Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
RENATE
(getauft am
10.09.2020)
Ein
Tiefdruckgebiet, welches später den Namen RENATE erhalten sollte, zog am 08.
und 09.09.2020 von Kanada kommend über die Labradorsee, und wurde am 10.09. über
der Dänemarkstraße anhand der Analysebodenwetterkarte von den Meteorologen der
Berliner Wetterkarte getauft. Um 00 Uhr UTC des Tauftages wies die Zyklone
RENATE einen Kerndruck, der knapp unterhalb von 990 hPa lag, auf. Das ihr
zugehörige Frontensystem, das am Vortag noch unter anderem eine Kalt- und
Warmfront aufwies, bestand nun zum Großteil aus einer Okklusionsfront. Dies ist
eine Mischform einer Warm- und Kaltfront, die aufgrund unterschiedlicher
Verlagerungsgeschwindigkeiten und so der Überlagerung dieser entsteht und die
Charakteristika beider Frontentypen in sich vereint. Diese Okklusion erstreckte
sich vom Kern zunächst in südlicher Richtung bis über den zentralen
Nordatlantik, von dort führte sie abwechselnd den Charakter einer Kalt- sowie
Warmfront annehmend in westlicher Richtung über Neufundland und Kanada und
verließ schließlich den Darstellungsbereich der Berliner Wetterkarte.
Während sich
der Kern von Wirbel RENATE im Laufe des Tages weiter in Richtung Island
verlagerte, überquerte dessen Warmfront bereits schon in der vergangenen Nacht
den Südwesten Islands, wo gebietsweise zweistellige 24-stündige Regensummen bis
zum Morgen des 10.09. zusammenkamen. Die höchsten Werte verbuchten die
isländischen Stationen Hellisskarð mit 42,9 l/m² und Grundarfjörður mit 57,5 l/m². Und auch die Warmfront
nachfolgende Okklusionsfront brachte erneut dem Südwesten hohe 24-stündige
Niederschlagssummen bis 06 Uhr UTC des 11. September. So fielen in Grundarfjörður nochmals 20 l/m² und 33 l/m² in Setur.
Am 11.09.
hatte sich das Tiefdruckgebiet RENATE um 10 hPa auf knapp unter 980 hPa
intensiviert und sich mit Kern bis auf wenige Kilometer der Westküste Islands
angenähert. Das über den Atlantik reichende und an Washington vorbeiführende
Frontensystem bestand in Kernnähe aus einer Okklusion,
die sich in einer schneckenförmigen Spirale um den Kern wand,
sich über dem Norden Islands ostwärts erstreckte und schließlich im Okklusionspunkt
nördlich der Färöer-Inseln mündete. Von diesem spaltete sich die Warmfront ab
und führte in südlicher Richtung über Edinburgh bis nach Liverpool. Der Teil
der Front der später Kaltfrontcharakter aufweisen sollte, hatte zunächst noch
Okklusionsfrontcharakter inne, während sie rund 1000 km westlich von Irland in
südwestlicher Richtung verlief, bis sie schließlich auf dem Breitengrad Dublins
Kaltfrontcharakter annahm und zurück nach Neufundland führte, wo sie in die
Fronten einer Tiefdruckgebietskette überging, von welcher ein Kern am Folgetag
den Namen SASKIA erhalten sollte. Durch das Einkringeln der Okklusionsfront um
den Tiefdruckkern, verharrte diese weiterhin über Island, so dass ihr Einfluss
auf das Wettergeschehen dort erhalten blieb. So verursachte die Mischfront
örtlich, vor allem aber in der Nordhälfte, sehr hohe Niederschlagsmengen wie
z.B. in Dalatangi an der Ostküste Islands mit 31,4 l/m².
Im Norden verbuchte die Handelsstadt Siglufjörður
sogar 91,2 l/m².
Im Südwesten der Insel brach derweil zeitgleich wiederholt die Sonne durch die
zuvor geschlossene Wolkendecke, was sich wiederum in einem Anstieg der
Tageshöchsttemperaturen von 12,3°C auf 14,3°C widerspiegelte. In exponierten Lagen,
ähnlich wie bei dem 412 Meter hohen Sendemast Gufuskálar,
konnten fortwährend über mehr als 24 Stunden Winde, die im Mittel bei Stärke 7 Bft. (50-60 km/h) lagen, beobachtet werden. Dieses
Starkwindgebiet erstreckte sich bis ins Vereinigte Königreich, wo die
schottische Station am Cairngorm seit dem 10.09.
mittlere Windstärken von 8, teilweise sogar 9 aufwies und Spitzenböen mit über
150 km/h mehrfach beobachtet werden konnten.
