Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet SIEGBERT
(getauft
am 01.02.2021)
Im
Laufe des 01.02.2021 begann sich über dem Atlantik entlang der sich
wellenförmig deformierenden Kaltfront des mit seinem Zentrum westlich vor
Irland liegenden Tiefs REINHARD ein neuer, eigenständiger Tiefdruckwirbel
auszubilden, dessen voranschreitende Entwicklung und weitere Ausprägung anhand
der Prognosekarte für 12 UTC des darauffolgenden Tages für Nordspanien
vorhergesagt und auf den Namen SIEGBERT getauft wurde.
Um
00 UTC des 02.02. befand sich dessen Zentrum mit einem Druck von knapp 1020 hPa
zunächst noch südlich der Azoren. Von seinem Kern erstreckte sich zu diesem
Zeitpunkt sowohl eine Warmfront nach Nordosten, die sich im Verlauf mit der
ursprünglichen Kaltfront des Tiefs REINHARD verband, als auch eine Kaltfront in
einem weiten Bogen über den Atlantik nach Westen. Hebungsprozesse im
Kernbereich des neuen Wirbels als auch entlang seines bereits vorhandenen
Frontensystems hatten bis dahin die Entstehung eines Niederschlagsbandes zur
Folge gehabt, welches sich mit dem Wirbel beständig verstärkend nach Osten
verlagerte und ähnlich wie prognostiziert bereits in den frühen
Vormittagsstunden auf den Norden der Iberischen Halbinsel traf. Der einsetzende
und im Verlauf an Intensität zunehmende Regen brachte dabei bis 06 UTC des 03.02.
in Padrón 42,6 mm und in Lavacolla nahe Santiago bis zu 57,8 mm. Im weiteren
Tagesverlauf weiteten sich die Niederschläge von Nordspanien auf Teile
Portugals sowie am Nachmittag und in der Nacht zum 03.02. über die Biskaya auch
auf den Westen Frankreichs aus. Dort hatten zuvor die Ausläufer des sich vom
Atlantik nach Großbritannien verlagernden Wirbels REINHARD zumeist leichten
Regen mit sich geführt. Zusammen mit jenen waren so innerhalb von 24 Stunden in
Le Mans 10,3 mm und bei Rennes 20,1 mm gefallen, während im selben Zeitraum im
portugiesischen Bragança 21,7 mm und in Viseu 25,3 mm registriert wurden.
Gegen
Mitternacht des 03.02. befand sich das Zentrum des weiter an Stärke gewinnenden
Wirbels SIEGBERT mit einem auf unter 995 hPa gefallenen Kerndruck vor
Westfrankreich. Teile seiner Warmfront waren von der ihr nacheilenden Kaltfront
eingeholt worden. Die daraus resultierende, jedoch zunächst nur kleinskalige
Okklusionsfront, oder auch als Mischfront bekannt, erstreckte sich vom Kern
nach Südosten und hatte ihren Okklusionspunkt, der Stelle an der Warm- und
Kaltfront ineinander übergehen, nördlich von Spanien über der Biskaya. Von dort
reichte die Warmfront über Bordeaux bis nach Genf und die ihr folgende
Kaltfront in einem weiten Bogen über Lissabon und die Azoren auf den Atlantik
hinaus. Eine weitere Okklusionsfront zog sich vom Zentrum des Tiefs nach
Westen. Unterhalb der starken westlichen Strömung des Jetstreams verlagerte
sich der Wirbel rasch über Frankreich und die Beneluxstaaten hinweg, sodass
bereits in den Vormittagsstunden zunächst der Westen und ab den Mittagsstunden
auch die übrigen Regionen Deutschlands in seinen Einflussbereich gerieten.
Somit setzte sich hier auch nach Abzug des für Deutschland zuvor wetterbestimmenden,
jedoch ungleich schwächeren Tiefs QUIRIN der wechselhafte und nunmehr auch
zunehmend windige Wettercharakter weiter fort. Niederschlagsmengen von 15 mm
und darüber waren dabei keine Seltenheit: So wurden binnen 24 Stunden in Soltau
20 mm, bei Leutkirch-Herlazhofen 25,7 mm und in Freudenstadt 31,1 mm gemessen.
