Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet SCARLETT
(getauft am 19.12.2010)
Am
17.12. bildete sich südlich von Neufundland ein neues Tief. Zu diesem Zeitpunkt
lag in dem Höhenniveau von etwa 5,5 km der Scheitelpunkt eines kräftigen
Troges, der von der Ostküste der USA ca. 1500 km östlich auf den Atlantik,
gleichzeitig dem Entstehungspunkt des Tiefs, hinausreichte und sich nach Norden
entlang der neufundländischen Küste erstreckte. Die in dem Trog vorhandene
Kaltluft begünstigte die Entwicklung neuer Tiefs. Ein Teil dieses Troges
spaltete sich am nächsten Tag ab und wurde zu einem Kaltlufttropfen. Das
bedeutet, dass die kalte Luft, die in diesem Tropfen durch vergleichsweise
wärmere Luft umgeben war, keinen Kontakt mehr zur kalten Luftmasse über
Nordostamerika hatte. Da sich die eingeschlossene kalte Luft schnell erwärmte,
war die Entwicklung des neuen Tiefs gebremst worden. Erst das Erreichen des 30.
nördlichen Breitengrades, wo sich der Subtropenjet
(ein starkes Windfeld, dass die Erde in etwa 300 hPa oder etwa 9 km Höhe
umspannt) befand, gab der Entwicklung eine neue Dynamik. Aufgrund dessen wurde
das Tief am 19.12. auf den Namen SCARLETT getauft.
Die
Zyklone SCARLETT erreichte mit ihrem Zentrum am gleichen Tag mit einem
Kerndruck von etwa 995 hPa die Inselgruppe der Azoren und brachte in Lajes do Pico bis zum Morgen des
folgenden Tages 13 l/m². Bis zum Mittagstermin wurden weitere 12 l/m²
registriert. Die mitgeführte warme Luft ließ die Temperaturen an dieser Station
bis auf 16,5°C ansteigen. Auch in Funchal, der Hauptstadt
von Madeira, wurden mit insgesamt 25 l/m² innerhalb von 24 Stunden ähnliche
Mengen gemessen. Die Höchsttemperatur lag mit 22,1°C aber deutlich über der von
Lajes do Pico.
Am
21.12. erreichte SCARLETT mit ihrem tiefsten Kerndruck von etwa 987 hPa die
Iberische Halbinsel und den nordwestafrikanischen Mittelmeerraum. Die
umfangreichen Wolkengebiete von Tief SCARLETT beinhalteten kräftige
Niederschlagsgebiete, die wiederum vom 21. bis 23.12. intensiven und langanhaltenden Regen brachten. Hier eine kleine Übersicht
der 72-stündigen Niederschlagsmengen einiger Stationen in diesen Regionen:
Malaga 116 l/m², Sevilla 79 l/m², Lissabon 51 l/m², Faro
45 l/m², Tanger 101 l/m².
Am
23.12. beeinflusste SCARLETT auch das Wettergeschehen in Frankreich, Italien
und Tunesien. Die höchsten 24-stündigen Niederschlagsmengen wurden aus Ajacco (Korsika) mit 48 l/m², Mailand mit 44 l/m² und Bozen
mit 30 l/m² gemeldet. Tief SCARLETT zog weiter zu den Alpen und spaltete sich
dort in zwei Teile auf. Während der nordöstliche Teil SCARLETT I über
Tschechien nach Polen zog, blieb SCARLETT II über der Nordhälfte Italiens fast
stationär. Von dort wurden mit bis zu 33 l/m² (Florenz und Neapel) die höchsten
Mengen gemeldet.
In
der Osthälfte Deutschlands fiel der Niederschlag bei Temperaturen um den
Gefrierpunkt als Schnee oder gefrierenden Regen, was zu erheblichen
Verkehrsbeeinträchtigungen führte. Als Neuschnee wurden bis zu 15 cm
registriert. Die Schneehöhe stieg damit z.B. in
Berlin auf 31-34 cm, in Putbus auf Rügen auf 63 cm und auf dem Brocken auf 160
cm.
SCARLETT
II schwächte sich bis zum 26.12. soweit ab, dass sie nicht mehr namentlich auf
der Bodenwetterkarte erschien. SCARLETT I, die inzwischen Weißrussland erreicht
hatte, wurde ab diesem Zeitpunkt wieder als Tief SCARLETT geführt. Die
Niederschlagsintensität war aber deutlich zurückgegangen, sodass nur noch
vereinzelt 24-stündige Mengen von über 10 l/m² gemeldet wurden.
Am
28.12. überquerte Tief SCARLETT mit einem Kerndruck von ca. 1018 hPa den Ural
in Richtung Osten und tauchte so letztmalig auf der Berliner Wetterkarte auf.
Geschrieben am 04.02.2011
von Matthias Treinzen
Wetterkarte: 23.12.2010
Pate: Scarlett Wycisk