Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
SIEGFRIED
(getauft
am 03.07.2015)
Entlang der Südflanke eines weitreichenden
Kaltlufttroges über dem Nordatlantik, welcher sich in 5,5 km Höhe befand,
verlagerte sich Anfang Juli 2015 ein Tiefdruckgebiet von der Nordostküste
Nordamerikas in Richtung Europa. Da dieses Tief auch Einfluss auf das
Wettergeschehen in Mitteleuropa nehmen sollte, wurde es am 03.07. auf den Namen
SIEGFRIED getauft.
Dabei befand sich das Tief SIEGFRIED um 01
Uhr MEZ dieses Tages südöstlich des in dieser Region steuernden Wirbels
QUINTUS. Analysiert wurde das Zentrum des Tiefs SIEGFRIED dabei mit einem Druck
von rund 1005 hPa westlich der Biskaya. Von diesem verlief eine Okklusion, d.h.
eine Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften, die am sogenannten
Okklusionspunkt aus dem Zusammenschluss beider Frontenarten entsteht, nach
Süden bis auf die Breite von Madrid. Dort spaltete sie sich einerseits in eine
nach Südwesten weisende Warm- und andererseits in eine nachfolgende Kaltfront
auf, welche sich auf Länge der grönländischen Stadt Angmagssalik mit der
Warmfront eines kleinen Wirbels verband. Des Weiteren erstreckte sich westlich
des Okklusionspunktes eine weitere Kaltfront nördlich der Azoren nach
Nordwesten bis zur Küste Neufundlands, wobei der westliche Teil der
Luftmassengrenze als Warmfront analysiert wurde. Bis 07 Uhr MEZ konnten hierbei
5 l/m² Regen in Ponta Delgada auf der Azoren-Insel Sao Miguel innerhalb von
12 Stunden registriert werden.
Bis zum Folgetag zog der Wirbel SIEGFRIED
weiter nach Norden und verdrängte dabei das Tief QUINTUS, welches sich in der
Folge auflöste. Somit übernahm nun die Zyklone SIEGFRIED die Rolle des
steuernden Systems westlich der Britischen Inseln. Hinzu spaltete sich das
Zentrum in zwei Teiltiefs auf. Der Wirbel SIEGFRIED I befand sich um 01 Uhr MEZ
mit 1000 hPa ca. 600 km westlich der Nordwestküste Irlands, wohingegen das Tief
SIEGFRIED II mit ebenfalls 1000 hPa etwa 400 km weiter südöstlich analysiert
werden konnte. Die beiden Kerne waren zu diesem Zeitpunkt durch eine Okklusion
miteinander verbunden. Des Weiteren führten je eine Okklusionsfront vom Tief
SIEGFRIED I nach Norden und von der Zyklone SIEGFRIED II nach Südosten, wobei
diese über der Biskaya Kaltfrontcharakter annahm und weiter über den Nordwesten
Spaniens bis südlich der Azoren verlief. Dort ging sie in die Warmfront eines
anderen Tiefs über. Außerdem befand sich östlich des Wirbels SIEGFRIED II ein
weiteres Frontensystem, bestehend aus einer von der Westküste Irlands bis zum
Süden Englands reichenden Okklusion, einer sich bis zur Mitte Deutschlands
erstreckenden Warmfront und einer über Frankreich bis zu den Pyrenäen führenden
Kaltfront. Beim Durchzug des Frontensystems kam es meist nur zu Niederschlagsmengen
von unter 10 l/m². Lediglich lokal konnten stärkere Niederschläge
beobachtet werden. So fielen bis 07 Uhr MEZ innerhalb von 12 Stunden 21 l/m² in
Bedford, 22 l/m² am Weather Centre in Nottingham, 23 l/m² in Larkhill und
29 l/m² in Boscombe Down. In den folgenden 6 Stunden erreichten die Niederschläge
verstärkt auch Schottland, wodurch in Eskdalemuir 22 l/m², in Aberdeen 25 l/m²,
in Leuchars 28 l/m² und in Inverbervie sogar 39 l/m² gemessen wurden. Auch das
zugehörige Windfeld verstärkte sich und in höheren Lagen wurden orkanartige
Spitzenböen von bis zu 94,5 km/h am Great Dun Fell und 98,2 km/h am Aonoch Mór
registriert. Entlang der Warm- und Kaltfront blieb es hingegen verbreitet
trocken. Nur vereinzelt wurden 12-stündige Regensummen von beispielsweise 4
l/m² in Deauville, 6 l/m² in Nordholz oder 8 l/m² in Warburg verzeichnet.
