Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet SABINE

(getauft am 07.02.2020)

 

Die Anfänge von Tief SABINE reichen bis in die ersten Tage des Februars zurück, als sich über dem Südosten der USA um den 06. des Monats ein neues Tiefdruckgebiet formte. Wie so häufig bildete sich der Wirbel auf der Vorderseite eines umfangreichen Kaltlufthöhentroges, der sich zu diesem Zeitpunkt vom mittleren Westen der USA bis zu den amerikanischen Südstaaten ausbreitete. In der Meteorologie bezeichnet ein Höhentrog einen Bereich niedrigen Drucks und niedriger Temperaturen in höheren Luftschichten, meist zwischen 3-9 km Höhe. Das Zusammentreffen höhenkalter Luft aus dem arktisch-kanadischen Raum, mit den dort befindlichen, subtropischen Luftmassen mündete schließlich in einer Zyklogenese.

Zunächst verlagerte sich das Tiefdruckgebiet unter nur moderater Kräftigung entlang der amerikanischen Ostküste nordostwärts, ehe es im Laufe des 07. Februar eine Weiterentwicklung erfuhr. Dies lag zum einen an der Verschärfung der Temperaturgegensätze, je weiter der Wirbel nach Norden vorankam. So wurden etwa in der Nacht (00 UTC) in einer Höhe von rund 5 km ganz im Norden der Provinz Quebec, in Kuujjuaq, Temperaturen von -44°C gemessen, während es zeitgleich über Washington nur -10°C waren. Zum anderen baute sich über dem Nordatlantik eine markante, in Richtung Westeuropa gerichtete Höhenströmung auf. In diesem Starkwindband, meteorologisch auch Jetstream genannt, erreichen die Windgeschwindigkeiten in 9-12 km Höhe gut und gerne Werte von 300 km/h oder mehr. In diesem Falle wurden mittels Radiosondierung am Washingtoner Flughafen sogar Geschwindigkeiten von bis zu 350 km/h gemessen (12 UTC). Das Tief befand sich also entwicklungsgünstig am Eingang des Jets im Bereich großer Temperaturgegensätze. Den Prognosen nach sollte es von der Höhenströmung erfasst werden, unter Entwicklung zu einem Sturmtief rasch bis nach Europa ziehen und schließlich auch Einfluss auf unser Wetter nehmen. Und so wurde das Tief an jenem 7. Februar auf den Namen SABINE getauft.

Bereits in den Frühstunden des 08.02. tauchte Tief SABINE erstmals im Ausschnitt der Berliner Wetterkarte auf. Das Zentrum befand sich über Neuschottland, wo der Luftdruck um 00 UTC, was 01 Uhr MEZ entspricht, in St. John beispielsweise 970,6 hPa betrug. Mit der Zyklone waren Ausläufer verbunden, die sich als Warmfront ostwärts bis ins Seegebiet der Azoren spannten, die Kaltfront dagegen reichte südwärts entlang der amerikanischen Ostküste bis in subtropische Gewässer. Getragen durch die kräftige Höhenströmung, in etwa 10 km Höhe erreichte der Wind über Neufundland Geschwindigkeiten von bis zu 390 km/h, zog SABINE rasch über den Nordatlantik in Richtung Nordwesteuropa. Schon in der Nacht zum 09. Februar machte es sich über Europa, genauer den Britischen Inseln erstmals bemerkbar, als kräftiger, schauerartiger Regen vom Atlantik übergriff. In einem 12-stündigen Messintervall wurden bis zum Morgen vor allem in Irland, Wales, Nordengland und Schottland Regenmengen von über 10 l/m², vielfach sogar 20-30 l/m² gemessen (Belfast 15 l/m², Glasgow 22 l/m², Edinburgh 33 l/m²). Mit den Niederschlägen frischte ebenfalls der Wind auf, sodass es verbreitet zu starken-stürmischen Böen kam, an den Küsten und in exponierten Lagen auch zu ersten Sturmböen.

