Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet QUIOLA

(getauft am 18.06.2020)

 

Die Vergabe von Namen an Hoch- und Tiefdruckgebiete wird von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte nur für solche Druckgebilde durchgeführt, welche einen Einfluss auf die Großwetterlage in Europa haben. Am 18.06.2020 befand sich ein Tiefdruckgebiet etwa 400 km nordwestlich von Neufundland mit einer Warmfront, welche sich nach Osten erstreckte. Im Tagesverlauf sollte sich diese Warmfront weiter ausdehnen und gleichzeitig in den Einfluss eines sich verstärkenden Höhenwirbels, also eines Kaltluftvorstoßes nach Süden, geraten, weshalb es zu einer lokalen Wellenstörung des Frontsystems kommen sollte. Aufgrund dessen bildete sich eine neue Tiefdruckzone aus, welche sich im weiteren Verlauf weiter verstärken und sich durch die Westwinddrift nach Osten bis nach Europa fortbewegen sollte. Die starke Ausprägung der Westwinddrift ist anhand des geringen Abstandes zwischen den Isobaren, welche als Linien gleichen Luftdrucks definiert sind, auf der 500-hPa-Karte, also in 5,5 km Höhe, sichtbar. Infolgedessen beschlossen die Meteorologen der Berliner Wetterkarte, dieses Tief auf der Vorhersagekarte vom 18.06 für den 19.06. auf den Namen QUIOLA zu taufen.

 

Auf einer Analysekarte wurde der Wirbel QUIOLA erstmals am 19.06 um 02 Uhr MESZ erwähnt. Dort lag das Tief QUIOLA 1500 km südlich von der Südspitze Grönlands mit einem Kerndruck von unter 1000 hPa. Das Entwicklungsstadium von Tief QUIOLA war bereits fortgeschritten, da sich das Tief in den Anfängen einer Okkludierung befand. Dabei handelt es sich um einen Vorgang, bei dem sich eine Mischfront bildet, welche durch den Zusammenschluss von Warm- und Kaltfront entsteht und die Eigenschaften beider Typen in sich vereint. Warm- und Kaltfront bezeichnen hier die Grenze zwischen zwei unterschiedlich temperierten Luftmassen. Die Okklusion erstreckte sich mit einer Länge von 500 km um das Tiefdruckgebiet QUIOLA nach Südosten bis zum Okklusionspunkt, welcher die Front in eine Warm- und Kaltfront aufspaltete. Von dort verlagerte sich die Warmfront nach Südosten. Die Kaltfront machte einen konvexen Bogen nach Südwesten bis zur nordamerikanischen Küste. An diesem Tag hatte die Zyklone QUIOLA noch keinen Einfluss auf das Wettergeschehen in Europa.

 

Am darauffolgenden Tag war Tief QUIOLA 2000 km westlich von der irischen Hauptstadt Dublin verortet. Der Kerndruck war um 10 hPa auf unter 990 hPa gesunken. Der Okklusionsvorgang schritt weiter voran, sodass die Kaltfront im Tagesverlauf bereits einen Großteil der Warmfront eingeholt hatte. Am Abend erreichten die Ausläufer der Okklusion und ein Teil der Warmfront die Britischen Inseln und die Westküste Frankreichs. Dies führte an der südwestlichen Küste Irlands zu erhöhten Niederschlagssummen. In dem irischen Ort Valentia betrug die 12-stündige Niederschlagsmenge bis zum Abend um 20 Uhr MESZ 40 l/m². In der Nacht griffen die Niederschläge bis nach Großbritannien über, sodass innerhalb 12 Stunden bis zum Morgen des 21.06. in Lake Vyrnwy 20 l/m², in Pembrey Sands 15 l/m² und am irischen Johnstown Castle 19 l/m² gemessen wurden. Zudem frischte im Vorlauf der herannahenden Front der Wind auf und erreichte in Küstennähe verbreitet 8 bis 9 Beaufort und auf den exponierten Erhebungen 11, vereinzelt 12 Beaufort. Auf dem 1300 Meter hohen Cairngorm betrug die Windgeschwindigkeit gegen Mitternacht 122 km/h, was Windstärke 12 Beaufort entspricht. Auf der zweitgrößten Insel der Äußeren Hebriden, South Uist, registrierte die Wetterstation ebenfalls starke Sturmböen bei maximal 100 km/h.