In Schmücke waren es gar bis zu 35,7 mm. Höhere Regensummen, wie zuvor über
Spanien, kamen über Deutschland aufgrund der hohen Verlagerungsgeschwindigkeit
des Wirbels jedoch nicht zusammen. Obgleich von kürzerer Dauer gestalteten sich
die Niederschläge im westlichen Alpenraum ähnlich ergiebig. Beim Auftreffen der
herangeführten feuchten Atlantikluft auf die sie blockierenden Gebirgsketten
und dem damit einhergehenden erzwungenen Aufgleiten jener in deutlich kühlere
Luftschichten sowie auch durch Staueffekte erfuhren die Niederschläge lokal
noch zusätzliche Intensivierung. So waren in knapp 12 Stunden an der Station
auf dem Säntis 19,0 mm, in Einsiedeln 20,0 mm und in der Gemeinde Ebnat-Kappel
21,0 mm registriert worden. Mit Annäherung des Tiefs nahm in Deutschland auch
der vorwiegend westliche und hinter dem Wirbel auf Ost drehende Wind im
Tagesverlauf rasch zu. Vielerorts wurden Böen zwischen 60 und 70
Stundenkilometern und damit ein stürmischer Wind der Stärke 7 bis 8 gemeldet,
der in exponierten Lagen wie am Kap Arkona mit Spitzenböen von 93,7 km/h oder
am Leuchtturm von Kiel mit bis zu 104,5 km/h gar Stärke 10 und 11 erreichen
konnte. Dies entspricht schweren bis orkanartigen Sturm. Orkanstärke erreichte
der Wind zudem in den Bergregionen, wie auf dem Brocken und in Weinbiet mit je
118,9 oder auf dem Feldberg im Schwarzwald mit bis zu 133,3 Stundenkilometern.
Während auf der Zugspitze ebenfalls Orkanböen registriert wurden, maßen die
Anemometer im unterhalb gelegenen und von den umgebenen Bergen abgeschirmten
Garmisch-Partenkirchen einen umlaufenden Wind der in Spitzen lediglich 18 km/h
erreichte. Dies entspricht Stärke 3, einer schwachen Brise. Bis zum nächsten
Morgen hatten sich die Niederschläge auch auf weite Teile Polens ausgeweitet
und dort zwölfstündig in Szczecin (Stettin) und Gorzów (Landsberg) je knapp 14
mm und bei Mirosławiec 27,0 mm mit sich geführt. Der Wind hatte ebenfalls
aufgefrischt und erreichte mit Böen zwischen 50 und 60, mancherorts auch 70
km/h vielerorts Stärken 7 bis 8. An der Station auf der Schneekoppe wurden gar
Spitzenböen bis 172,9 km/h gemessen.
Mit
einem wieder leicht gestiegenen Druck von unter 1000 hPa befand sich der Kern
von Tief SIEGBERT um 00 UTC des 04.02. östlich von Berlin nahe des Oderbruch.
Seine südlich des Kerns beginnende und sich weiter ausprägende Okklusionsfront
reichte in einem Bogen über Warschau bis nach Budapest. Dort ging sie in eine
über Norditalien nach Westen reichende und sich über Frankreich wellenförmig
deformierende Kaltfront über, entlang derer sich über der Biskaya ein neuer,
eigenständiger Wirbel zu bilden begann. Der Okklusionsfront lief zu diesem
Zeitpunkt eine Warmfront voraus, die sich vom Zentrum nach Osten zog und sich
im weiteren Verlauf mit dem Frontensystem des nach Westrussland gezogenen Tiefs
QUIRIN verband. Eine weitere Kaltfront erstreckte sich vom Kern nach Westen und
ging über der Nordsee mit der Warmfront des Großbritannientiefs REINHARD über.
