Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet REINER
(getauft am 22.04.2017)
Ausgangspunkt für die Entstehung eines neuen Tiefs, welches am 22. April auf
den Namen REINER getauft wurde, war ein Warmluftvorstoß über dem nördlichen
Nordatlantik in Richtung Island. Über der Grönlandsee traf die erwärmte
Meeresluft subtropischen Ursprungs auf höhenkalte Luft aus polaren Breiten.
Dynamische Prozesse innerhalb der Atmosphäre, bei der auch
Windgeschwindigkeitsdifferenzen im Bereich des Jetstreams in 9 km Höhe eine
Rolle spielten, sorgten schließlich für eine Zyklogenese, also die Bildung
einer Zyklone.
Am frühen Morgen des 23. April konnte Tief
REINER in einem sehr frühen Entwicklungsstadium als sogenanntes Wellentief
wenige Hundert Kilometer südlich von Island analysiert werden, dessen Luftdruck
im Zentrum etwas unter 1020 hPa betrug. Die mit dem Tief verknüpften Ausläufer
reichten bereits einige Hundert Kilometer südost- bzw. südwestwärts über den
nördlichen Nordatlantik. Unter rascher Vertiefung zog die Zyklone in den folgenden
Stunden weiter in Richtung Nordmeer, wobei sich in diesem Zusammenhang erste
schauerartige Niederschläge herausbildeten. Messstationen auf den Färöer- und Orkney-Inseln registrierten zwischen 06 und 18 Uhr UTC 6
l/m² Regen in Thorshavn bzw. 14 l/m² in Lerwick. Das
Kürzel UTC steht für Weltzeit und ist äquivalent mit der Mitteleuropäischen Sommerzeit
abzüglich 2 Stunden. Gleichzeitig frischte mit Annäherung des Tiefs REINER der
Wind über Schottland mit Böen der Stärke 7 bis 8 auf der Beaufort-Skala auf, im
direkten Küstenumfeld und exponierten Berglagen, wie z.B. in Kirkwall, wurden
sogar einzelne Sturmböen gemessen.
In der Nacht zum 24. April verlagerte sich der
Niederschlagsschwerpunkt dem Tiefdruckkern folgend in Richtung Südnorwegen und
Dänemark. Dabei erreichten mäßig starke Regenfälle von über 10 l/m² in 12
Stunden die südnorwegische und dänische Küste. Zum Beispiel wurden im Zeitraum
zwischen 18 und 06 Uhr UTC des Folgetags im norwegischen Stavanger 17 l/m² oder
im dänischen Kastrup 7 l/m² gemessen. Die mit dem Tief REINER verknüpfte, sich
ebenfalls verstärkende Kaltfront überquerte am Tage mit einzelnen Regenschauern
die Britischen Inseln und erreichte in den Nachmittagsstunden bereits die
Niederlanden und den Norden Deutschlands. Allerdings blieben die Regenmengen
mit nur wenigen Litern oder Zehntel Litern pro Quadratmeter gering. So fielen z.B.
in Groningen 4 l/m² und in London 0,4 l/m². Die der Kaltfront im geringen
Abstand vorgelagerte Warmfront hatte bis auf dichte Wolkenfelder keine
nennenswerten Auswirkungen auf das Wetter. Intensiver waren die Niederschläge
dagegen im Umfeld des Richtung Südschweden ziehenden Tiefdruckkerns. So meldete
beispielsweise die Station Oslo-Gardermoen am 24.04.
zwischen 06 und 18 Uhr UTC eine Niederschlagsmenge von 17 l/m². Da das Tief von
Norden her Kaltluft arktischen Ursprungs heranführte, wurden hier sogar zeitweilige
Schneefälle beobachtet.
Auch Großbritannien kam in den
Einflussbereich sehr kühler Meeresluft, sodass die Temperaturen, wie übrigens
auch über Skandinavien, in vielen Landesteilen kaum mehr 10°C überschritten.