Am 21.06. lag das Tief QUIOLA mit einem Kerndruck von unter 980 hPa 1000 km südwestlich von Island. Der Kerndruck war abermals um 10 hPa gefallen, sodass sich der Tiefdruckeinfluss deutlich ausdehnte. Im Tagesverlauf überquerte die Okklusion zunächst Großbritannien und am Abend Nordfrankreich und Südwestisland. Des Weiteren verkleinerte sich der Warmsektor zunehmend, sodass am Abend das Tief vollständig okkludiert war. Die restliche Mischfront löste aufgrund der orographisch bedingten Hebung an der isländischen Küste und dem Gebirge Islands einige konvektive Regenschauer aus, welche sich mit advektivem Landregen abwechselten. Auf den erhöhten Wetterstationen wie Hágöngur, Setur, Lónakvísl und Laufbali führte dies zu unterschiedlichen Niederschlagscharakteristiken. Die Station Hágöngur war vor allem durch einige Regenschauer zwischen 10 und 14 Uhr MESZ geprägt, wobei auch immer wieder leichter Regen einsetzte. An den anderen drei genannten Stationen war vor allem der advektive und anhaltende Regen wetterbestimmend, wobei dieser zeitweise schauerartig verstärkt wurde. Die Stationen vermerkten Niederschlagsmengen zwischen 17 l/m² in Laufbali und 27 l/m² in Setur innerhalb eines Zeitfensters von 12 Stunden. Am Abend war die Osthälfte Islands betroffen, sodass in der Nacht an der Ostküste bis zu 19,6 l/m² in Fáskrúðsfjörður Ljósaland gemessen wurden. Im Vereinigen Königreich regnete es am Tag insbesondere in der Nordhälfte, wobei die Niederschlagsmengen mit weniger als 10 l/m² geringer ausfielen. In der Nordhälfte Großbritanniens war es meist wolkig bei wiederholtem Regen, weshalb die Sonne in Schottland verbreitet nur 3 bis 4 Stunden schien.

 

Am nachfolgenden Tag verlagerte sich das vollständige okkludierte Tief QUIOLA nach Nordwesten, sodass der Kern 700 km südwestlich vor Island verortet wurde. Über West- und Mitteleuropa hatte sich ein weit nach Norden reichender Keil ausgebildet, sodass die Westwinddrift abgeschwächt und die Zugrichtung von Tief QUIOLA dadurch blockiert wurde. Aufgrund der zyklonalen Rotationsrichtung des Wirbels wurde in Verbindung mit einer weiteren lokalen Tiefdruckzone westlich von Irland feuchte Luft an die Britischen Inseln angeströmt, welche an der Westküste Irlands und Großbritanniens zu orographisch bedingten Stauniederschlägen führte, weshalb teils zweistellige Niederschlagssummen registriert wurden. In Claremorris und Mace Head vermeldeten die Wetterstationen zwischen 16 und 17 l/m² in dem Zeitraum von 08 bis 20 Uhr MESZ. Gleichzeitig traten im Bereich der Okklusion im Süden von Island, wo die kalte Luft an den Bergen ebenso gestaut wurde, hohe Niederschlagswerte auf. So kamen im gleichen Zeitraum rund 17 l/m² in Kvísker und 24 l/m² in Laufbali zustande. Gleichermaßen frischte der Wind auf und wehte vielerorts mit 6 bis 7 Beaufort im Flachland und mit 12 Beaufort auf den Bergen wie dem Cairngorm und Aonach Mor. Des Weiteren zog sich ein Regenband von Zentralnorwegen bis zur schwedischen Stadt Kosta. An vielen Orten setzte der Regen bereits in der Nacht an und hielt mit kleineren Unterbrechungen bis zum Nachmittag an. In Naven betrug die Niederschlagssumme zwischen den zwei Hauptbeobachtungsterminen um 08 Uhr und 20 Uhr MESZ 22,0 l/m². In Karlsborg wurde ein ähnlicher Niederschlagswert erreicht, wobei es nur zwischen 07 und 17 Uhr regnete mit einer erheblichen Abschwächung der Niederschlagsintensität nach 14 Uhr. Zudem drang die kühlere Luftmasse bis in den Norden Norwegens vor, sodass sich die Maximaltemperaturen im Zentrum des Landes und an den Küstengebieten deutlich abkühlten. In dem norwegischen Küstenort Buholmråsa Fyr sank die Höchsttemperatur des Vortags von 27,0°C auf 16,3°C. Der Abkühlungsprozess setzte sich in der Nacht fort, sodass die Nullgradgrenze zeitweise auf 1000 Meter sank.

