Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet SANDER

(getauft am 23.04.2019)

 

Am Montag, dem 22.04.2019 stellten sich die Bedingungen am Golf von Biskaya günstig dar, damit sich dort ein Tiefdruckgebiet entwickeln konnte. Über dem Westen der Britischen Inseln und Frankreich sowie der Iberischen Halbinsel lag ein Höhentrog, der sich in den folgenden Tagen weiter ausdehnen und verstärken sollte. Die Luftmassen am Golf von Biskaya waren von maritimer Subtropikluft geprägt, doch dies sollte sich bald ändern, denn durch den Trog wurde zunehmend maritime Polarluft herangeführt. An einer Wellenstörung entlang der Kaltfront eines Tiefs mit Zentrum südöstlich von Island hatte bereits die Zyklogenese, also die Entstehung eines Tiefdruckwirbels, begonnen. Dabei verwirbelten sich entlang der sogenannten Polarfront kalte und warme Luftmassen miteinander, sodass eine Eigendynamik entstand, aus der ein sich gegen den Uhrzeigersinn drehendes Druckgebilde, also eine Zyklone, hervorgehen sollte. Dieses wurde in Prognose auf den Folgetag auf den Namen SANDER getauft und sollte sich am nächsten Tag, dem 23.04., über der Biskaya befinden. Auf der Berliner Wetterkarte tauchte das Tief erstmalig um 02 Uhr MESZ im äußersten Westen der Meeresbucht auf, mit einem Kerndruck von 995 hPa. Seine Warmfront reichte vom Tiefkern aus bis zur Südwestspitze Irlands und seine Kaltfront zog sich zunächst nach Südosten bis über das Baskenland und danach westwärts in einem Bogen über Spanien und Portugal bis über den Ostatlantik.

Mit dem Durchgang der Kaltfront wurde es in der Westhälfte der Iberischen Halbinsel an diesem Tag deutlich kühler als zuvor. So wurde in Lissabon nur noch eine Höchsttemperatur von 17,1°C erreicht; am Vortag waren es noch über 22°C. Über dem Westen und der Mitte Spaniens wurden verbreitet weniger als 15°C gemessen, statt wie zuvor über 20°C. Selbst in Sevilla kühlte sich die Luft von über 25°C auf knapp unter 18°C ab. Die Warmluft wurde in den Osten des Landes gedrängt, wo in Küstennähe noch häufig mehr als 20°C erreicht werden konnten.

Zudem kam es entlang der Kaltfront sowie dahinter zu zahlreichen Schauern. Bereits in der Nacht und in den frühen Morgenstunden wurden über dem Nordwestteil der Iberischen Halbinsel von den meisten Wetterstationen Schauer bzw. Regenfälle gemeldet. Diese fielen meist leicht aus, an der Küste auch mäßig bis stark und fielen im Tiefland durchweg in flüssiger Form.

Im Skigebiet La Hoya-La Covatilla, etwa 170 km westlich von Madrid, wurde um 05 Uhr MESZ mäßiger Schneefall gemeldet, allerdings auf einer Höhe von 1960 m. Der Schneefall hielt bis zum Abend an, war zwischenzeitlich durch Schauer verstärkt und es trat auch gefrierender Regen auf. Um 10 Uhr MESZ wurden von der Bergstation des Navacerrada, die nordwestlich Madrids auf 1894 m liegt, Eiskörner gemeldet. Auch hier wurde später noch Schneefall mit wechselnden Intensitäten beobachtet, was zu einer Neuschneehöhe von immerhin 4 cm am nächsten Tag führte.

Bis zum 24.04. um 02 Uhr MESZ hatte sich der Wirbel weiter Richtung Norden verlagert und befand sich nun mit einem Kerndruck von rund 990 hPa etwa 100 km südwestlich der Küste Irlands. Seine Warmfront reichte fast 1400 km weit nach Norden bis nach Island und die Kaltfront nach Südosten über die Bretagne, Südfrankreich und die Balearen bis zur algerischen Küste.

Auch in Frankreich sorgte die Kaltfront von Tief SANDER an diesem Tag für einen deutlichen Temperaturrückgang: Nachdem am Vortag noch meist um 20°C oder mehr erreicht wurden, lagen die Höchsttemperaturen nun verbreitet unter 18°C, in der Bretagne auch deutlich darunter (Brest 14,8°C). Einzig in der Region um Toulouse im Süden und im äußersten Nordosten des Landes wurden ähnliche Werte wie am Vortag gemessen. Weiterhin kam es durch die Kaltfront zu Niederschlägen, die jedoch nicht so heftig ausfielen, wie über der Iberischen Halbinsel. Bereits um Mitternacht regnete es im Südwesten des Landes, danach breitete sich das Niederschlagsgebiet in nordöstliche Richtung aus, bis es gegen 11 Uhr MESZ Lyon und Nantes erreichte und bis 15 Uhr MESZ Paris, wo einige Schauer beobachtet wurden. Auch in der Schweiz sowie in Italien regnete es zeitgleich, teils durch Schauer verstärkt, sodass z.B. in der italienischen Schweiz vielerorts über 50 mm, in Mosogno sogar rund 84 mm in 24 Stunden bis 08 Uhr MESZ des Folgetages fielen. Am Abend erreichte das Niederschlagsgebiet die Beneluxstaaten sowie den Südwesten Deutschlands. Dabei kam es entlang einer Linie vom holländischen Groningen bis zum Schwarzwald auch zu Gewittern. Im saarländischen Tholey wurde um 17 Uhr MESZ ein Hagelschauer gemeldet. Über Irland fing es ebenfalls ab Mitternacht zu regnen an und bis 05 Uhr MESZ hatte sich das Niederschlagsfeld über die gesamte Insel ausgebreitet.  Außerdem kam es ab den frühen Morgenstunden (07 Uhr MESZ) zu ersten Schauern über dem Süden Englands, die sich im weiteren Verlauf nach Norden ausbreiteten. Die höchste Niederschlagsmenge wurde in St Athan, Wales mit 16 mm 12-stündig bis 20 Uhr MESZ verzeichnet.

Am nächsten Tag, dem 25.04. war die Zyklone SANDER über Irland hinweg gezogen und lag um 01 MEZ über der Nordküste der irischen Insel mit einem Kerndruck von unverändert 990 hPa. Etwa 500 km westlich der britischen Inseln hatte sich ein neues Tief entlang der Warmfront gebildet, weshalb die Front nun okkludiert, also mit Kaltluft vermischt war. Vom Tiefkern ausgehend verlief die Kaltfront nach Südosten über die Nordsee, Schleswig-Holstein und den Osten Deutschlands bis zu den Alpen. Gegen Morgen zogen die letzten Schauer aus Deutschland und den Niederlanden ab; in 12 Stunden bis 08 Uhr MESZ wurden noch 23 mm in Reken/Münsterland gemessen.

Am Folgetag, dem 26.04., hatte sich das Tief SANDER weiter nach Norden verlagert und wurde um 01 MEZ ca. 100 km südlich von Island verortet. Es hatte sich zudem abgeschwächt und wies nur noch einen Kerndruck von 995 hPa auf. Vom Tiefkern aus reichte noch eine Okklusionsfront, die in eine Kaltfront überging ca. 1200 km nach Osten bis vor die norwegische Küste.

Die Zyklone war an diesem Tag nicht mehr wetterwirksam, bzw. wurden keine Wettererscheinungen von umliegenden Stationen aufgezeichnet, die sich auf sie zurückführen ließen. Tags darauf hatte sich der Tiefdruckwirbel aufgelöst und wurde dementsprechend nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte eingezeichnet.