Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet RUVEN

(getauft am 19.11.2013)

 

Über dem westlichen Mittelmeer bildete sich bereits in der Nacht zum 18.11. unterhalb eines Troges, d.h. eines Kaltluftvorstoßes nach Süden im 500 hPa-Niveau, was einer Höhe von 5,5 Kilometern entspricht, am Boden ein Tiefdruckgebiet aus, welches am nächsten Tag anhand der Analysekarte für 00 Uhr UTC, also 01 Uhr MEZ, auf den Namen RUVEN getauft wurde. Mit einem Druck von knapp unter 1000 hPa befand sich das Zentrum des Tiefs RUVEN am Tauftag unweit der Balearen, auch konnte bereits eine zugehörige Okklusionsfront analysiert werden. Als Okklusionsfront wird dabei eine Mischfront bezeichnet, die sowohl Warm- also auch Kaltfronteigenschaften aufweist. Eine solche Front zog sich nordöstlich des Kerns ausgehend über die Straße von Bonifacio hinweg nach Sizilien und von dort Kaltfrontcharakter annehmend in einem Bogen nach Südwesten in Richtung Misrata und weiter über das libysche Hinterland. Bereits am Nachmittag zuvor bildeten sich entlang der Luftmassengrenze zwischen der von Spanien kommenden ehemals subpolaren Kaltluft und den aus Afrika herantransportierten subtropischen Luftmassen kräftige, teils unwetterartige Gewitter aus, die im Verlauf besonders auf den Mittelmeerinseln Korsika und Sardinien hohe Niederschlagsmengen mit sich führten. Innerhalb von 12 Stunden registrierte die Messstation im korsischen Pertusatu bis 18 Uhr UTC Regenmengen von 81 Liter und in Olbia auf Sardinien bis zu 93 Liter pro Quadratmeter, wobei hier der überwiegende Anteil der Niederschläge, d.h. hier 71 Liter pro Quadratmeter, in einem Zeitrum von weniger als 6 Stunden fiel. Die durchschnittliche Niederschlagsmenge für den gesamten Monat November beträgt dabei auf Sardinien 76 Liter und in Olbia sogar nur 56 Liter pro Quadratmeter. Auch auf den Balearen und entlang der spanischen Mittelmeerküste regnete es teils ergiebig. So wurden bei Barcelona innerhalb von 24 Stunden bis 06 Uhr UTC des nächsten Tages 31 Liter und in Palma De Mallorca 36 Liter pro Quadratmeter gemessen. Im Laufe des Tauftages verlagerte sich das Frontensystem des Wirbels RUVEN und damit auch der Schwerpunkt der Niederschläge über Italien hinweg in Richtung des Balkans. So fielen innerhalb von 24 Stunden bis 06 Uhr UTC des nächsten Morgens in Brindisi 46 Liter und an den beiden Messstationen Ciampino und Fiumicino bei Rom 53 Liter bzw. 62 Liter auf einen Quadratmeter. In der Region um Olbia blieb es mit Niederschlagsmengen um 5 Liter je Quadratmeter im Vergleich zum Vortag nahezu trocken. Auch in Kroatien fielen die Niederschläge mit Werten zwischen 30 und 40 Liter je Quadratmeter verbreitet intensiv aus. Lokal wurden sogar noch höhere Niederschlagssummen gemessen, Zavizan registrierte bis 06 Uhr UTC in 24 Stunden 43 Liter, Pluce 48 Liter und Split Resnik sogar bis zu 73 Liter pro Quadratmeter.