Am 23. und 24.06. verblieb das Tief QUIOLA nahezu stationär auf dem Nordostatlantik, wo es keine Landpartien beeinflussen konnte, bevor es sich zum 25.06. über Island hinweg bis dessen Nordküste verlagerte. Zudem spaltete sich das ehemalige Frontsystem ab, sodass sich erst ein neues Frontsystem entwickeln musste und dementsprechend noch schwach ausgebildet war. Daher waren diese Tage wettertechnisch nicht weiter von Relevanz.

Bis zum 27.06. verlagerte sich die Zyklone QUIOLA mit einem Kerndruck von unter 1000 hPa weiter nach Osten, bis sie schließlich um 02 Uhr MESZ 500 km östlich der russischen Hafenstadt Archangelsk vermeldet wurde. Die Warmfront verlief bogenförmig nach Süden und die Kaltfront reichte bis nach Helsinki, wo sie in eine Warmfront eines unbenannten Tiefdruckgebiets über der Ostküste Schwedens überging. Das Frontensystem war insgesamt nur noch schwach ausgeprägt und brachte demzufolge in diesen Regionen kaum relevante Niederschläge. Die höchste Regenmenge konnte im etwas nördlich von Sankt Petersburg gelegenen Puumala kk Urheilukenttä mit 4,0 l/m² ausgemacht werden. Im weiteren Verlauf bildete sich über Mitteleuropa eine ausgedehnte Konvergenzlinie zwischen folgenden drei Druckgebieten: Tief SLYVIA nördlich von Irland; Tief QUIOLA und Hoch UTZ über der Ukraine. Insbesondere im Alpenvorland und den Alpen kam es zu Starkniederschlägen über einen längeren Zeitraum. In Schlehdorf im Süden Bayerns meldete die Station zwischen 19 und 21 Uhr 28,4 l/m², welche durch einen Gewitterschauer verursacht wurden. Des Weiteren lagen die Niederschlagssummen in der gesamten Region um Garmisch-Partenkirchen bei meist 20 l/m² oder mehr.

Zum nächsten Tag verlagerte sich der Wirbel QUIOLA weiter nach Osten bis nach Westsibirien. Die Kaltfront, welche von Moskau bis zum Bottnischen Meerbusen warmfrontähnliche Eigenschaften annahm, verlief weiter bis an die Nordmeerküste Norwegens und war somit noch wetterbestimmend für Nordeuropa. Dabei fielen einige zweistellige Niederschlagssummen im Süden Finnlands direkt neben Orten, die vollkommen trocken blieben, auf. So vermeldete der Flughafen Kiikala 18 l/m² innerhalb 12 Stunden und der Ort Kokemäki Tulkkila im selbigen Zeitraum sogar 25,8 l/m². Hierbei handelte es sich um konvektive Niederschläge in Form von Regenschauern, welche oftmals erst am Nachmittag bei zunehmender Labilität einsetzen. In diesem Fall bildeten sich die konvektiven Wolken bereits am Vormittag, da zu dieser Zeit die Kaltfront diese Regionen überquerte und somit die für die Entstehung von Regenschauern notwendige Labilität förderte. Typisch für Regenschauer oder eben auch Gewitter ist die lokale Eingrenzung.

Da sich nachfolgend das Tief QUIOLA immer weiter nach Osten bis nach Sibirien verlagerte und von Westen sich die Zyklone SYLVIA näherte, war der Wirbel QUIOLA nicht mehr wetterbestimmend für Mitteleuropa. Daher endete dieser doch für ein Tiefdruckgebiet lange Lebenszyklus mit dem letztmaligen Auftreten der Zyklone auf der Berliner Wetterkarte am 29.06. 2020. Das Tief wurde insgesamt an 11 Tagen namentlich auf der Bodenanalysekarte erwähnt. Im Durchschnitt leben Tiefdruckgebiete nur um die 3 bis 5 Tage.