Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet ROBERT

(getauft am 26.12.2011)

 

In der Nacht zum 26.12. bildete sich östlich der Bermuda-Inseln ein neues Tiefdruckgebiet, welches in der Prognose für den Folgetag auf den Namen ROBERT getauft wurde. Allerdings entwickelte sich das Tief schneller als vorhergesagt und erschien daher schon an diesem Tag namenlich auf der Berliner Wetterkarte.

In der mittleren Troposphäre, also in einer Höhe von rund 5500 m, lag zu diesem Zeitpunkt ein langgezogener Trog, ein Vorstoß kalter Luft nach Süden, über dem Nordatlantik. Dieser reichte von der Ostküste der USA bis nach Skandinavien. Die Frontalzone verstärkte sich dabei von West nach Ost immer mehr, d.h. der Unterschied zwischen der kalten Luftmasse im Norden und der warmen Luftmasse im Süden wurde immer markanter. Während über Island bei einem Radiosondenaufstieg um 00 Uhr UTC, d.h. 01 Uhr MEZ, -43°C in rund 5000 m Höhe gemessen wurden, waren es in Großbritannien nur Werte zwischen -17 und -19°C. Dementsprechend kräftig war dort auch die Strömung, wo trotz einer sehr geringen Messstationsdichte Mittelwinde von deutlich über 100 Knoten analysiert wurden. Die Vorgängertiefs PATRICK und QUIRIN waren zu diesem Zeitpunkt die wetterbestimmenden Druckgebilde über Nordeuropa. Aufgrund dieser Voraussetzungen wurde für Tief ROBERT von den verschiedenen Wettermodellen zum 28.12. die Entwicklung zu einem Orkantief vorhergesagt.

Am 26.12. um 01 Uhr MEZ wies Tief ROBERT in seinem Zentrum noch einen Kerndruck von etwa 1017 hPa auf, jedoch sank der Kerndruck stetig. Von einem Schiff in der Nähe des Kerns wurde um 7 Uhr MEZ eine dreistündige Druckfalltendenz von 14,7 hPa beobachtet. Bereits ab einer
3-stündigen Druckfalltendenz von 10 hPa ist von einem Orkantief auszugehen, da dann der Druck innerhalb weniger Zeit so stark fällt, dass sehr große Druckunterschiede gegenüber der Umgebung entstehen.

Am 27.12. lag der Kern mit mittlerweile nur noch knapp unter 1000 hPa über dem mittleren Nordostatlantik, aber die Warmfront erreichte bereits Irland und Großbritannien und brachte dabei den ersten Regen, wie z.B. in Dublin mit 0,4 l/m² und in Shannon mit 1 l/m².

Am Morgen des 28.12. erreichte die Entwicklung von Tief ROBERT ihren Höhepunkt und die Zyklone ROBERT wurde, wie erwartet, zu einem Orkantief. Das Zentrum hatte sich gleichzeitig bis nordöstlich von Irland auf die Breite Nordschottlands verlagert und mit einem Kerndruck von unter 975 hPa hatte sich der extreme Luftdruckfall fortgesetzt. Gleichzeitig entstand um das Zentrum ein kräftiges Windfeld, welches Schottland und die vorgelagerten Inseln überquerte. An den Stationen Lerwick und Sule Skerry auf den Shetland-Inseln wurden mit 53 bzw. 60 kn schwere Sturmböen gemessen. Auf der Inselgruppe Äußere Hebriden erreichten die Böen mit 69 kn Orkanstärke, ebenso auf der in 1130 m Höhe gelegenen Station Aonach Mor mit 95 kn, was etwa 176 km/h entsprach. Vom Kern verlief eine Okklusionsfront, eine Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften, einige hundert Kilometer nach Osten, wo sie sich knapp nördlich der Nordspitze Schottlands in eine Warm- und Kaltfront teilte. Die Warmfront reichte nahezu geradlinig über die Nordsee und Dänemark bis westlich von Warschau. Die Kaltfront zog sich hingegen in einem leichten süd- bis südwestlichen Bogen entlang der schottischen Westküste und der irischen Ostküste hinaus über den Atlantik. Hier traten verbreitet auch Niederschläge auf, wie zum Beispiel in Glasgow mit 11 l/m² innerhalb von 24 Stunden.

