Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet SIGLINDE

(getauft am 21.10.2018)

       

Von Neufundland kommend wurde das Tiefdruckgebiet SIGLINDE am 21.10.2018 in der Prognose für den Folgetag getauft, da absehbar war, dass es sich im weiteren Verlauf auf das Wettergeschehen in Europa auswirken sollte.

Am 22.10.2018 befand sich die Zyklone SIGLINDE gegen 00 Uhr UTC bzw. 01 Uhr MEZ südlich der grönländischen Stadt Tasiilaq und hatte einen Kerndruck von ca. 995 bis 1000 hPa inne. Dabei wies sie bereits ein Frontensystem auf, das aus einer vom Kern aus nach Südosten verlaufenden Warmfront und einer nach Südwesten laufenden Kaltfront bestand, welche über der Labradorsee in die Warmfront des später getauften Tiefs TINA über Neufundland überging. Entlang der stark ausgeprägten Höhenströmung verlagerte sich das Tief SIGLINDE, und damit auch seine Niederschlagsfelder, im Tagesverlauf sehr schnell nach Osten, sodass z.B. in Reykjavík innerhalb von 24 Stunden bis 18 Uhr UTC 5,0 l/m² Niederschlag gemessen wurden. Noch stärker beeinflusste der Wirbel SIGLINDE Schottland, hier traten verbreitet schwere Sturmböen auf, in höheren Lagen wie z.B. auf dem Cairn Gorm sogar Orkanböen mit Geschwindigkeiten bis zu 176 km/h. Bei Auftreffen der Luftmassen auf die schottischen Highlands kam es zudem zu kräftigen Niederschlägen. Die Wetterstation am Flughafen Kirkwall verzeichnete neben Böen mit 107 km/h innerhalb von 24 Stunden bis um 06 Uhr UTC des folgenden Tages 30 l/m² Regen, wobei der Großteil mit 15 l/m² innerhalb von nur sechs Stunden bis 00 Uhr UTC gefallen war. Ebenso wurden in Altnaharra 24-stündig 28 l/m² Niederschlag gemessen, wovon bereits 13 l/m² in sechs Stunden bis 00 Uhr UTC fielen.

Bis zum 23.10.2018 hatte sich die Zyklone SIGLINDE bis über das Skagerrak verlagert und wies einen fast unveränderten Kerndruck im Vergleich zum Vortag auf. Die Warmfront reichte vom Kern ausgehend zunächst südwärts bis etwa über Kopenhagen und beschrieb von dort einen Bogen nach Südwesten über die dänische Halbinsel, die Niederlande und Belgien. Die Kaltfront hingegen streifte vom Zentrum aus nur die äußerste Nordküste Dänemarks, führte nach Westen über die Nordsee und die Shetlandinseln vorbei an Schottland, wo sie südlich von Island in die Warmfront des nachfolgenden Tiefs TINA überging. Wie schon tags zuvor wurden auch am 23.10.2018 in Schottland am Cairn Gorm Spitzenwerte der Windgeschwindigkeit von über 200 km/h erreicht, während die Niederschlagsmengen hier jedoch deutlich zurückgingen. Die Station am Flughafen Kirkwall erreichte noch 11,4 l/m² innerhalb von 24 Stunden, in Altnaharra wurden nur noch 1,4 l/m² Regen im selben Zeitraum gemessen. Dafür hatten die Niederschlagsfelder nun Skandinavien und hier vornehmlich die norwegische Westküste erreicht. An den Stationen Mannen und Innerdalen konnten Niederschlagsmengen von 38,3 und 32,5 l/m² innerhalb des 24 stündigen Zeitraumes bis 06 Uhr UTC des folgenden Tages verzeichnet werden. Auch über Deutschland kam es bei Durchzug der Ausläufer verbreitet zu Niederschlagssummen um 10 l/m² Regen innerhalb von 24 Stunden bis zum Folgetag um 06 Uhr UTC. In höheren Lagen waren es sogar bis zu 37 l/m² in Carlsfeld im Erzgebirge oder 43,2 l/m² auf dem Brocken.

