Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet QUINN
(getauft am 01.11.2011)
Am 01. November 2011 wurde ein Tiefdruckgebiet, das
sich zuvor analog zu einem Höhentief über Neufundland gebildet hatte, etwa 1000
Kilometer östlich der zu Kanada gehörenden Insel auf den Namen QUINN getauft.
Zu diesem Zeitpunkt lag der Kerndruck bei etwas unter 975 hPa. Vom
Tiefdruckzentrum verlief eine Okklusionsfront, also eine Luftmassengrenze mit
Warm- und Kaltfront-eigenschaften, nach Osten bis zum
Okklusionspunkt ca. 1000 km nördlich der Inselgruppe der Azoren, von dem aus in
jeweils südlicher bzw. südwestlicher Richtung die Warm- und die Kaltfront
ausgingen. Die Warmfront befand sich weiter östlich als die Kaltfront, und im
Tagesverlauf wurden die Azoren von beiden Fronten überquert. Im Gegensatz zur
Warmfront, die der dortigen Wetterstation Lajes auf
der Insel Terceira lediglich dichtere Wolken brachte,
sorgte die nachfolgende Kaltfront für ergiebige Niederschläge. So kamen dort innerhalb
von 24 Stunden bis zum Morgen des nächsten Tages 23 Liter Regen pro
Quadratmeter zusammen. Zuvor war die Temperatur in Lajes
am 01. November im sogenannten Warmluftsektor zwischen der Warmfront und der
Kaltfront auf 23°C gestiegen, ein um 2 Grad höherer Wert als am Vortag.
Bis zum 02. November hatte sich das Tiefdruckgebiet
QUINN weiter nach Osten verlagert und besaß nun zwei Kerne. Das Zentrum QUINN
I, in dem der Kerndruck knapp unter 975 hPa lag, befand sich einige Hundert
Kilometer südwestlich der irischen Küste, während der Kern QUINN II mit einem Kerndruck
von etwas unter 970 hPa etwa 800 km westlich von Irland und damit nördlich vom
ersten Kern lag. Vom Kern QUINN I ausgehend bis zum Zentrum vom Tief QUINN II
und von dort weiter in einem Bogen westlich der Britischen Inseln verlief die
Okklusionsfront bis vor die Nordwestküste der Iberischen Halbinsel. Dort trafen
die bis zur Insel Madeira reichende Warmfront und die weit über den
Nordatlantik nach Westen verlaufende Kaltfront zusammen. Die Okklusionsfront
brachte morgens in Irland, unter anderem in der Hauptstadt Dublin und auf der
Insel Valentia im äußersten Südwesten des Landes,
Regen bzw. Sprühregen, wie an der westirischen Station Shannon. In Valentia fielen bis dahin innerhalb von 24 Stunden 50 l/m²
Regen. Auf Madeira wurden Schauer registriert und hinter der Kaltfront meldete
eine schiffsgebundene Wetterstation nordöstlich der Azoren in der labilen, von
Nordwesten über das verhältnismäßig warme Wasser strömenden, kühlen Luft sogar
Gewitter. Bis zum Morgen des 03. November regnete es sowohl auf den Britischen
Inseln als auch in Spanien und Portugal. So meldete die südenglische Stadt Bournemouth innerhalb von 24 Stunden 15 l/m² Niederschlag,
im südspanischen Malaga waren es 34 l/m² und in der nordportugiesischen Stadt
Porto 37 l/m².