Daher betrugen die Tagesmaxima in Kopenhagen 10°C sowie 9°C in Belfast.
Zeitgleich erfasste das mit dem Tief verknüpfte Hauptwindfeld neben den
Britischen Inseln auch Dänemark und Norddeutschland. Nachmittags und abends
wurden einzelne Sturmböen z.B. in Alborg, Flensburg
und Schwerin beobachtet.
Während nachts die Schauer über den Britischen
Inseln abklangen und bei auflockernder Bewölkung und Temperaturen von -0°C in Edinburgh
sowie -1°C in London verbreitet leichter Frost auftrat, setzten sich die
schauerartigen Niederschläge über dem südlichen Skandinavien, aber auch über
Norddeutschland und den Beneluxstaaten fort. In der Summe fielen etwa auf den
Åland-Inseln 11 l/m² bis zum darauf folgenden Morgen, in Swinemünde
waren es 8 l/m², in Bremen 6 l/m² und in Rotterdam 5 l/m².
Am 25. April zog die Zyklone REINER von
Südschweden langsam nordostwärts Richtung Finnland, womit die Kaltfront weiter
bis zum Baltikum und an den Alpenrand vordrang. Dabei regnete es zum Beispiel
über dem Baltikum tagsüber verbreitet 5 bis 10 l/m² in 12 Stunden, in einem
Streifen zwischen Süddeutschland, Schweiz und Zentralfrankreich gar 10 bis 20
l/m², wie z.B. in Lyon mit 17 l/m², in Zürich mit 20 l/m² oder in Augsburg mit 10
l/m². Ursache für diese Intensivierung war die Entwicklung eines neuen Tiefs, welches
in der Folge mit dem Namen TAREK belegt werden sollte, über dem Alpenraum, wo
die Kaltluft aus Norden auf subtropische Luftmassen aus dem Mittelmeerraum
traf. Aber auch hinter der Kaltfront blieb es nicht gänzlich trocken, sondern es
kam zu einzelnen Regen-, teils auch Graupel- und Schneeschauern, die z.B. im
schottischen Aberdeen 12-stündig 8 l/m², in Brüssel 0,8 l/m² oder in Hamburg 3
l/m² brachten.
Dabei stiegen die Temperaturen wie tags
zuvor schon über den Britischen Inseln auch über dem nördlichen Mitteleuropa
kaum mehr über 10°C. Besonders zwischen Rhein, Mosel und Maas wurde es damit
spürbar kühler, als noch am Vortag, wo die Höchstwerte etwa in Luxemburg oder Düsseldorf
noch bei 15°C bzw. 16°C gelegen hatten.
Der Wind blieb weiterhin lebhaft, mit
einzelnen starken-stürmischen Böen über Großbritannien wie auch in den Beneluxstaaten
und Deutschland. In Schauernähe wurden vereinzelt, so wie im niedersächsischen
Celle, Sturmböen registriert. In der Nacht ließ der Wind über Nordwest- und
Mitteleuropa dann allmählich nach und überall dort, wo es größere
Auflockerungen gab, kühlte sich die Luft zwischen Rhein und Oder verbreitet in
den leichten Frostbereich ab. Die Temperaturminima lagen dabei in Berlin-Dahlem
bei -0,2°C und -1,7°C am Flughafen Köln/Bonn.
In den Frühstunden des 26. April befand
sich Tief REINER mit einer Doppelkernstruktur über Skandinavien und dem
Baltikum, wobei ein Kern über der mittleren Ostsee, der andere östlich von
Helsinki lag. Der Luftdruck in beiden Kernen war mittlerweile auf etwas unter
995 hPa gefallen. Die Ausläufer spannten sich zu diesem Zeitpunkt vom Zentrum über
Südfinnland ausgehend im Falle der Kaltfront bogenförmig über das Baltikum, Weißrussland
und Polen bis in den Alpenraum, sowie vom Leningrader Raum bis nach Kiew, was
der Warmfront entsprach.
