Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet RUŽICA

(getauft am 05.02.2016)

 

Am 05. Februar 2016 erstreckte sich eine kräftige Höhenströmung in der mittleren und hohen Troposphäre von Nordamerika über den Atlantik bis nach Europa. Diese Höhenströmung trennte kalte polare Luftmassen über Kanada von deutlich wärmeren subtroptischen Luftmassen im Süden. In der Meteorologie wird das Auftreten hoher Temperaturgegensätze in Verbindung mit einer kräftigen Höhenströmung auch Frontalzone genannt. An dieser Frontalzone entwickelten sich immer wieder neue Tiefdruckgebiete, die dann in der westlichen Höhenströmung nach Europa gelenkt wurden. An einer wellenförmigen Deformation über dem Norden der USA setzte im Verlauf des Tages die Entwicklung eines neuen Tiefdruckgebiets ein, welches in der Prognose für den Folgetag auf den Namen RUŽICA getauft wurde.

Auf der 00-UTC-Analysekarte des 06. Februar, also um 01 Uhr MEZ dieses Tages, befand sich das Tiefdruckgebiet RUŽICA südlich der kanadischen Insel Nova Scotia. Der Druck im Zentrum fiel bereits auf unter 1000 hPa. Nach Osten ging vom Kern eine leicht bogenförmige Warmfront entlang der Südküste Neufundlands über den Atlantik aus, wo sie später in die Kaltfront des Tiefdruckgebiets QUIRINA überging. Nördlich der Front fielen für Warmfronten typische Aufgleitniederschläge, die in Form von Schnee den Boden erreichten. Auf der Insel Nova Scotia wurden bis 06 UTC innerhalb von 12 Stunden am Moncton Airport 27 mm und an der Westküste der Insel in Yarmouth 22 mm sowie am Fredericton Airport 10,8 mm Niederschlag registriert. Auf der Insel Neufundland wurden im westlich gelegenen Port-Aux-Basques 13 mm und an der Ostküste in Saint John's 3 mm Niederschlag im selben Zeitraum gemessen. Des Weiteren erstreckte sich eine Kaltfront nach Süden in Richtung der Bermuda-Inseln. Im Laufe des Tages zog die Zyklone RUŽICA mit einem Kerndruck von ca. 985 hPa über Neufundland hinweg. Mit dem höheren Druckgradienten nahm auch der Wind zu. Die höchsten Windspitzen wurden am Flughafen von Saint John's mit 106 km/h, in Cape Race mit 107 km/h und auf der kleinen Insel St. Pierre südlich von Neufundland mit 130 km/h registriert. Im weiteren Verlauf gingen die Niederschläge an der Warmfront, die sich weiter nach Osten verlagerte, in die flüssige Phase über. Bis 18 UTC wurden in Neufundland am Gander Airport 21 mm, in Englee 18 mm und in Terra Nova 17 mm Niederschlag verzeichnet, welcher meist als Regen fielen.

Am Folgetag wurde das Tiefdruckgebiet RUŽICA über dem zentralen Nordatlantik analysiert. Der Kerndruck lag um 00 UTC bei ca. 960 hPa. Im Vergleich zum Vortag fiel der Druck im Kern innerhalb von 24 Stunden um 40 hPa. In der Meteorologie bezeichnet man einen Druckfall von 24 hPa innerhalb von 24 Stunden als Rapid-Zyklogenese, was ein Maß für eine sehr kräftige Tiefdruckentwicklung ist. Das Frontensystem wies nun eine Okklusion auf, die dadurch entsteht, dass die schnellere Kaltfront die langsamere Warmfront einholt. Diese Okklusion ging vom Kern nach Osten ab und teilte sich am Okklusionspunkt, wo die Kaltfront die Warmfront einholte, in eine Warm- und eine Kaltfront auf. Die Warmfront verlief vom Okklusionspunkt bis zu den Azoren. Die Kaltfront erstreckte sich im Bogen vom Tiefdruckkern bis zu den Bermuda-Inseln.

