Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
ROSWITHA
(getauft
am 16.08.2018)
Am
15.08.2018 entwickelte sich über dem Nordosten des Nordamerikanischen
Kontinents im Gebiet von Neufundland und Labrador ein Tiefdruckgebiet. Dieses
verlagerte sich anschließend ostwärts und befand sich mit seinem Zentrum am
16.08.2018 01 Uhr Mitteleuropäischer Zeit (MEZ) über der Labradorsee. Im Kern
des Tiefs trat zu diesem Zeitpunkt ein Luftdruck von unter 1000 hPa auf. Zudem
hatte das Tief eine nach Südosten auf den Atlantik reichende Warm- und eine
kurze nach Westen verlaufende Kaltfront ausgebildet. Am Vormittag des 16.08.
wurde das Tiefdruckgebiet von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte auf den
Namen ROSWITHA getauft. Im weiteren Tagesverlauf verstärkte sich das Tief ROSWITHA
und zog an der Südspitze Grönlands vorbei, wo es für Niederschlag sorgte. Am
Nachmittag begann der Tiefdruckwirbel zu okkludieren, im Bereich des
Tiefdruckzentrums bildete sich also eine Okklusion aus. In der
Meteorologie bezeichnet eine Okklusion oder Okklusionsfront eine Mischfront aus
Kalt- und Warmfront, die entsteht, wenn die nachfolgende und schneller ziehende
Kaltfront die vorhergehende Warmfront einholt. Der Punkt, an dem die Kalt- und
Warmfront zusammenlaufen, heißt Okklusionspunkt.
Bis
01 Uhr MEZ des 17.08.2018 war das Tief ROSWITHA mit seinem Zentrum bis westlich
von Island gezogen. Der Luftdruck war dabei weiter auf etwa 990 hPa gefallen.
Die Okklusionsfront reichte vom Zentrum des Tiefs ca. 300 km nach Osten und
spaltete sich dort in die bis kurz vor die Azoren reichende Warmfront und die
kurze Kaltfront auf. Das Tief ROSWITHA verlagerte sich in der Folge mit seinem
Frontensystem weiter nach Osten, sodass es in den Morgenstunden an der
westirischen Küste zu regnen begann. Auf der Südseite des Tiefs bildete sich
zudem ein Starkwindfeld aus, welches entlang der Küste zu diesem Zeitpunkt
schon für stürmische Böen sorgte. Bis zum Mittag breiteten sich die
Niederschläge über ganz Irland und die Westküste Schottlands aus. So meldete
das irische Finner bi 13 Uhr MEZ 12-stündige Niederschläge von 17 mm, während
West Freugh in Schottland 8 mm Regen erreichten. Unterdessen zog das Zentrum
des Tiefs ROSWITHA südlich an Island vorbei. Im Bereich des Okklusionspunkts,
welcher am Nachmittag über Schottland hinweg zog, regnete es besonders kräftig.
Vor allem im schottischen Bergland nahm der Wind ab dem Nachmittag auch spürbar
zu und entwickelte sich zum Abend zu einem ausgewachsenen Sturm. Auf dem 933 m
hohen Cairnwell wurden Sturmböen bis 113,0 km/h gemessen, auf den 1245 m hohen
Cairngorm Mountains sogar Orkanböen bis 133,4 km/h.
Bis
01 Uhr MEZ des 18.08. war das Tief ROSWITHA in das Seegebiet westlich der
Färöer-Inseln gezogen, wobei der Luftdruck im Zentrum nochmals gesunken war und
nun knapp 985 hPa betrug. Die Okklusion führte vom Zentrum des Tiefs erst nach
Süden, dann im Uhrzeigersinn um das Tiefdruckzentrum bis vor die Küste
Norwegens, wo sie sich dann in die weiter südwärts reichende Warmfront und die
über Großbritannien auf den Atlantik verlaufende Kaltfront aufteilte. Im Stau
des Skandinavischen Gebirges intensivierten sich am Morgen die Niederschläge,
zudem traten auch entlang der norwegischen Küste Sturmböen, im Bergland auch
teils schwere Sturmböen auf. Bis 07 Uhr MEZ waren besonders in Irland im
Zusammenhang mit dem Tief ROSWITHA größere, 24-stündige Niederschlagssummen
aufgetreten. In Belmullet wurden 14,5 mm gemessen, sowie 18,0 mm am
Militärstützpunkt Finner. Am Vormittag reichten die Niederschlagsbänder des
Tiefdruckgebiets von Dänemark über das Skagerrak bis ins nördliche Norwegen.
Die Fronten zogen unterdessen über den Westen Skandinaviens hinweg; das Zentrum
des Tiefs ROSWITHA verlagerte sich weiter entlang der norwegischen
Atlantikküste nordwärts. Am Nachmittag und am Abend wurden im Sturmfeld des
Tiefdruckwirbels am Flughafen der norwegischen Stadt Kristiansund Böen bis 82,9
km/h gemessen, was Beaufort 9 entspricht, am Leuchtturm Kråkenes bis 118,9 km/h und auf dem 1893 m hohen Juvvasshøi bis 144,1 km/h, Beaufort 12. Im weiteren
Tagesverlauf breiteten sich die Niederschlagsgebiete durch den Weiterzug der
Zyklone immer weiter über der Skandinavischen Halbinsel und dem Ostseeraum aus.