Im weiteren
Tagesverlauf bildete der Wirbel RENATE einen zweiten Kern aus, so dass sich um
00 Uhr UTC des 12.09. der ursprüngliche Kern des Tiefs RENATE südlich von
Island befand und dort einen Luftdruck knapp unter 985 hPa aufwies, während der
zweite Kern sich auf Höhe des Polarkreises relativ mittig über dem Nordmeer
befand und einen Luftdruck besaß, der zwischen 975 und 980 hPa lag. Den Kern
RENATE I umrundend, ausgehend von der Südseite des ersten Kerns, verband eine
sich nach Osten erstreckende Okklusionsfront die zwei Kerne des
Tiefdrucksystems. Von RENATE II erstreckte sich diese, einen leichten Bogen
beschreibend, in südwestlicher Richtung und mündete über dem norwegisch-schwedischen
Grenzgebiet bei Åre in dem Okklusionspunkt. Während die
Warmfront in südöstlicher Richtung die Ostsee überquerte und westlich von Riga
über Litauen endete, führte die Kaltfront zunächst zwischen Oslo und Stockholm
in südwestlicher Richtung über der Skagerrak, vorbei am dänischen Hirtshals,
über die Nordsee und Südengland und ging westlich der Biskaya in die Warmfront
des Tiefs SASKIA über. Im Tagesverlauf fielen vor allem auf der Südhälfte
Islands im Bereich der Okklusionsfront nochmals vereinzelt zweistellige
Regenmengen, wie z.B. an der Wetterstation in Lónakvísl,
die 19 l/m² verbuchte oder in Laufbali, wo 37,2 l/m²
innerhalb von 24 Stunden bis zum Morgen des nächsten Tages gemessen wurden. In
Reykjavik fielen derweil kaum messbare Niederschlagsmengen. Am schottischen Cairngorm nahm die Sturmintensität etwas ab, sodass die
mittlere Windstärke auf 6 bis 7 sank, während die Spitzenböen mit 107 km/h auf
Stärke 11 zurückgingen. Dabei kristallisierte sich eine deutliche Nordsüd-Schere
bei den Regenmengen heraus. Während im schottischen Tulloch
Bridge innerhalb von 12 Stunden bis zum 06 Uhr UTC Termin 34 l/m² und in 24
Stunden sogar 40,8 l/m² fielen, blieb es am Flughafen London Heathrow nahezu
trocken. Die gemessenen Niederschlagsmengen ergaben in Summe <0,1 l/m², was
einer nicht erfassbaren Menge entspricht.
Bis zum
13.09. hatte sich das Tiefdruckgebiet RENATE weiterentwickelt und einen dritten
Kern ausgebildet. Während sich der ursprüngliche Kern RENATE I weiterhin südlich
von Island befand, dort einen Druck von nunmehr knapp unter 995 hPa und eine
von den restlichen Kernen separierte bis nach Trondheim reichende Okklusionsfront
aufwies, war das Frontensystem der Kerne II und III miteinander verbunden. Der
Kern von RENATE II befand sich mittig zwischen Jan Mayen und Trondheim mit
einem Druck von etwas unter 985 hPa. Südlich des Kerns ausgehend und einen
Bogen über die West- und Nordseite des Kerns umspannend, reichte eine
Okklusionsfront vorbei an Murmansk bis an die Küste zum Weißen Meer, wo sich
der ihr zugehörige Okklusionspunkt befand, von dem eine sehr kurze Warmfront an
Archangelsk vorbei bis zum russischen Kopachevo
reichte. Vom Okklusionspunkt erstreckte sich zudem eine Kaltfront, die kaum bis
an die Südküste des Weißen Meeres reichte ehe sie in die Warmfront, die zum
Wirbel RENATE III gehörte, überging. Der Kern des Wirbels RENATE III befand
sich zu diesem Zeitpunkt über dem Norden des Bottnischen Meerbusens, wobei er
einen Druck im Kern von rund 995 hPa aufwies. Die zuvor angeführte Warmfront
reichte nun vom Weißen Meer bis zum Okklusionspunkt bei Kajaani.
Die Kaltfront verlief von dort einem schwach ausgeprägten Bogen folgend
zunächst südwärts über die östlichsten Ausläufer des Finnischen Meerbusens,
vorbei an Riga, Vilnius und Warschau bis in die Nähe Prags.