Große Teile Frankreichs, der Benelux-Staaten und Deutschland befanden sich an
diesem Tag im sogenannten Warmsektor des Tiefs SIEGFRIED, d.h. im Bereich
zwischen Warm- und Kaltfront. Mit Unterstützung des Hochs ANNELIE über der
Ukraine wurden dabei subtropische und tropische Luftmassen von der Iberischen
Halbinsel aus nach Norden transportiert. In Frankreich wurden somit Höchstwerte
von 39,2°C in Macon sowie 38,7°C in Colmar erreicht. In Luxemburg wurden
maximal 36,1°C, am belgischen Flugplatz Kleine Brogel 36,2°C und im
niederländischen Arcen 36,8°C gemessen. In Deutschland erhöhten sich die Maxima
im Vergleich zum Vortag um wenige Grad und die absolute Höchsttemperatur wurde
aus Artern an der Unstrut mit 38,9°C gemeldet.
Bis zum 05.07. schlossen sich die beiden
Kerne wieder zusammen und es wurde nur noch ein Zentrum westlich der Britischen
Inseln mit einem Druck von knapp unter 1000 hPa analysiert. Von diesem verlief
eine Okklusion an der Nordküste Schottlands vorbei bis über die Nordsee, wo
sich der Okklusionspunkt befand. Anschließend führten eine Warmfront über
Südnorwegen und Südschweden bis nach Gotland und eine Kaltfront über die
Westhälfte Deutschlands, Frankreich und die Iberische Halbinsel. Die
Niederschläge konzentrierten sich an diesem Tag vor allem entlang der Kaltfront
auf Frankreich und Deutschland. Schauerartiger Regen verursachte dabei im Laufe
der Nacht 6-stündige Niederschlagsmengen von 16 l/m² in Schwerin, 17 l/m² in
Artern und 19 l/m² in Itzehoe. Im Tagesverlauf traten vor allem in der
Nordhälfte verbreitet Schauer und Gewitter auf. Innerhalb von 3 Stunden bis 19
Uhr MEZ fielen dabei 13 l/m² in Braunschweig, 18 l/m² in Braunlage
und sogar 26 l/m² Niederschlag in Celle. Auch in Frankreich wurden vereinzelt
Gewitter beobachtet, wie sie beispielsweise aus Rouen, Nantes und Le Mans
gemeldet wurden. Die größten Regenmengen wurden jedoch abseits der Unwetter
registriert. Bis 19 Uhr MEZ konnten in 12 Stunden je 16 l/m² in Boulogne und
Dieppe sowie 22 l/m² in Le Touquet gemessen werden. Die Temperaturen erreichten
an diesem Tag durch das fortsetzende Einfließen subtropischer Luftmassen
abermals Höchstwerte von 35°C und darüber. So wurden am Flughafen in Frankfurt
am Main sowie in Mühlacker 38,8°C, in St.-Etienne Boutheon 38,6°C und 34,7°C in
Luxemburg erreicht.
In der Folge bildete sich am
Okklusionspunkt über Südnorwegen erneut ein zweiter Tiefdruckkern aus, welcher
um 01 Uhr MEZ des 06.07. als Tief SIEGFRIED II einen zentrumsnahen Druck von
ca. 1007 hPa aufwies. Das ursprüngliche Tief SIEGFRIED I blieb stationär mit
einem Kerndruck von rund 995 hPa über dem Seegebiet südlich von Island und
westlich der Britischen Inseln, wobei der Wirbel SIEGFRIED I nun verstärkt in
den Einflussbereich des von Westen heranziehenden Wirbels THOMPSON geriet. Die
beiden Tiefzentren waren dabei durch Okklusionsfronten miteinander verbunden.