So schnell der Tiefdruckwirbel SIEBGERT aufgezogen war, so schnell zog er
bereits in den Morgenstunden und mit ihm sein Niederschlags- und Sturmfeld aus
Ostdeutschland und Polen über Weißrussland in Richtung Russland ab. Zwar hielt
über Mitteleuropa mit dem sich über Großbritannien etablierenden Wirbel
REINHARD der wechselhafte und durch dichte Wolken sowie gelegentlichen Regen,
Sprühregen oder leichten Schneefall geprägte Wettercharakter weiter an, größere
Niederschlagsmengen fielen bis auf lokale Ausnahmen jedoch keine mehr. In
Cuxhaven und Regensburg waren nach Abzug noch je 0,9 mm, in Hannover 4,4 mm und
in Görlitz 6,2 mm gemessen worden. Am Kap Arkona konnten dagegen noch bis zu
14,3 mm gemessen werden. Der Wind hatte ebenfalls nachgelassen, kam im Norden
aus vorwiegend östlichen, im Süden zuweilen auch aus südwestlichen Richtungen
und erreichte, von exponierten Lagen abgesehen, mit Böen zwischen 40 und 50
Stundenkilometern noch Stärke 6 auf der Beaufortskala. Etwas stärker blies der
Wind im östlichen Polen und in der Ukraine: Dort wurden vielerorts Böen der
Stärken 7 bis 8 und auf der Schneekoppe mit Spitzengeschwindigkeiten bis 129,7
km/h auch Orkanböen gemessen. Nennenswerte Niederschläge fielen jedoch auch in
Polen keine mehr. Das Hauptniederschlagsfeld des Wirbels konzentrierte sich
nunmehr entlang seines Zentrums und der über die Ukraine Richtung Schwarzes
Meer voranschreitenden Okklusionsfront und führte innerhalb von 24 Stunden in
Minsk 10,0 mm, in Slauharad 19,2 mm und im ukrainischen Kirowohrad 12,1 mm mit
sich.
Am
05.02. befand sich der Kern des Tiefs SIEGBERT gegen 00 UTC mit einem um 5 hPa
gesunkenen Druck bereits über Westrussland, südöstlich von Moskau. Eine
Warmfront verband in nördlicher Richtung das Zentrum des Wirbels SIEGBERT mit
jenem des westlich des Nordurals liegenden und sich dort weiter abschwächenden
Tiefs QUIRIN, während sich eine jedoch nur noch geringfügig wetteraktive
Kaltfront in einem Bogen über Odessa nach Westen zog und sich über Ungarn mit
der Warmfront des Großbritannientiefs REINHARD verband. Der Kaltfront
vorlaufend und etwas vom Tief abgesetzt erstreckte sich des Weiteren eine Okklusionsfront
von Saratow (Russland) über das Schwarze Meer bis nach Ostgriechenland, wo sie ebenfalls
in das Frontensystem des Tiefs REINHARD überging. Somit war jener, über den
Britischen Inseln stationär gewordene und auch am Folgetag in der Region
verbleibende Wirbel, für den Großteil West- und Mitteleuropas wetterwirksam
geworden. Tief SIEGBERT bestimmte dagegen das Wetter im äußersten Osten Europas
und brachte Westrussland und der östlichen Schwarzmeerregion teils ergiebige
Niederschläge. Während innerhalb von 24 Stunden in Moskau, bereits auf der
Rückseite des Wirbels gelegen, lediglich 0,2 mm gefallen waren, wurden entlang
seines Richtung Ural voranschreitenden Frontensystems in Sarapul 8,0 mm, in
Nolinsk 14,0 und in Cherdyn 17,0 mm gemessen, die zumeist als Schnee oder als
in Schneefall übergehende Regenschauer fielen. Im türkischen Hopa und Artvin brachten
Schauer jeweils 15,6 mm und an den georgischen Stationen in Sugdidi 31,0 mm und
Zageri 36,0 mm mit sich. Der Wind spielte hingegen mit Böen der Stärken 5 bis 6
zumeist nur noch eine untergeordnete Rolle.