Um 00 Uhr UTC am 08. Februar befand sich das Tiefdruckgebiet RUŽICA mit einem Kerndruck von unter 965 hPa westlich der Britischen Inseln. Vom Tiefkern ging weiterhin eine Okklusion ab, die über der Nordsee in eine Warm- und eine Kaltfront überging. Die Warmfront verlief weiter nach Frankreich über Paris bis zu den Pyrenäen. Die Kaltfront erstreckte sich nur knapp westlich der Warmfront über die Bretagne und den Golf von Biskaya, bevor sie dann hinaus über den Atlantik verlief. Auf den Britischen Inseln fielen mit Durchzug des Frontensystems innerhalb von 12 Stunden bis zum Morgen 5 bis 10 mm Niederschlag. Teilweise wurden die Niederschläge schauerartig verstärkt. So fielen zum Beispiel in Odiham südwestlich von London 26 mm, in Shannon in Irland wurden 20 mm registriert. Aus Brüssel konnten im gleichen Zeitraum 11 mm, aus Rotterdam 6 mm und aus Cherbourg 15 mm gemeldet werden.

Bis zum Mittag wurde die Warmfront vollständig von der Kaltfront eingeholt. In der 12-UTC-Analyse erstreckte sich nun eine Okklusion vom Kern westlich der norwegischen Küste im Bogen über Deutschland und Frankreich bis zum Golf von Biskaya. Aufgrund des niedrigen Kerndrucks der Zyklone RUŽICA und des hohen Luftdrucks über Südeuropa, konnte sich über West- und Mitteleuropa ein hoher Druckgradient etablieren. Die daraus resultierenden Windspitzen lagen auf der französischen Insel Ile de Groix im Golf von Biskaya bei 148 km/h, im Norden Frankreichs in La Havre bei 144 km/h und in Paris bei 100 km/h. In Deutschland wurden vor allem mit Durchzug von Schauern rückseitig der Okklusion erhöhte Windgeschwindigkeiten gemessen, wie zum Beispiel in Gelsenkirchen mit 101 km/h oder am Flughafen Düsseldorf mit 93 km/h. Bis zum Abend fielen innerhalb von 12 Stunden im Zuge von Okklusion und Schauern im Henschtal in Rheinlandpfalz 21,2 mm, in Solingen-Hohenscheid in Nordrhein-Westfalen 11,8 mm und in Ludwigsstadt-Lauenstein 15,2 mm.

Bis zum darauf folgenden Tag entwickelte sich eine Dipolstruktur des Tiefdruckkerns von Wirbel RUŽICA westlich der norwegischen Küste. Außerdem wies der Kern eine lang gestreckte Okklusion, ausgehend von Norwegen über Stockholm und die Ostsee bis zur polnischen Küste auf. Von dort verlief die Front weiter als Kaltfront bis nach Italien. Des Weiteren hatte sich eine neue Okklusion, von der Südwestküste Norwegens im Bogen über die Nordsee nach Schottland verlaufend, ausgebildet.

Auf der 00-UTC-Analyse des 10.02.2016 wurde das Tiefdruckgebiet RUŽICA mit je einem Tiefdruckkern über der Nordsee und dem Nordmeer analysiert. In beiden Kernen lag der Kerndruck bei unter 980 hPa. Tief RUŽICA besaß nun nur noch eine Front, diese verlief ausgehend vom südlicheren Tiefdruckkern über die Nordsee, die Niederlande, Belgien bis nach Frankreich und dann hinaus über den Atlantik. Entlang dieser Okklusion konnten bis zum Abend innerhalb von 12 Stunden in Rotterdam und in Cherbourg im Norden Frankreichs 5 mm und in Gent im Westen Belgiens 13 mm registriert werden.

Im weiteren Verlauf des Tages schwächte sich das Tiefdruckgebiet RUŽICA weiter merklich ab und wies am Folgetag einen Kerndruck von ca. 995 hPa auf. Außerdem teilte sich die Zyklone RUŽICA in zwei Teiltiefs. Das Tief RUŽICA I lag über der westlichen Ostsee und der Wirbel RUŽICA II über der Westküste Norwegens. Der Wirbel RUŽICA I wies keine Fronten mehr auf, dem Teiltief RUŽICA II konnte hingegen eine Kaltfront zugeordnet werden, die nach Westen vom Tiefdruckkern nach Schottland abging.

Bis zum darauf folgenden Tag lösten sich beide Teiltiefs auf, so dass das Tief RUŽICA auf der Berliner Wetterkarte des 12.02.2016 nicht weiter analysiert werden konnte.

 


Geschrieben am 09.05.2016 von Morten Kretschmer

Berliner Wetterkarte: 08.02.2016

Pate: Ružica Singer