Mittlerweile hatte sich der Kern des Wirbels QUINN
I bis vor die irische Küste verlagert und besaß einen Druck von etwa 970 hPa,
während das Tief QUINN II mit einem Kerndruck von unter 965 hPa einige Hundert
Kilometer südlich von Island lag. Von letzterem Zentrum ging eine
Okklusionsfront bis zur Südküste Islands aus, wo gebietsweise starker Regen
fiel. Von dort reichten eine Warmfront bis zur Ostküste Englands und eine
Kaltfront über die Britischen Inseln und Westfrankreich, sowie die Iberische
Halbinsel bis zu den Kanarischen Inseln und weiter nach Westen auf den
Nordatlantik hinaus. Vom Tief QUINN I ging eine weitere Okklusionsfront etwa
1000 km nach Süden aus. Der Westen und Nordwesten Europas lag somit im Bereich
einer Tiefdruckrinne, die vielerorts Regen brachte. Bis zum Morgen des Folgetages
kamen beispielsweise in London 14 l/m² zusammen, in Brest in der Bretagne waren
es 12 l/m² und in Porto 28 l/m². Unterstützt zusätzlich durch südliche
Anströmung an der Vorderseite des Tiefdruckkomplexes QUINN gab es an der Alpensüdseite
heftige Niederschläge, wie in Mailand mit 232 l/m². Die auf der Nordseite der
Alpen und einiger Mittelgebirge auftretenden Föhneffekte ließen die Temperatur
am 03. November in Oberstdorf in Südbayern auf 19,8°C und in Quedlinburg am
Nordrand des Harzes auf 22°C steigen. Weiterhin sorgte der Föhn für Sturmböen
und beispielsweise auf dem Patscherkofel bei
Innsbruck in Österreich sogar für Orkanböen.
Am 04. November lagen die beiden Tiefdruckkerne
QUINN I und QUINN II südlich von Island. Von ihnen gingen verschiedene Fronten
aus, die für ein kompliziertes Bild auf der Bodendruckkarte sorgten.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass vom Okklusionspunkt bei der Insel
Jan Mayen in der Grönlandsee eine Warmfront über
Nordskandinavien und Finnland bis in die Gegend von St. Petersburg in Russland verlief
und sich zwischen dem Okklusionspunkt und dem westlichen Mittelmeer ein
Frontensystem erstreckte. Die 24-stündigen Niederschlagsmengen einiger Orte im
Einflussbereich des Tiefdruckkomplexes QUINN bis zum Morgen des 05. November
belegen, wie ergiebig der Regen war: Auf Jan Mayen kamen 40 l/m² zusammen, in Locarno
in der Südschweiz 102 l/m² und auch in Marokko machte sich das Tief QUINN mit
Regenmengen zwischen 20 und 40 l/m² deutlich bemerkbar. Im norditalienischen
Genua konnten aufgrund der starken Niederschläge keine genauen Messungen
vorgenommen werden, es wird aber vermutet, dass innerhalb weniger Stunden bis
zu 400 l/m² gefallen sein könnten. Auf der Alpennordseite sorgte der kräftige
Föhn für wiederum sehr mildes Wetter, wie in Oberstdorf mit einer Höchsttemperatur
von 21,5°C.
An diesem Tag gab es einen einzigen Kern des Tiefs
QUINN mit einem Luftdruck etwas unter 970 hPa und einer Position zwischen
Island und Grönland, von dem zwei Okklusionsfronten ausgingen. Die nördlichere
war recht kurz und reichte bis nördlich von Island zum Okklusionspunkt, von dem
aus eine Warmfront entlang der grönländischen Ostküste zu einem arktischen Tief
ohne Namen reichte. Darüber hinaus erstreckte sich vom Okklusionspunkt eine
Kaltfront bis zur Nordsee, wo der Anschluss zur Warmfront des neu entstandenen
Tiefs ROLF über Frankreich bestand. Vom Zentrum des Tiefs QUINN ging eine
weitere, südlichere Okklusionsfront aus, die über Island bis vor die Nordküste
Irlands verlief. Neben Island war es vor allem die Westküste Norwegens, die vom
Wirbel QUINN beeinflusst wurde. Die im Tagesverlauf nach Osten ziehende
Kaltfront brachte an der norwegischen Küste Stauniederschläge, aus denen bis
zum Morgen des 06. November in Bergen 24 l/m² resultierten.