Während sich das Tief REINER über Finnland
und Karelien in den folgenden Stunden eindrehte, was sich eindrucksvoll auf den
Satellitenbildern dieses Tages zeigte, gelangten Nordwest-, West- und
Mitteleuropa auf der Rückseite des Tiefs unter Hochdruckeinfluss. In der
eingeflossenen kühlen Meeresluft erwärmte sich die Luft bei einem
Sonne-Wolken-Mix gegenüber dem Vortag allerdings kaum, allgemein wurden Höchstwerte
um die 10°C gemessen.
Über Teilen Osteuropas und dem südlichen
Mitteleuropa bestimmten dagegen weiterhin die Ausläufer des Tiefs REINER mit
dichten Regenwolken das Wetter. Vor allem in einem Streifen zwischen
Westrussland, Weißrussland, Südpolen und dem Alpenraum regnete es anhaltend,
wenn auch mit eher schwächerer Intensität von 5 bis 10 l/m² in 12 Stunden.
Begleitet wurden die Frontniederschläge vor allem über Westrussland von einem
böig auffrischenden Wind, der in Spitzen Stärke 6 bis 7, vereinzelt auch 8
erreichte, so wie z.B. im russischen Lipezk. Nachts setzten sich die
Niederschläge hier fort, sodass sich bis zum darauf folgenden Morgen die
24-stündigen Regenmengen auf 10 bis 20 l/m² summierten. So wurden
beispielsweise in München 17 l/m², in Oppeln 20 l/m² und in Minsk 11 l/m²
registriert.
Am 27. April nahmen die Ausläufer von Tief
REINER, welches wieder mit nur einem Kern über Nordfinnland analysiert wurde, zwischen
dem Moskauer Raum, Weißrussland, Südpolen bis zu den Alpen immer mehr die Form
einer quasistationären Luftmassengrenze an. Abgesehen von den sich entlang der
Front mit gleichbleibender Intensität fortsetzenden Niederschlägen, hatte sich
ein scharfer Temperaturgradient herausgebildet, wie man besonders über
Weißrussland feststellen konnte. Während nördlich der Front in kühler
Meeresluft die Temperaturen um 10°C lagen, wurden unter dichten Regenwolken
kaum 5°C gemessen, dagegen aber südlich der Front mehr als 20°C.
Ansonsten entfernte sich der Wirbel langsam
weiter nordostwärts Richtung Nordwestrussland. Nach Analyse des amerikanischen
GFS-Modells regnete es dabei gerade zwischen Weißem Meer und Nordural zeitweise
noch mäßig, indes brachten einzelne schwache Schauer über Skandinavien kaum
mehr messbare Niederschläge hervor.
In den Frühstunden des 28. April wurde Tief
REINER letztmalig im Ausschnitt der Berliner Wetterkarte analysiert, wobei sich
der Kern mit einem Luftdruck von wenig unter 1005 hPa mittlerweile über
Nordwestrussland befand. Kalt- bzw. Warmfront des Tiefs reichten in einem weit
gezogenen Bogen bis nach Westrussland bzw. schon bis nach Westsibirien. Zur nach
wie vor über Osteuropa befindlichen Luftmassengrenze verlor die Zyklone jedoch
allmählich die Verbindung. Vielmehr wurden die Ausläufer mehr und mehr in die
Zirkulation des Tiefs TAREK aufgenommen. Bis zum Morgen hatten sich die
48-stündigen Regenmengen auf über 30 bis 40 l/m² addiert. Beispielsweise wurden
in Gagarin westlich von Moskau 42 l/m² gemessen, im polnischen Kattowitz 40
l/m² und in München 34 l/m². Bis zum Tagesende entfernte sich Tief REINER über
den Ural in den asiatischen Teil Russlands und verlor damit den Einfluss auf
das Wetter in Europa.
Geschrieben
am 16.07.2017 von Gregor Pittke
Berliner Wetterkarte: 25.04.2017
Pate: Dr. Reiner Eiden