Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet RUDI
(getauft am 02.12.2015)
Am Morgen des 02. Dezember
2015 wurde in der Bodenwetterkarte über dem Nordatlantik ein sich entwickelnder
Tiefdruckkern analysiert und auf den Namen RUDI getauft. Dieses Tief RUDI
entstand als sogenannte Wellenstörung an der Polarfront, also der Grenze
zwischen subtropischen und polaren Luftmassen.
Zum Nachttermin um 01 Uhr MEZ
befand sich der Kern mit etwa einem Druck von 1018 hPa am Boden ungefähr 2000
km westlich der Straße von Gibraltar am Rande eines Hochdruckgebietes über dem
westlichen Nordatlantik. Dieses Hoch war jedoch nur am Boden ausgeprägt,
während in der 500 hPa Karte, also in etwa 5 km Höhe, ein ausgeprägter Trog mit
Kaltluft unsere Großwetterlage bestimmte. Da sich der Wirbel RUDI bis dahin
kaum entwickelt hatte, war die Polarfront noch nahezu ungestört, wurde jedoch
schon in eine vom Kern ausgehende Warmfront nach Nordosten und eine Kaltfront
nach Südwesten unterteilt. Die Warmfront ging dabei nach etwa 1000 km in das
Frontensystem eines älteren Tiefs nahe Island über.
Auf der Vorderseite des
Höhentroges verstärkte sich die Zyklone RUDI im Verlauf des Tages bis zum Nachttermin
des 3. Dezembers rasch auf unter 1010 hPa im Kern. Dabei zog der Kern in der
starken Südwestströmung über den Nordostatlantik bis etwa 1000 km südwestlich
von Irland. Das Frontensystem begann teilweise zu okkludieren, wobei vom Kern
ausgehend die Warmluft über die heranziehende schnellere Kaltluft gehoben wurde.
Diese Okklusion war zum Nachttermin einige hundert Kilometer lang und teilte
sich am Okklusionspunkt im Bereich des Kerns RUDI in eine Kaltfront Richtung
Südwesten und eine Warmfront nach Nordosten über Wales bis zur Nordsee, wo sie
in die Kaltfront des vorherigen Tiefs überging. Im Satellitenbild war das
gesamte Frontensystem mit starker Bewölkung deutlich zu erkennen. Die
Temperaturgegensätze im Bereich von Tief RUDI waren dabei recht beachtlich.
Während um 19 Uhr MEZ in Schottland die Temperatur lediglich bei 2 bis 4°C lag,
wurden im Warmsektor über England noch 12 bis 13°C gemessen. Entlang der
Zugbahn des Tiefzentrums wurden zudem ergiebige Regenfälle registriert.
Immerhin meldete die irische Station Oak Park 12-stündig 36 l/m² Regen bis zum
Abendtermin um 19 Uhr MEZ, in Schottland fielen in Dundrennan 28 l/m² und auf
der Isle of Man sogar 48 l/m² Regen. Weiterhin verhinderte die dichte Bewölkung
entlang des Frontensystems jeglichen Sonnenschein. So wurde in ganz
Großbritannien und den angelegenen europäischen Küstenregionen kaum Sonne registriert.
Dennoch blieb es mit Temperaturmaxima von bis zu 15°C im Warmsektor, wie
beispielsweise in Brest, für diese Jahreszeit außergewöhnlich mild.
Bis zum Nachttermin des 4.
Dezembers hatte sich der Wirbel RUDI auf unter 1000 hPa im Kern verstärkt,
dabei Irland und England überquert und zog um 01 Uhr MEZ über die Nordsee etwa
200 km östlich von Schottland. Vom Kern RUDI ausgehend wurde eine Warmfront
Richtung Osten über den Skagerrak bis Lettland analysiert. Etwa in einem 90°-Winkel
davon verlief eine Kaltfront nach Süden bis über den Ärmelkanal und dann
Richtung Südwesten über die Biskaya und Portugal. Hinter der Kaltfront wurde
außerdem eine kurze Okklusion vom Kern ausgehend über der Nordsee analysiert. Die
Frontensysteme waren im Verlauf des Tages sehr wetterwirksam. So fielen entlang
der Warmfront im Schnitt 2 bis 5 l/m2 Regen in 12 Stunden, wie
beispielsweise 3 l/m2 bis 7 Uhr MEZ im finnischen Uppsala. Die
schnell über Mitteleuropa ziehende Kaltfront war ähnlich aktiv, mit 3,7 l/m2
in Schleswig und 5 l/m2 in Essen zwischen 07 und 19 Uhr MEZ. Der
meiste Regen fiel jedoch, wie nicht unüblich im Bereich der Okklusion um den
Tiefdruckkern. So wurden bis zu 20 l/m2 im norwegischen Trywasshogda
im selben Zeitraum registriert. Südlich des Kerns waren die Druckgegensätze
recht stark, wodurch besonders im Bereich der Nordsee hohe
Windgeschwindigkeiten erreicht wurden. So kam es zu 6-stündigen Maxima der Böen
von bis zu 94 km/h an der Station im dänischen Silstrup und sogar 130 km/h im norwegischen
Lindesnes Fyr, was bereits Orkanstärke entspricht. Auch in Deutschland wie in
St. Peter-Ording brachte das Sturmtief RUDI Windböen von immerhin 83 km/h, was
in Beaufort der Stärke 9 entspricht.
Am Morgen des 5. Dezembers
befand sich das Tief RUDI mit 985 hPa Kerndruck bereits über der
finnisch-russischen Grenze. Das Frontensystem war weiter okkludiert und verlief
vom Kern in einem Bogen nach Osten bis Süden bis zum Okklusionspunkt etwa 300
km nördlich von Moskau. Von dort trennten sich die kurze Warmfront, die etwa
500 km nach Süden reichte, und die Kaltfront, welche sich nach Südwesten über
Weißrussland bis zu den Alpen erstreckte. Weiter nach Westen wurde ein Wechsel
zwischen weniger aktiven Warm- und Kaltfronten über Südfrankreich, Spanien bis
über den Nordatlantik analysiert.
Die Fronten schwächten sich an
diesem Tag immer weiter ab und nur im Bereich des Okklusionspunktes konnten
noch 12-stündige Niederschlagsmengen über 10 l/m2 Quadratmeter
gemessen werden, wie im russischen Segeza mit 16,0 l/m2 bis 07 Uhr
MEZ. Weiter entfernt von der Okklusion fiel nur geringer Regen oder Sprühregen
wie 0,5 l/m2 in Vilnius und 0,3 l/m2 in Salzburg.
Vereinzelt wurde im Bereich
südlich des Tiefdruckkerns RUDI an diesem Tag noch einmal Sturmstärke erreicht,
wie in der estischen Küstenstadt Pakri nahe Tallin mit 83 km/h.
Bis zum 6. Dezember füllte
sich das Tief RUDI schließlich zügig auf, wobei das Frontensystem komplett
okkludierte. Entlang dieser Okklusion fielen jedoch nur noch ein par Tropfen
Regen über Russland.
Bis zum Morgen des 7. Dezembers
war das Tiefdruckgebiet RUDI nach fünf Tagen Lebensdauer schließlich nicht
weiter auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen.
Geschrieben am 29.12.2015 von
Jannick Fischer
Berliner Wetterkarte:
04.12.2015
Pate: Rudolf Polzer