Währenddessen befand sich die Zyklone mit Zentrum 800-900 km westlich der Britischen Inseln, der Luftdruck betrug mittlerweile knapp unter 965 hPa mit weiter fallender Tendenz. In den folgenden Stunden des 09. Februars verlagerte sich der Wirbel unter weiterer Vertiefung rasch über Schottland hinweg in Richtung der Küste Norwegens. Dabei drang das okkludierende Frontensystem, d.h. Warm- und Kaltfront begannen sich vom Zentrum aus zu vereinigen, mit teils kräftigen Regenfällen über die Nordsee nach Frankreich, Benelux und Dänemark hinweg und erreichte bis zum Abend auch den Nordwesten Deutschlands, sowie Südskandinavien. Während die Niederschlagsmengen über Deutschland und Frankreich mit meist unter 1 l/m² in 12 Stunden eher gering ausfielen, wurden über den Britischen Inseln, aber auch Südskandinavien verbreitet mehr als 10 l/m² beobachtet, in Spitzen auch 30-40 l/m² (z.B. Bingley 40 l/m², Bergen 38 l/m²).

Mit den Niederschlägen erreichte nun auch das Sturmfeld das europäische Festland. Vor allem über Frankreich, Benelux, den Norden Deutschlands, aber auch Dänemark und Südskandinavien brachen Sturmböen oder auch schwere Sturmböen mit 75-100 km/h ein. Am Flughafen Hamburg wurden gegen 18 UTC Böen bis 93 km/h gemessen, in Paris bis 98 km/h, das ist Windstärke 10! Noch stärker bließ der Wind im direkten Küstenumfeld und an exponierten (höhergelegenen) Stellen, dabei kam es auch zu ersten Orkanböen, wie etwa um 17 UTC am Kieler Leuchtturm (141 km/h). Auf der Vorderseite der Zyklone schwappte vom Atlantik her ein Schwall mäßig-warmer Meeresluft nach West- und Mitteleuropa, dabei stiegen die Temperaturen vielfach bis auf 10-15°C.

Nachts setzte sich das stürmische, wolkenreiche und gebietsweise nasse Tiefdruckwetter im Umfeld der Zyklone fort. So überquerte die Okklusion mit teils ergiebigen Regen Deutschland südostwärts und erreichte bis zum Morgen auch Tschechien, Polen und das Baltikum. Dabei blieb es ungewöhnlich mild für Anfang Februar, mit Tiefstwerten von 5-10°C zwischen Frankreich, Deutschland und Polen. Selbst über Südskandinavien war es alles andere als winterlich kalt, Kopenhagen meldete als Tiefstwert 6°C, Stockholm und Oslo 5°C.

Am 10. Februar sollte Sturm SABINE den Höhepunkt erreichen, als der Kerndruck auf knapp unter 945 hPa fiel. Dabei schob sich das Tief entlang der norwegischen Küste nordwestwärts und erreichte am Abend bereits Nordnorwegen. Mit 943,1 hPa registrierte die Messstation Sklinna Fyr, südlich von Bodo um 06 UTC den niedrigsten Druck in der Entwicklung der Zyklone. Zeitgleich drangen die Ausläufer des Tiefs, welche sich auf den Satellitenbildern jenes Tages als breites, weißes Band über Zentraleuropa zeigten, weiter ost- und südwärts voran und erreichten bis zum Abend bereits Alpen, Adria und Osteuropa. Die Niederschlagsmengen entlang der Front lagen meist im Bereich zwischen 5-10 l/m², so wurden in Warschau zwischen 06 und 18 UTC 6 l/m² gemessen, im ungarischen Veszprém 5 l/m², in Vilnius 8 l/m² und in Wien 10 l/m². Aber auch hinter der Front kam es zu weiteren Niederschlägen. In der postfrontal einfließenden, kühlen Meeresluft (Maxima unter 10°C) stellte sich wechselhaftes, windiges Schauerwetter über Deutschland, Benelux und Britischen Inseln ein. Beispielsweise meldete Hamburg bei einem tagsüber frischen bis starken West-Südwestwind der in Böen zeitweilig Sturmstärke (89 km/h) erreichte, bis zum Abend 10 l/m² und eine Höchsttemperatur von 8°C. Im schottischen Edinburgh gab es ebenfalls stürmische Böen (bis 65 km/h), 10 l/m² Regen und Temperaturen von +3°C. Und in Amsterdam brachte der lebhafte Westwind zwar nur schwache Regenschauer (0,9 l/m²), aber aufgrund der Nordseenähe Temperaturen von knapp 10°C.

