Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet SEBASTIAN
(getauft
am 22.11.2017)
Am
22.11. wurde anhand einer Prognosekarte für 12 Uhr UTC, also 13 Uhr MEZ, des
folgenden Tages ein sich aus westlicher Richtung über den Atlantik verlagernder
Tiefdruckwirbel auf den Namen SEBASTIAN getauft, der sich bereits einige Tage
zuvor über dem nordamerikanischen Raum unterhalb eines ausgeprägten Troges
kalter Luft im 500 hPa-Niveau, was einer Höhe von knapp 5,5 Kilometern
entspricht, entwickelt hatte.
Auf
seiner Zugbahn gen Osten befand sich das Tief SEBASTIAN am 23.11. um 01 Uhr UTC
mit einem Kerndruck von unter 1000 hPa westlich von Frankreich über dem
Atlantik, auf der gedachten Schnittlinie von Reykjavík und Bordeaux und damit
noch etwa 700 Kilometer westlich der für 12 Uhr UTC prognostizierten Position.
Vom Zentrum gingen sowohl eine Warm- als auch eine Kaltfront in östlicher,
sowie eine Okklusionsfront in westlicher Richtung aus. Als Okklusion wird dabei
eine Mischfront verstanden, die sich aus der Vereinigung von Kalt- und
Warmfront bildet und somit Eigenschaften beider Typen in sich vereint. Während
sich die Warmfront westlich von Frankreich mit der Kaltfront des über
Großbritannien liegenden Tiefdrucksystems REINHARD verband, zog sich die dem
Wirbel SEBASTIAN zugehörige Kaltfront, welche im Bereich der Azoren
zwischenzeitlich den Charakter einer Warmfront annahm, in einem Bogen nach
Westen in Richtung Nordamerika, vor dessen Ostküste diese in die Warmfront
eines nahe Boston liegenden, unbenannten Wirbels überging. Die sich vom Kern
nach Westen erstreckende Okklusionsfront verband den Kern des Tiefs SEBASTIAN
mit dem Zentrum eines ebenfalls unbenannten, über dem Atlantik liegenden
Wirbels. Auf seiner Zugbahn gen Osten trafen in den Abendstunden erste
Ausläufer mit ihren Niederschlägen auf den äußersten Süden Englands und
weiteten sich anschließend auch auf Nordfrankreich und die Beneluxstaaten aus.
Dabei fielen binnen 12 Stunden bis 06 Uhr UTC des folgenden Morgens in
Cardinham 4,8 mm, bei Chivenor 5,0 mm und auf den Kanalinseln Guernsey und
Jersey 9 beziehungsweise
12,7 mm. Etwas intensiver fielen die Niederschläge jedoch südlich des
Ärmelkanals aus. So wurden im gleichen Zeitraum bei Le Havre 13 mm, in Meaulte
18 mm und in Lanveoc Poulmic 25 mm registriert. In Luxemburg, am Flughafen von
Maastricht als auch im belgischen Diepenbeek wurden jeweils 11 mm und im
ebenfalls belgischen Charleroi bis zu 14 mm gemessen, wobei hier das Gros der
Niederschläge in knapp 6 Stunden fiel.
Zum
24.11. war das Tief SEBASTIAN nach Osten gezogen und lag um 00 Uhr UTC mit
einem auf circa 1010 hPa gestiegenen Druck über der Normandie, unweit von
Rennes. Vom Zentrum erstreckte sich sowohl eine Warmfront über Brüssel bis nach
Göttingen, wo sie sich mit dem Frontensystem der sich von Großbritannien gen
Nordmeer verlagernden Zyklone REINHARD verband, als auch eine Kaltfront über dem
spanischen Santiago de Compostela nach Südwesten, die über dem Atlantik in die
Warmfront eines Richtung Azoren gezogenen Tiefs überging. Das Niederschlagsband
verlagerte sich mit dem Tief SEBASTIAN unter einsetzender Abschwächung über
Norddeutschland und den Ostseeraum nach Osten Richtung Baltikum. Innerhalb von
24 Stunden wurden bis 06 Uhr UTC aus Swinemünde Niederschlagssummen von 7,7 mm, aus Gotland, nahe den Klippen
von Hoburgen 10 mm und aus Öland 11,4 mm gemeldet. Über Norddeutschland fielen 24-stündig an der Station am Kap Arkona 5,5 mm, in Braunschweig 9,9 mm
und in der Hansestadt Seehausen 10,6 mm. Für Süd- und Mitteldeutschland wurde
der dem Tief SEBASTIAN rasch nachfolgende, unbenannte Wirbel wetterbestimmend,
der beispielsweise im Raum Baden-Württemberg bis zu 22,5 mm mit sich brachte.