In den
Frühstunden des 19.08.2018 befand sich der Kern des Tiefs ROSWITHA mit einem
etwa unveränderten zentrumsnahen Druck von 985 hPa nördlich der Stadt Trondheim
vor der norwegischen Küste. Die Okklusion verlief hierbei über Norwegen hinweg
bis in den nördlichen Ostseeraum, dort teilte sie sich in die bis zur
polnischen Küste reichende Warmfront und die über Südschweden bis nach Dänemark
verlaufende Kaltfront auf. Im weiteren Verlauf der zweiten Nachthälfte des
19.08. breitete sich der Regen entlang der Warmfront und Okklusion ostwärts
über Finnland und in den südlichen Ostseeraum aus. Im Bereich der Kaltfront hingegen
schwächten sich die Niederschläge ab. Die Intensität des Sturmfelds ließ zwar ebenfalls
insgesamt nach, trotzdem wurden in der gesamten Nordhälfte Skandinaviens noch
starke und stürmische Böen von 60 bis 80 km/h gemessen, auf dem
Stekenjokk-Hochland im westlichen Schweden sogar nochmals schwere Sturmböen bis
100,9 km/h. Vor allem in höheren Lagen sowie im Stau des Skandinavischen
Gebirges hatte das Tiefdruckgebiet ROSWITHA in der Nacht und am Vortag für
teils hohe Niederschlagsmengen gesorgt. So wurden bis 07 Uhr MEZ im
norwegischen Fjærland
36,2
mm, in Gartland 34,1 mm und in Ålesund 27,2 mm gemessen. Das Tiefdruckgebiet
ROSWITHA zog am 19.08. mit seinem Zentrum über den Norden Norwegens hinweg,
wobei auf der Rückseite des Wirbels maritime Luft polaren Ursprungs nach
Skandinavien transportiert wurde. In dieser kalten Luftmasse konnten sich über
dem vergleichsweise warmen Atlantikwasser kräftige Regenschauer bilden, welche
mit der vorherrschenden Windströmung auf die norwegische Küste zu und weiter
ins Landesinnere zogen und dort lokal für hohe Niederschlagsmengen sorgten. Bis
zum Abend waren auch die die Warmfront begleitenden Niederschläge über St.
Petersburg hinweggezogen.
Um 01 Uhr des
20.08.2018 lag das Zentrum des Tiefs ROSWITHA über dem Seegebiet zwischen den
Inseln Spitzbergen und Nowaja Semlja, wobei nach wie vor dort ein Luftdruck von
ca. 985 hPa gemessen werden konnte. Die nur noch kurze Warmfront verlief vom
Okklusionspunkt über Nowaja Semlja aus bis zum Nordrand des Urals, die nun
langgestreckte Kaltfront über den Norden des europäischen Teil Russlands bis zu
den Staaten des Baltikums. Entlang dieser zogen die Niederschläge mit der
Verlagerung der Fronten in einem breiten Streifen weiter ostwärts voran. Die
höchsten, 24-stündigen Niederschlagssummen im Einflussbereich des Tiefs
ROSWITHA wurden in den Regionen Norwegens gemessen, in denen am Vortag die
kräftigsten Schauer entlanggezogen waren. Dies war vor allem der Bereich
zwischen den Städten Bodø und Tromsø, dort wurden verbreitet bis zu 30 mm
Niederschlag registriert, in Hjartasen sogar 52,3 mm. In den von den Fronten beeinflussten
Regionen waren in Finnland und dem westlichen Russland stellenweise bis 10 mm
Regen gefallen, die höchste Summe wurde mit 17,0 mm in der russischen Stadt
Tichwin gemessen. Das tags zuvor noch aktive Sturmfeld des Tiefdruckwirbels
ROSWITHA hatte sich unterdessen so weit abgeschwächt, dass kaum noch stärkere
Windböen in diesem auftraten. Während der darauffolgenden Zeit nahm die
Zuggeschwindigkeit des Tiefs ab und es verlagerte sich nur noch langsam
nordwärts. Wie auch schon am Vortag entwickelten sich am 20.08. zahlreiche
starke Regenschauer entlang der Nordküste Norwegens und auch rückseitig des
Tiefdruckzentrums über Spitzbergen. Die Wetteraktivität an den Fronten nahm dagegen
ab.
Bis zum
Tagesbeginn des 21.08.2018 war das Tief ROSWITHA kaum weitergezogen, der
zentrumsnahe Luftdruck begann jedoch langsam zu steigen. Die Warmfront reichte
vom Kern ausgehend auf das Nordpolarmeer hinaus, die Kaltfront bis zum Norden
Russlands. Zusätzlich hatte sich auf der Rückseite des Tiefs im Umfeld von
Spitzbergen erneut eine Okklusionsfront ausgebildet. Die binnen eines Tages im
Bereich des Tiefs ROSWITHA gemessenen Niederschlagssummen erreichten an diesem
Tag bei weitem nicht mehr die Mengen der vergangenen Tage. So wurden in den
norwegischen Orten Strømsnes und Nyrud 16,5 bzw. 14,2 mm gemessen, an der
Polarstation Barentsburg auf Spitzbergen 2,3 mm. Im weiteren Tagesverlauf des
21.08. zog der Tiefdruckwirbel weiter auf das Nordpolarmeer hinaus und
entfernte sich damit aus dem Analysebereich der Berliner Wetterkarte.
Insgesamt
hatte das Tief ROSWITHA über 5 Tage lang das Wettergeschehen besonders über dem
Westen und Norden Europas mitbestimmt, sich dabei zu einem Sturmtief entwickelt
und über Schottland und Norwegen für schwere Sturm- und Orkanböen sowie hohe Niederschlagssummen
gesorgt.