Auf ganz andere Weise machte sich Sturmtief SABINE an jenem Tag über Russland, aber auch Nordskandinavien bemerkbar. Auf der Vorderseite der Zyklone gelangte, aufgrund der gegen den Uhrzeigersinn gerichteten Luftmassenbewegungen (um das Tiefzentrum), Warmluft subtropischen Ursprungs aus Südosteuropa weit nach Norden. Moskau meldete nach einer tagelangen Dauerfrostperiode und trotz vorhandener Schneedecke Höchstwerte von +3°C. Selbst nördlich des Polarkreises, wie im nordrussischen Archangelsk stieg das Quecksilber auf bis zu +2°C. Und über Lappland brachten die aufziehenden Fronten des Tiefs statt Schnee zeitweilig Regen, bei Temperaturen von +3°C im finnischen Rovaniemi.

In der Nacht zum 11. Februar griffen die Niederschläge weiter auf Osteuropa und den Westen Russlands über, wobei diese nun zunehmend in Schnee übergingen. Die Wetterstation am Moskauer Flughafen Domodedowo meldete in der ersten Nachthälfte einzelne Schneeschauer, später dann leichten-mäßigen Schneefall. Die zuvor nur dünne Schneedecke erhöhte sich hierdurch bis zum frühen Morgen im Moskauer Raum auf 8-14 cm. Über Mitteleuropa setzten sich die schauerartigen Niederschläge, die über Deutschland teils mit Graupel vermischt und von Blitz und Donner begleitet waren und vereinzelt auch im Flachland für die ein oder andere Schneeflocke sorgten, fort. Bemerkenswert ist, bis zum Morgen blieb es zwischen Rhein, Elbe und Weichsel quasi nirgends trocken, wobei die Mengen zwischen wenigen Zehntel Litern pro Quadratmeter bis hin zu 10-20 l/m² in 12 Stunden zwischen Schwarzwald, Schwäbischer Alb und Bayrischem Wald schwankten. Immerhin reichte es so für etwas Schnee in den Deutschen Mittelgebirgen, im thüringischen Neuhaus etwa für 9 cm Neuschnee.

Unterdessen befand sich Tief SABINE am frühen Morgen des 11.02. mit Zentrum im Bereich des Nordkaps. Hier, bzw. ein Stück nördlich davon über der Barentssee sollte die Zyklone an den Folgetagen zum Liegen kommen und sich einkringeln. Dabei stieg der Luftdruck nun langsam von 945 hPa auf knapp 955 hPa bis Tagesende. Auf das Wetter hatte dies zunächst wenig Einfluss; neben leichten bis mäßigen Schneefall über Osteuropa und Russland zum einen, hielt sich windiges Schauerwetter zwischen Britannien, Mitteleuropa und Baltikum zum anderen. Über den Britischen Inseln herrschte auf der Rückseite des Tiefs fast schon Aprilwetter, mit verbreitet Regen-, Schneeregen und Graupelschauern, sowie zeitweiligem Sonnenschein. So auch im irischen Dublin, wenngleich die Niederschlagsintensität mit 2 l/m² innert 12 Stunden schwächer als an den Vortagen ausfiel und auch der Wind "nur noch" mäßig-frisch, mit einzelnen starken-stürmischen Böen (bis 72 km/h) wehte. Ähnliches Wetter zeigte sich auch über Frankreich, Benelux und Deutschland, Polen bis ins Baltikum, wobei die Temperaturen im Zustrom maritimer Subpolarluft bei kühlen 4-8°C lagen. Wenn es regnete, dann meist mit nur noch wenigen Litern pro Quadratmeter (Prag 0,5 l/m², Luxemburg 2 l/m², Düsseldorf 3 l/m²), nur entlang von Nord- und Ostseeküste bzw. in den Alpen wurden zweistellige Mengen registriert (Oberstdorf 11 l/m², Aalborg 12 l/m²).