Bis
00 UTC des 06.02. hatte sich Tief SIEGBERT mit seinem Zentrum von Westrussland
in Richtung des Urals verlagert und dort die Reste des Tiefs QUIRIN vollständig
in seine Zirkulation aufgenommen. Von seinem Kern, dessen Druck auf nunmehr
unter 990 hPa gefallen war, zog sich eine Warmfront über den Ural in Richtung
Sibirien und eine Kaltfront entlang jenes Gebirgszuges zunächst in südlicher
Richtung nach Kasachstan und anschließend in einem weiten Bogen weiter über das
Schwarze Meer Richtung Rumänien, wo sie sich mit dem Frontensystem des weiterhin
für West- und Mitteleuropa wetterbestimmenden Tiefs REINHARD verband. Tief
SIEGBERT überschritt im Tagesverlauf zögerlich die Gipfel des Europa von Asien
trennenden Gebirgszuges und bildete dabei auf dessen Lee-Seite entlang der sich
dort wellenförmig deformierenden Warmfront allmählich einen zweiten Kern aus,
wobei sein ursprünglicher, erster Kern gleichzeitig an Intensität verlor. Sein
Hauptniederschlagsfeld konzentrierte sich im Wesentlichen auf sein sich nach
Sibirien verlagerndes Zentrum als auch, obgleich weniger intensiv ausgeprägt,
auf einige Regionen Kasachstans, über die seine Kaltfront nach Nordosten
voranschritt. In Nur-Sultan, ehemals Astana, waren beispielsweise 3,0 mm, bei Arqalyq
5,0 mm und in Senber 6,3 mm gefallen, wohingegen in Tjumen und Jekaterinburg
jeweils 7,0 mm, bei Perm sowie in Cherdyn je 10,0 mm und östlich des Urals in
Nojabrsk und Vonegan 15,0 beziehungsweise 17,0 mm gemessen wurden.
Am
07.02. befand sich das neue, zweite Zentrum des Tiefs gegen 00 UTC mit einem
Kerndruck von unter 980 hPa unweit von Tubolsk, nordöstlich von Tjumen. Von ihm
ging in nordöstlicher Richtung sowohl eine Warm-, als auch in südöstlicher
Richtung eine Kaltfront aus, im Bereich derer die Regen- und Schneefälle in
Russland sowie in Kasachstans weiter anhielten. Ohne ein zugehöriges
Frontensystem konnten die Reste seines ursprünglichen und sich weiter
auflösenden ersten Kerns noch westlich des Urals analysiert werden.
Auch
in den darauffolgenden Tagen verblieb Tief SIEGBERT mit seinem Schwerpunkt
östlich des Urals über dem Westsibirischen Tiefland und befand sich damit am
äußersten Rand des von der Berliner Wetterkarte erfassten Analysebereiches.
Diesen verließ er erst im Laufe des 09.02. in nordöstlicher Richtung, wodurch
er nachfolgend nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte namentlich verzeichnet
werden konnte. Größere Niederschlagsmengen fielen bis auf wenige Ausnahmen kaum
noch. Der Schwerpunkt jener lag dabei am 07.02. selbst: Binnen 24 Stunden waren
durch anhaltenden leichten, zeitweise auch starken Schneefall in Soswa 9,0 mm,
im kasachischen Karaganda 9,8 mm und in Vonegan 10,0 mm gemessen worden, die
beispielsweise in Vonegan, wo die dort bereits vorhandene Schneedecke um 5 cm
auf 75 cm angewachsen war. Ansonsten fielen meist unter 5 mm. In den darauffolgenden
Tagen ließ die Niederschlagsintensität beständig nach. Durch leichten
Schneefall wurden innerhalb von 48 Stunden in Tjumen noch 0,6 mm, in Perm noch
2,6 mm und in Vonegan 3,0 mm registriert. Für Kasachstan war hingegen in der
Zwischenzeit ein entlang der Kaltfront des Tiefs neu erstandener, lokaler
Wirbel wetterwirksam geworden, der manchen Regionen teils über 10 mm in 24
Stunden brachte.