Des Weiteren verlief eine Okklusion vom Kern des Tiefs SIEGFRIED II aus
bogenförmig nördlich um diesen herum bis zu dem Okklusionspunkt südlich von
Oslo. Die Warmfront führte von dort nach Südosten bis nahe Minsk und die
Kaltfront erstreckte sich nach Süden bzw. Südwesten über Berlin, Sachsen,
Baden-Württemberg, den Nordwesten der Schweiz bis nach Südfrankreich. Der
Warmsektor verlagerte sich dadurch weiter nach Osten. Die Maxima der Temperatur
betrugen an diesem Tag 36,5°C am Frankfurter Flughafen, 34,8°C im polnischen
Ostrolek, 34,3°C im tschechischen Holesov und 32,6°C in Wilna. Beim Durchzug
der Kaltfront kam es bis 01 Uhr MEZ zu 6‑stündigen Niederschlagsmengen
von 28 l/m² in Magdeburg, 30 l/m² in Brodersby-Schönhagen, 31 l/m² in Neuhaus
am Rennweg und 33 l/m² in Coburg. Dabei frischte der Wind stark auf und
erreichte in höheren Lagen sowie vereinzelt an den Küsten sogar Orkanstärke mit
Böen von bis zu 118,9 km/h in Kiel und 122,5 km/h in Brodersby-Schönhagen.
Außerhalb Deutschlands wurden 12-stündige Regenmengen von beispielsweise
23 l/m² im lettischen Dobele, 26 l/m² auf der schwedischen Ostseeinsel
Gotska Sandön und 31 l/m² an der ebenfalls schwedischen Station Stora
Spansberget gemessen. An der estnischen Station fielen bis 20 Uhr MEZ sogar
insgesamt 41 l/m² in nur 3 Stunden. Im Bereich des Kerns des Wirbels SIEGFRIED
II wurden derweil in Süd- und Zentralnorwegen bis 01 Uhr MEZ des
Folgetages innerhalb von 24 Stunden 35 l/m² in Trysil, je 36 l/m² in Reimegrend
und Dombaas und 42 l/m² an der Station Fet I Eidfjord verzeichnet.
Das Tief SIEGFRIED II hatte sich bis zu
diesem Zeitpunkt bereits bis über Zentralschweden verlagert. Westlich des Kerns
führte eine Okklusion über Südfinnland und Estland bis zum Grenzbereich
zwischen Russland und Lettland, wo sie sich in eine Warm- und eine Kaltfront
aufspaltete. Die Warmfront erstreckte sich folgend nach Südosten bis über die
Ostukraine, die Kaltfront verlief nach Südwesten über die Slowakei bis nach
Österreich. Das Tief SIEGFRIED I nahm auf das Wettergeschehen Europas an diesem
Tag keinen Einfluss und ging bis zum Morgen in die Zirkulation des Wirbels
THOMPSON auf. Die Niederschläge konzentrierten sich dabei vor allem auf
Norwegen sowie Zentral- und Nordschweden. Bei langanhaltendem Regen konnten in
24 Stunden bis 07 Uhr MEZ an den norwegischen Stationen Tingvoll-Hanem und
Tagdalen je 39 l/m² registriert werden, im schwedischen Boden und in Vidsel
waren es 32 bzw. 42 l/m². In Finnland wurden im selben Zeitraum 22 l/m² in
Kilpisjärvi, 23 l/m² in Fagerholm und 24 l/m² auf der Ostseeinsel Utö
gemessen.
Im weiteren Tagesverlauf zog das Tief
SIEGFRIED langsam nach Nordosten und wurde um 01 Uhr MEZ am 08.07. über der Westfinnischen
Küste analysiert. Über dem Norden Russlands bildete sich ein weiterer
Tiefdruckkern aus, welcher den Großteil des Frontensystems übernahm. Die beiden
Tiefzentren waren durch Okklusionen miteinander verbunden. Vom östlicheren Kern
zog sich eine weitere Okklusion nach Süden bis nordwestlich von Wolgograd. Von
dort verliefen eine Warmfront nach Südosten und eine Kaltfront nach Südwesten
bis zu den Ostkarpaten. Bis zum 07 Uhr MEZ-Termin wurden 24-stündige
Niederschlagsmengen von 14 l/m² in Lahti, 15 l/m² in Kuopio und 21 l/m² in
Sankt Petersburg verzeichnet. Außerdem summierten sich die Niederschläge im
Norden Schwedens im selben Zeitraum nochmals auf 30 l/m² in Boden, 34 l/m² in
Jokkmokk und 40 l/m² in Vidsel.
Bis zum Folgetag wurde das Tief SIEGRFRIED
mitsamt dem zugehörigen Frontensystem in die Zirkulation des Wirbels THOMPSON
aufgenommen und konnte deshalb am 09.07.2015 nicht mehr auf der Berliner
Wetterkarte namentlich verzeichnet werden.
Geschrieben am 26.10.2015 von
Sebastian Wölk
Berliner
Wetterkarte: 06.07.2015
Pate:
Siegfried Willmann