Am 29.12. lag das Zentrum mit einem Kerndruck von knapp 980 hPa vor der norwegischen Küste bei der Stadt Bergen. Vom Zentrum reichte eine Okklusion nordostwärts bis etwa Murmansk. Weiterhin spaltete sich eine weitere Okklusion auf der Breite Trondheims ab, die über Zentralskandinavien nach Südosten verlief und sich bei Helsinki in Warm- und Kaltfront teilte. Die Warmfront zog sich in einer langen Welle über Litauen, Weißrussland und die Ukraine bis über das Schwarze Meer. Die Kaltfront reichte in einer Linie nach Südwesten entlang der östlichen Ostseeküste, Berlin, Frankfurt am Main, und Zentralfrankreich, sowie über Nordspanien und Portugal bis knapp westlich der mittleren portugiesischen Westküste. Bereits in der Nacht zu diesem Tag überquerte die Kaltfront von Orkantief ROBERT West- und Mitteleuropa, während das Zentrum nach Südnorwegen zog. Dort war das Windfeld weiterhin am stärksten, was auch die gemessenen Windgeschwindigkeiten an den Leuchtfeuern Lista Fyr und Ulstra Fyr mit jeweils 66 kn, also 122 km/h, als Maximalböen und damit voller Orkanstärke verdeutlichten. Aber auch Dänemark wurde mit schweren Sturmböen von 60 kn in Skagen sowie 59 kn an der Station Thyboron von dem Windfeld getroffen. Weiter in Richtung Süden war der Wind nicht mehr ganz so stark, dennoch wurde im Norddeutschen Tiefland und an den Küsten mit bis zu 49 kn Windstärke 10 erreicht. Die Kaltfront von Orkantief ROBERT selbst brachte neben dem starken Wind nur wenig Niederschlag. Dafür gab es auf der Rückseite in der polaren Kaltluft kräftige Schauer. Besonders in Schleswig-Holstein fielen so innerhalb von 12 Stunden bis zu 24 l/m², wie beispielsweise in Itzehoe.

Der Wirbel ROBERT zog am 30.12. über Finnland hinweg und lag um 01 Uhr MEZ über dem Raum von Helsinki. Dabei schwächte sich sein Windfeld deutlich ab, der Kerndruck stieg von 980 auf 990 hPa aber vergleichsweise langsam an. Seine Warm- und Kaltfront hatten sich inzwischen größtenteils zu einer Okklusionsfront vereinigt, die Nordwestrussland überquerte. Diese Okklusion reichte vom Zentrum in einem weiten Bogen über Archangelsk und östlich an Moskau vorbei bis nordöstlich von Kiew, wo sie sich wieder in Warm- und Kaltfront aufspaltete. Die Warmfront beschrieb einen kurzen Bogen bis zur Halbinsel Krim, wohingegen die Kaltfront nach Südwesten, zwischen Wien und Budapest entlang des Südrands der Alpen bis kurz vor Monaco verlief. In der mitgeführten Warmluft zwischen der Warm- und der Kaltfront stiegen die Temperaturen verbreitet in den Plusbereich. Niederschläge fielen allerdings nur noch in geringen Mengen als Schnee, Schneeregen oder Regen.

In den nächsten Tagen zog Tief ROBERT weiter nordostwärts und verließ bis zum 02.01.2012 schließlich den Analysebereich der Berliner Wetterkarte.

 


Geschrieben am 02.04.2012 von Matthias Treinzen

Berliner Wetterkarte: 28.12.2011

Pate: Wetterstation