Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet RHIANNON

(getauft am 17.07.2012)

 

Am Okklusionspunkt eines Tiefdruckwirbels, also dort, wo Warm- und Kaltfront zusammentreffen, entstand über dem östlichen Nordatlantik
etwa 900 km südlich von Island und etwa 700 km westlich von Irland in der Nacht zum 17.07.2012 ein Tiefdruckgebiet. Dieses Tief wurde auf der Analysekarte von 00 Uhr UTC, dies entspricht 02 Uhr MESZ, auf den Namen RHIANNON getauft und sein Kerndruck lag zu diesem Zeitpunkt bei etwas über 1010 hPa. Seine Kaltfront erstreckte sich vom Zentrum aus bogenförmig südwestwärts hinaus auf den Nordatlantik und seine Warmfront verlief südostwärts bis nach Südwestengland. In der Nacht zum 18.07.2012 erfasste die Warmfront der inzwischen über Schottland gelegenen Zyklone RHIANNON den norddeutschen Raum mit Regen, wobei 12-stündig zum Teil über 10 mm fielen, wie in Löningen mit 12 mm und Springe mit 22 mm. Im Tagesverlauf überquerte die Warmfront auch den Norden Deutschlands mit schauerartig verstärktem Regen. Gebietsweise fielen dabei über 20 mm innerhalb
von 12 Stunden, wie beispielsweise in Bremen und in Erfde in Schleswig-Holstein. Zum Abend ließ der Einfluss der Front im Nordosten Deutschlands nach. Daher war es dort auch am kühlsten mit Maxima unter 20°C, z.B. Feldberg in Mecklenburg mit 17°C.
Die eingeflossene Warmluft war insgesamt labil geschichtet, sodass sich vereinzelt am Abend und in der darauf folgenden Nacht Gewitter bildeten. Unter Verstärkung auf knapp unter 1000 hPa zog das bereits teils okkludierte Tiefdruckgebiet RHIANNON weiter nach Osten und lag am 19.07.2012 um 00 UTC über der mittleren Nordsee. Eine rücklaufende Okklusionsfront, eine Luftmassengrenze mit den Eigenschaften von Warm- und Kaltfront, zog sich dabei vom Kern bogenförmig über Großbritannien bis zu den südlichen Hebriden. Ebenfalls vom Kern ausgehend verlief eine  weitere Okklusion in einem Bogen über die Nordsee und Dänemark bis Kopenhagen, wo sie sich in Warm- und Kaltfront spaltete. Die Warmfront verlief vom Okklusionspunkt aus südostwärts über Polen. An der teils verwellten Kaltfront, die sich bis zur portugiesischen Küste erstreckte, kam es in den Frühstunden in Deutschland verbreitet zu Gewittern. Erneut wurden die höchsten Regenmengen aus Schleswig-Holstein gemeldet, wie beispielsweise in Schleswig mit 21 mm und in Leck mit 20 mm innerhalb von 12 Stunden. Am Vormittag zogen starke Schauerzellen über ganz Norddeutschland hinweg. Mitteleuropa befand sich am 20.07.2012 weiterhin im Einflussbereich des Tiefdruckwirbels RHIANNON, obwohl es in den vergangenen 24 Stunden mit seinem Kern von der mittleren Nordsee über die südliche Ostsee hinweg zum Baltikum gezogen war und nun über Riga lag. Vom Kern zog sich eine rücklaufende Okklusion in einem s-förmigen Bogen über die Ostsee und Dänemark bis knapp westlich der mittleren dänischen Nordseeküste. Außerdem existierte eine weitere Okklusion, die vom Kern bogenförmig nach Osten bis wenige hundert Kilometer nordöstlich von Minsk reichte. Bei der Verlagerung verstärkte sich das Tief vorübergehend auf einen Kerndruck von 995 hPa. Damit nahm auch der Druckgradient südlich des Kerns deutlich zu und in Verbindung mit den durchziehenden Schauern und Gewittern kam es in Norddeutschland zu einzelnen Sturmböen, in Diepholz wurden beispielsweise 45 kn registriert. Auf dem Brocken wurden sogar Spitzenböen von 62 kn gemessen. Auf der Rückseite des Wirbels RHIANNON bildeten sich im Höhentrogbereich über dem norddeutschen Tiefland zahlreiche Schauer und Gewitter, die zum Teil sehr kräftig ausgeprägt und von wolkenbruchartigen Regenfällen begleitet waren. Verbreitet fielen 5 bis 15 mm. Vereinzelt wurden auch Regenmengen über 30 mm innerhalb von 12 Stunden beobachtet, wie in Hamburg-Neuwiedenthal mit 37 mm und Boizenburg mit 32 mm. In Berlin-Dahlem fielen bis zum Abend 18 mm. An der Grenze zu der heißen subtropischen Luft über dem Mittelmeerraum und der kühleren Meeresluft subpolaren Ursprungs über Mitteleuropa entstanden dagegen in den zentralen und südlichen Teilen Deutschlands Niederschlagsgebiete, die zum Teil schauerartig verstärkt waren und innerhalb von 12 Stunden örtlich mehr
als 10 mm Regen brachten. Am 21.07.2012 lag das Tief RHIANNON mit einem Druck von ca. 1000 hPa nordöstlich von Moskau, auf der Länge von Archangelsk. Die rücklaufende Okklusion zog sich s-förmig vom Kern über St. Petersburg bis Tallinn. Ebenfalls vom Kern ausgehend reichte eine weitere Okklusionsfront bogenförmig nach Südwesten, bevor sie sich einige hundert Kilometer nordöstlich von Wolgograd in Warm- und Kaltfront teilte. Die Warmfront reichte bis knapp südwestlich von Wolgograd und die Kaltfront zog sich in einem langen Bogen bis fast zur Adria. Im Laufe dieser Nacht verstärkte sich die Niederschlagstätigkeit besonders nördlich der Luftmassengrenze infolge kräftiger Hebungsprozesse der subtropischen Warmluft im Bereich der Alpen. Vor allem in Südtirol und Österreich kam es dabei gebietsweise auch zu Gewittern, die sich weiter nach Osten ausbreiteten. Dabei fielen gebietsweise mehr als 40 mm Regen innerhalb von 12 Stunden, z.B. in Lienz und Wiener Neustadt 47 mm. Im Laufe des Vormittags verstärkte sich die Gewittertätigkeit vor allem im Süden Österreichs. In den nachfolgenden Stunden verlagerte sich das Tiefdruckgebiet RHIANNON unter Abschwächung nordostwärts und lag am 22.07.2012 über Nordrussland. Mitteleuropa lag nun nicht mehr in seinem Einflussbereich und auch seine Wetterwirksamkeit im nordwestrussischen Raum ließ allmählich nach. Am 23.07.2012 befand sich das fast vollständig aufgelöste Tief RHIANNON mit seinem Zentrum südwestlich der russischen Doppelinsel Nowaja Semlja bevor es am Folgetag aus dem
Analysebereich der Berliner Wetterkarte verschwand.

 

 

Geschrieben am 05.08.2012 von Jasmin Krummel

Berliner Wetterkarte: 19.07.2012

Pate: Rhiannon Smith