In sich anschließender Nacht ließ die Niederschlagsneigung über Nordwest- und Mitteleuropa weiter nach, selten wurden zwölfstündig Mengen von mehr als 5 l/m² gemessen, meist sogar unter 1 l/m², stellenweise blieb es auch trocken. Aber nicht überall, gerade zwischen Schottland, Südwestnorwegen, Dänemark und Norddeutschland bis zum Baltikum gab es teils kräftigere Regenschauer (z.B. Kaliningrad 7 l/m², Bergen 8 l/m², Cuxhaven 11 l/m², Altnaharra/ Schottland 13 l/m²). Ursache war ein kleines Randtief, welches an der Südflanke von Tief SABINE vom südlichen Nordmeer nach Südskandinavien zog und für eine erneute Labilisierung der Atmosphäre sorgte. Unterdessen waren die Ausläufer des Tiefs über die Balkan-Halbinsel und das Schwarzes Meer bis zur Türkei vorgedrungen. Vor allem zwischen Istanbul, Ankara und türkischer Schwarzmeerküste kamen mitunter kräftige Regenschauer auf, die etwa in Kocaeli 11 l/m² zwischen 18 UTC und 06 UTC des Folgetags brachten.

Am 12. Februar begann sich Tief SABINE nun deutlicher abzuschwächen, was am steigenden Luftdruck über weiten Teilen Europas sichtbar wurde. Zwar blieb der Wind gerade noch zwischen Nord- und Ostsee und Alpen, sowie Maas, Elbe und Weichsel tagsüber lebhaft, mit verbreiteten starken-stürmischen Böen, im Bergland und an den Küsten auch weiterhin Sturmböen. Dafür ging die Schauerneigung über Mitteleuropa weiter zurück. In Berlin, wie auch in Prag, Warschau oder Basel wurde zwar Niederschlag, aber in nicht messbarer Menge registriert. Nennenswerten Niederschläge gab es über dem Baltikum (Vilnius, Klaipeda 5 l/m²), entlang von Nord- und Ostsee (Kiel 6 l/m², Rostock-Warnemünde 8 l/m²), und in den südlichen Mittelgebirgen (Luxemburg, Freudenstadt 8 l/m²). Die Schneefallgrenze lag dabei zwischen 200 m im Norddeutschen Tiefland und 600 m im nördlichen Alpenvorland, vor allem in den Bergen fiel zeitweilig Schnee. Ganz über dem Südosten Europas, rund um das Schwarze Meer, bis hierhin war die durch Tief SABINE herangeführte, kühlere Luft vorgedrungen, kam es ebenfalls zu Regen- und Schneefällen, wie übrigens auch über dem Westen und Nordwesten Russlands. Diese waren eher leichter bis mäßiger Intensität, punktuell wurden 10 l/m² in 12 Stunden überschritten (Charkow 10 l/m², Sivas 20 l/m²). So setzte sich die schon zuvor winterliche Episode zwischen Türkei, Georgien und Russland mit weiteren Schneefällen fort. Gerade über Anatolien und dem Kaukasus wuchs die ohnehin schon Dutzende Zentimeter mächtige Schneedecke weiter an. Am drauf folgenden Morgen meldete beispielsweise das türkische Kayseri 19 cm, das anatolische Sivas 46 cm und der Wintersportort Krasnaja Poljana bei Sotschi 30 cm.

An den folgenden Tagen verblieb Tief SABINE mit Zentrum über der Barentssee, wobei der Kerndruck von 975 hPa am Morgen des 13.02. auf knapp unter 1000 hPa am Morgen des 15. Februar anstieg. Ausläufer des Tiefs beeinflussten zeitweilig noch das Wetter in Skandinavien und Nordwestrussland, mit teils dichteren Wolken und leichten Niederschlägen. Die Wetterregie über Nordwest-, Mittel und dem restlichen Osteuropa sollte hingegen bald schon ein vom Atlantik neu aufziehender Tiefdruckwirbel übernehmen und so für eine Fortsetzung des nasskalten, wechselhaften Februarwetters sorgen.

Letztmalig konnte Tief SABINE in den Frühstunden des 15. Februar in der Berliner Wetterkarte, mit Zentrum wenige hundert Kilometer nördlich des Nordkaps analysiert werden, ehe es sich in den folgenden Stunden über der Barentssee auflöste.