Das Tiefdruckgebiet QUINN hatte sich nun mit seinem
Kern, in dem ein Druck von etwas unter 975 hPa herrschte, nach Nordwesten bis
nach Südostgrönland verlagert. An der Station Angmagssalik,
auch bekannt unter dem Namen Tasiilaq, wurden 2 l/m²
registriert. Im Nordwesten Europas waren einige Fronten und namenlose Tiefs auf
der Bodenwetterkarte zu sehen, die wie das Tief QUINN Teil eines großen
Tiefdruckkomplexes waren.
Am 07. November lag der Wirbel QUINN mit unter 975
hPa bei Jan Mayen. Vom Kern ging eine Okklusionsfront aus, die vor der Küste
Norwegens bis zum Seegebiet zwischen den Faröer-Inseln
und Schottland verlief. Von dort reichte eine Warmfront bis nach Madeira und
eine Kaltfront folgte knapp westlich, die allerdings nur wenige Hundert
Kilometer lang war und dann in die Warmfront eines nachfolgenden Tiefs
überging. Größere Niederschlagsmengen gab es vor allem auf Spitzbergen mit 7
l/m² innerhalb von 24 Stunden bis zum Morgen des 08. November sowie an der
Wetterstation Thorshavn auf den Faröer-Inseln
mit 11 l/m² im gleichen Zeitraum. Mittlerweile befand sich der Kern des Tiefs
QUINN knapp östlich von Spitzbergen. Auf der Rückseite, westlich des
Tiefdruckkerns, setzte zwischen Spitzbergen und Grönland teils kräftiger, aber
aufgrund der geringen Dichte an Wetterstationen nicht näher quantifizierter
Schneefall ein. Die Niederschläge auf der Vorderseite des Tiefs QUINN im
Bereich einer vom Tiefdruckzentrum zum Weißen Meer reichenden Okklusionsfront
fielen teils als Regen und brachten Mengen im einstelligen Bereich, wie in
Murmansk mit 3 l/m².
Am 09. November waren es erneut zwei
Tiefdruckkerne, die mit dem Namen QUINN bezeichnet wurden. Der Kern QUINN I lag
mit einem Kerndruck von 995 hPa über der Doppelinsel Nowaja
Semlja, und der Wirbel QUINN II befand sich mit einem
Kerndruck von etwas unter 995 hPa im Bereich der autonomen Republik Tatarstan
an der Wolga. Das Teiltief QUINN II brachte in seinem Zentrum teils kräftigen
Regen, während weiter westlich auf der Rückseite des Tiefs durch Zufuhr kalter
Luftmassen mitunter ergiebiger Schneefall beobachtet wurde. Die Station Uljanowsk, die sogar noch südwestlich von Tatarstan liegt
meldete bereits früh morgens 16 cm Neuschnee.
Am nächsten Tag wurde wieder ein einzelnes
Tiefdruckzentrum als QUINN bezeichnet. Es lag nördlich von Wolgograd und hatte
einen Kerndruck von etwas unter 1005 hPa. Im Einflussbereich des Tiefs QUINN führte
die aus Norden herantransportierte kalte Luft dazu, dass die Niederschläge als
Schnee fielen. Beispielsweise betrug die Schneedecke in Wolgograd morgens 7 cm.
Am 11. November hatte sich die Position des Kerns
des Tiefdruckgebietes QUINN bei Wolgograd kaum verändert. Es kam nach einer,
besonders im südlichen Teil des europäischen Russlands, frostigen Nacht im
Bereich des Tiefdruckkerns weiterhin zu Schneefällen.
Am 12. November war das Tiefdruckgebiet QUINN im
Grenzgebiet zwischen Südrussland und Kasachstan zum letzten Mal als eigenes
Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen.
Geschrieben am 20. 12. 2011 von Heiko Wiese
Berliner Wetterkarte: 04.11.2011
Pate: Andreas Pippig