Da
der Einfluss des Tiefs RENATE III auf Deutschland durch die Hochdruckgebiete
KEVIN und LEIKI stark eingeschränkt war, brachte die Kaltfront auch nur geringe
Niederschlagsmengen, wie z.B. 0,8 l/m² in Schleswig bis zum Abend. Dafür
stand abermals die Südhälfte Islands unter dem Einfluss der Okklusionsfront von
RENATE I, wo wieder einmal Laufbali mit den höchsten
Regensummen (36,3 l/m²
innerhalb 24 Stunden bis zum Morgen des 14.09.) im Fokus stand. Außerdem
stellten sich am Cairngorm nochmals Orkanböen ein mit
Spitzen von bis zu 140 km/h und Windgeschwindigkeiten im Bereich von starkem bis orkanartigem Sturm.
Im Laufe des
Tages kapselte sich der Kern des Tiefs RENATE I zusehends von seinen zwei
Schwesterkernen ab und verblieb bereits abgeschwächt bei Island zurück. Am
Tageswechsel zum 14.09. befand sich der Kern von RENATE I mit einem auf rund
1010 hPa gestiegenen Druck weiterhin südlich von Island. Die ihm zugehörige
Front bestand aus einer Okklusion, die eine einer Ohrmuschel gleichende Form
angenommen hatte und sich um den Kern wand. Die Kerne
der Wirbel RENATE II und RENATE III hatten sich weiter nord- und ostwärts
verlagert. Sie hatten sich dabei leicht abgeschwächt, so dass ihr Luftdruck sich
auf knapp unter 1000 hPa im Fall von RENATE II und 990 hPa bei RENATE III
belief. Auch diese Kerne begannen sich nun zu separieren, wodurch sie nicht
mehr durch ihre Fronten verbunden waren und jeweils deutlich weniger landüberspannende
Fronten aufwiesen. Die zu RENATE II gehörende Okklusion erstreckte sich vom
Kern nur bis zum Eingang des Weißen Meeres an den südlichen Ausläufern der
Barentssee. Die zu RENATE III gehörende Okklusionsfront verlief schließlich
zunächst nordostwärts bis nach Indiga an der Küste
der Barentssee, von dort in südlicher Richtung bis fast nach Perm, von dort zum
ukrainischen Charkiw und endete schlussendlich in der Nähe von Odessa. Am Ceirngorm stellte sich nun nach mehr als einer Woche
erstmals wieder nicht stürmisches Wetter ein, so sanken die Windgeschwindigkeiten
im Mittel von einem maximal Wert von 89 km/h auf 9,3 km/h, ein ähnliches Bild
zeichnete sich auch in Somna-Kvaloyfjellet ab, wo die
Windgeschwindigkeit von über 70 km/h auf nur noch 7,3 km/h absackten. Im norwegischen Reipa fielen unterdessen 18,4 l/m² Regen, während es im
restlichen Land wie in Nordnesfjellet mit 0,6 l/m²
nur geringe Niederschläge gab. Das gleiche traf auch auf Schweden zu, wo z.B.
in Åmot 0,1 l/m² innerhalb von 24 Stunden gefallen
waren oder an dem finnischen Flughafen Kikala im gleichen
Zeitraum sich 0,2 l/m² an Niederschlägen hatten ansammeln können.
Der erste und
zweite der drei Kerne hatten sich schließlich begonnen aufzulösen, so dass mit
dem 15.09. vom Tief RENATE nur noch der zuvor als RENATE III geführte Kern
verblieben war. Dieser wies nun einen Druck von 995 hPa auf und befand sich
über dem Delta des Petschora. Vom Kern abgehend führte
eine relativ wetterunwirksame Okklusionsfront südwärts an Perm vorbei, die dann
in Richtung Usbekistan und Kasachstans den Analysebereich der Berliner
Wetterkarte verließ.
Die Zyklone
RENATE verlagerte sich nun hinter den Ural, wo sie noch drei Tage im
Analysebereich der Berliner Wetterkarte verblieb. Dadurch konnte sich nochmals
ein ausgeprägtes Windfeld aufbauen, in dessen Bereich
sich starke Böen in Perm bis zu 50,4 km/h ausbilden konnten, ehe das Tief
RENATE im Laufe des 18.09.2020 in Richtung Nordpol den Analysebereich der
Berliner Wetterkarte verließ.