noch einmal zu recht kräftigen Niederschlägen. In 6 Stunden bis 14 Uhr MESZ verzeichnete die Station in Majavatn 18 mm. Das übrige Frontensystem war dagegen nur noch schwach aktiv und so wurden im selben Zeitraum entlang der Kaltfront in Aalborg und Brüssel 0,3 mm sowie in Paris 0,4 mm registriert.

Bis 2 Uhr MESZ des 12. September schwächte sich der Wirbel QUILA auf 995 hPa Kerndruck ab. Da es von neuen Kernen abgelöst wurde, hatte es kaum noch Einfluss auf bestehende Frontalzonen. Die Okklusion des Vortages wurde noch einmal über dem Nordmeer analysiert, war jedoch nicht mehr wetterwirksam für Europa. So wurde das Tief QUILA in die Zirkulation des nachfolgenden Tiefs RITA aufgenommen und konnte daher bis zum Folgetag nach etwa 5 Tagen Lebensdauer nicht weiter auf der Berliner Wetterkarte verzeichnet werden.

 


Geschrieben am 20.10.2016 von Jannick Fischer

Berliner Wetterkarte: 10.09.2016

Pate: Hans-Joachim Schneider