Auf dem Brocken, wo eine Niederschlagssumme von 12,5 mm registriert wurde,
maßen die Anemometer in den Vormittagsstunden zudem Orkanböen von bis zu 122,5
km/h. Dies entspricht Windstärke 12 auf der Beaufortskala. Ergiebige
Niederschläge wurden auch aus einigen Regionen Estlands und Lettlands gemeldet,
die im Laufe der zweiten Tageshälfte in den Einflussbereich des Tiefs SEBASTIAN
gerieten. Während innerhalb von 12 Stunden in Litauen und Lettland zumeist
zwischen 0,5 und 3 mm gemessen wurden, brachten die ab etwa 18 Uhr UTC
einsetzenden Niederschläge bis 6 Uhr UTC
im lettischen Ventspils 7 mm, im estnischen Kihnu 9 mm und in Kuusiku,
ebenfalls Estland, 11 mm mit sich.
Gegen
00 Uhr UTC des 25.11. befand sich das Zentrum des Randtiefs SEBASTIAN bereits
über dem Baltikum und lag mit einem Druck von weiterhin ca. 1010 hPa unweit von
Riga. Nach Nordosten erstreckte sich eine kleinskalige Warmfront, die über
Estland in das Frontensystem der westlich von Norwegen liegenden Zyklone REINHARD
überging. Die der Warmfront nacheilende Kaltfront zog sich von Riga über Wilna
bis nach Warschau und verband sich anschließend mit der Warmfront eines über
Süddeutschland nahe Frankfurt a. M. liegenden, unbenannten Tiefs. Hatte das
Niederschlagsband in der Nacht das Baltikum und die Region um St. Petersburg erreicht, verlagerte es sich im
Tagesverlauf über Südfinnland und den Westen Russlands nach Nordosten. Größere Niederschlagsmengen kamen dabei bis
auf lokale Ausnahmen nicht mehr zusammen. In Helsinki, das nach Abzug des
Wirbels SEBASTIAN nach nur kurzer Unterbrechung von einem nachfolgenden Wirbel
beeinflusst wurde, brachte Regen innerhalb von 12 Stunden bis 18 Uhr UTC 1 mm,
im finnischen Kuopio
Savilahti teils mit Schnee vermengter Regen 3,8 mm und im russischen Sortavala führten Schauer 4 mm Regen mit sich. Bei
Temperaturen, die auch tagsüber den Gefrierpunkt nur geringfügig überschritten,
gingen die Niederschläge über Nordwestrussland verbreitet in Schnee über. So
wurden bei Tageshöchstwerten von 1,1 °C aus Petrozavodsk 0,3 mm, aus
Archangelsk bei maximal -0,7°C 0,6 mm und aus Raznavolok bei Höchstwerten von
0,2°C 7,3 mm registriert, die allesamt als Schnee fielen. Auf der Rückseite des
Tiefs SEBASTIAN wurden kühlere Luftmassen zunehmend nach Deutschland geführt.
Waren tags zuvor für Ende November noch ungewöhnlich hohe Werte erreicht
worden, in Berlin-Dahlem kletterte das Quecksilber auf 14,5°C, in Dresden auf
16,1°C und in Rheinstetten auf 17,2°C, stiegen die Temperaturen am 25.11. nur
noch auf maximal 5,9°C in Dahlem, 8,3°C in Dresden, und 8,8°C in Rheinstetten.
Am
26.11. lag der Kern des zunehmend an Stärke verlierenden Tiefs SEBASTIAN über
der Barentssee, nordöstlich von Murmansk. Dessen Warmfront war in den
vergangenen 24 Stunden vollständig von der ihr nacheilenden Kaltfront eingeholt
worden, wodurch sich entlang derer eine Okklusionsfront hat ausbilden können.
Diese Okklusionsfront beschrieb östlich des Kerns ausgehend einen Bogen über
Kolgujev und Syktywkar nach Süden und reichte, im weiteren Verlauf den
Charakter einer Kaltfront annehmend, in südöstlicher Richtung bis nach Vologda,
wo sie sich mit der Warmfront des von Süddeutschland nach Lettland gezogenen,
unbenannten Wirbels verband. Mit dem Zentrum verlagerten sich auch die
zugehörigen Niederschläge im Laufe des 26.11. von Nordwestrussland auf die
Barentssee hinaus, wodurch nur noch entlang der Küstenregionen letzte
Niederschläge erfasst werden konnten. Nennenswerte Niederschläge wurden jedoch
nicht mehr registriert ehe sich der Tiefdruckwirbel SEBASTIAN im Tagesverlauf
so weit abgeschwächt hatte, dass dieser am 27.11. nicht mehr auf der Berliner
Wetterkarte als eigenständiger Wirbel analysiert und somit auch nicht mehr
namentlich auf jener verzeichnet werden konnte. Zuvor wurden noch aus
Narjan-Mar sowie aus Vorkuta leichtes Schneetreiben und einsetzende Schneefälle
mit bis zu 1,2 mm Niederschlag innerhalb von 24 Stunden gemeldet.
Geschrieben
am 10.01.2018 von Christian Ulmer
Berliner
Wetterkarte: 24.11.2017
Pate:
Sebastian Umbreit