Zum 20.11. hatte sich die Zyklone RUVEN nach Nordosten verlagert und lag mit einem auf 1005 hPa gestiegenen Kerndruck gegen 00 Uhr UTC mit seinem Zentrum direkt über Rom. Dem Wirbel war zu diesem Zeitpunkt ein stark verzweigtes Frontensystem zugehörig. Nach Norden verlief vom Kern eine Okklusionsfront nach Bologna, wo sie sich in eine Warm- und eine Kaltfront aufspaltete. Die Stelle, an der Warm- und Kaltfront ineinander übergehen und eine Okklusionsfront bilden, wird als Okklusionspunkt bezeichnet. Von Bologna aus zog sich die Kaltfront entlang der Gebirgsketten des Balkans nach Südwesten und reichte, über dem Mittelmeer vorübergehend Warmfrontcharakter annehmend, bis nach Zentrallibyen. Die Warmfront verlief vom Okklusionspunkt bis nahe der Alpen, wo sie sich mit einem unbenannten Frontensystem und Tief über München verband. Das Niederschlagsband, wenn auch nicht mehr so stark ausgeprägt, erstreckte sich vom Norden Deutschlands bis zur Südspitze Italiens und Griechenlands und verlagerte sich im Laufe des Tages nach Nordosten, wobei bedingt durch das Auftreffen auf die Gebirgsketten des Balkans die Niederschlagsmengen örtlich noch einmal hoch ausfielen. Innerhalb von 24 Stunden registrierten bis 06 Uhr UTC Messstationen in Split Resnik 36 Liter, in Senj 48 Liter und in Zavizan 56 Liter pro Quadratmeter.

Der Tiefdruckwirbel RUVEN hatte zum 21.11. mehrere eigenständige Zentren ausgebildet. Das südliche Zentrum RUVEN I lag mit einem Kerndruck von unter 1005 hPa über dem Golf von Genua und ein nördlicheres Zentrum, der Wirbel RUVEN II, befand sich mit knapp 1000 hPa über der Ostsee. Vom Kern RUVEN I reichte eine Okklusionsfront bis Zagreb, wo sie sich in eine nach Norden reichende Warm- und eine nach Süden verlaufende Kaltfront aufteilte. Die Warmfront ging im Verlauf bei Warschau in die Kaltfront des Wirbels RUVEN II über, die Kaltfront hingegen verband sich mit einem über der Adria liegenden unbenannten Kern. Vom nördlichen Zentrum RUVEN II erstreckte sich eine Okklusion bis Gotland, wo sie sich in die Kaltfront und eine Warmfront teilte, die sich über Nordrussland mit dem Frontensystem des Wirbels PARSIFAL vereinte. In Riga wurden durch den Tiefdruckeinfluss 3 Liter, im schwedischen Gavle 6 Liter und bei Pakri in Estland 10 Liter je Quadratmeter gemessen. Höhere Niederschlagssummen wurden nur noch aus Finnland gemeldet, Kuopio Savilahti registrierte 11 Liter, Lahti 14 Liter und Helsinki 16 Liter pro Quadratmeter. Je nach Region fielen hier die Niederschläge teils auch als Schnee oder Schneeregen. Das Tief RUVEN I wurde im Laufe des Tages rasch in die Zirkulation des von Frankreich herannahenden Wirbels QUENTIN aufgenommen.

Am 22.11. befand sich das Tiefdruckgebiet RUVEN daher mit nur noch einem Zentrum und einem Druck von 1010 hPa gegen 00 Uhr UTC über Gotland. Vom Kern reichte eine Okklusionsfront bis zu ihrem Okklusionspunkt über Südfinnland. Von dort zog sich eine Warmfront über Zentralfinnland nach Osten und endete etwa bei Nowgorod östlich von Moskau. Die Kaltfront hingegen beschrieb einen engen Bogen nach Süden und verband sich über Riga mit der Warmfront eines anderen Wirbels. Letzte Niederschläge konzentrierten sich auf den finnischen-russischen Raum, 24-stündig fielen in St. Petersburg 0,8 Liter, in Nowgorod 1 Liter und in Babajevo 3 Liter Regen oder Sprühregen pro Quadratmeter, in Finnland wurden 1,5 Liter je Quadratmeter nicht überschritten. Auf seiner Zugbahn nach Nordosten schwächte sich Tief RUVEN im Verlauf zunehmend ab, sodass es nachfolgend nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte analysiert werden konnte.

 


Geschrieben von Christian Ulmer

Berliner Wetterkarte: 20.11.2013

Pate: Ralph-Michael Fahlteich