Sich weiter gen Osten verlagernd hatte das Tief SIGLINDE bis zum Morgen des 24.10.2018 das Baltikum erreicht und befand sich mit seinem deutlich verstärkten Kerndruck von unter 980 hPa über Riga. Die Fronten des Tiefs hatten am vergangenen Tag bereits angefangen zu okkludieren. Das bedeutet, dass die schneller ziehende Kaltfront die Warmfront einholt und sich die kühleren Luftmassen unter die wärmeren schieben. Dabei entsteht eine sogenannte Okklusionsfront, an der es meist zu ausgiebigen Niederschlägen kommt. Das Frontensystem der Zyklone SIGLINDE bestand am 24.10.2018 nun also aus einer Okklusionsfront, die sich vom Finnischen Meerbusen bis zum Okklusionspunkt etwa über Minsk zog. Von dort verlief eine Warmfront südwestwärts bis über Prag, während die Kaltfront nach Südwesten über Warschau, Berlin und Bremerhaven bis über die Shetlandinseln reichte, wo sie in die Warmfront des Tiefs TINA überging. Durch den großen Druckunterschied zu den Hochdruckgebieten XERXES und WOLFGANG über West- und Südeuropa verschob sich das Starkwindgebiet nach Zentraleuropa. Dadurch wurden z.B. vom Kieler Leuchtturm Sturmböen mit 79,3 km/h gemeldet. Tiefer im Land liegende Stationen wie z.B. Berlin-Dahlem verzeichneten 75,6 km/h, Mittelgebirgsstationen wie diejenige auf dem Brocken oder dem Fichtelberg Böen jenseits der 120 km/h und somit Orkanstärke. Die Niederschlagsfelder des Tiefs SIGLINDE erstreckten sich nun von St. Petersburg bis ins friesische Emden. So fielen z.B. in Berlin-Dahlem innerhalb von 24 Stunden nur noch 0,5 l/m² und in Minsk 3,0 l/m² bis 06 Uhr UTC des folgenden Tages.

Bis zum Morgen des 25.10.2018 hatte der Wirbel SIGLINDE den Westen Russlands erreicht, wobei sich der Kern leicht abgeschwächt hatte und mit etwas unter 985 hPa bei Weliki Nowgorod lag. Das zum Wirbel gehörige Frontensystem bestand nun aus einer Okklusion, die einen engen Bogen um den Kern beschrieb, mit Okklusionspunkt nahe Samara. Von Samara aus verlief die Warmfront nach Südosten und verließ dort den Analysebereich der Berliner Wetterkarte.  Die Kaltfront verlief U-förmig zunächst nach Südwesten über Wolgograd, das Schwarze Meer, Ankara, Athen und die Adria und von dort nordwärts bis etwa über die Alpen, wo sie erneut in die Warmfront des Tiefs TINA überging. Entlang der Kaltfront bildeten sich im späteren Tagesverlauf erheblichen Niederschläge und Gewitter aus, die vor allem im Bereich des östlichen Schwarzen Meeres auftraten.

Das Tiefdruckgebiet SIGLINDE verlagerte sich bis zum 26.10.2018 bis über die Region um Archangelsk und konnte seinen Kerndruck von 985 hPa erhalten. Die Okklusionsfront reichte nun nahezu küstenparallel ostwärts an Workuta vorbei bis zum dortigen Okklusionspunkt, spaltete sich dort in eine Warmfront auf, die in östlicher Richtung den Analysebereich der Berliner Wetterkarte verließ, und eine Kaltfront, die in südlicher Richtung bis etwa Chanty-Mansijsk reichte, wo sie in die Warnfront eines unbenannten Tiefs überging. Der 26.10.2018 war schließlich der letzte Tag, an dem das Tief SIGLINDE namentlich auf der Berliner Wetterkarte verzeichnet werden konnte, da das Tief im weiteren Verlauf nach Osten weiterzog und den Analysebereich der Berliner Wetterkarte verließ.