Lebensgeschichte
(getauft
am 25.09.2004)
In der Regel findet man im Bereich der Westwindzone auf der
Nordhalbkugel im Lee (also östlich) der großen Nord-Süd-verlaufenden
Gebirgszüge (z.B. die Rocky Mountains) drei bis fünf großräumige Tröge. Man
erkennt sie in der 500-hPa- Karte der Berliner Wetterkarte. Höhentröge sind die
im Gegenuhrzeigersinn gekrümmten Ausbuchtungen der großskaligen, troposphärischen
Wellen. Eigentlich müsste der Wind in unseren Breiten durch die Erdrotation aus
westlicher Richtung wehen, bei Trögen verursacht die Ausbuchtung im Isobarenfeld
eine meridionale, d.h. eine Nord-Süd Strömung, da auf dieser Höhe der Wind parallel
zu den Isobaren (Linien gleichen Luftdrucks) weht. Die Tröge äußern sich z.B.
in Form der stationären Islandtiefs und des Aleutentiefs. Auf der Südhalbkugel
hingegen fehlen derartige Gebirgszüge in der Westwindzone, so dass dort die
Strömung das ganze Jahr über zonal, d.h. breitenkreisparallel verläuft. In den Trögen können weitere
kleinere Wettergebilde entstehen, die man dann als Kurzwellentröge bezeichnet.
Am
24.09.2004 lag das Bodentief QUEEN über dem Bottnischen Meerbusen. Der zu QUEEN
gehörende Höhenwirbel steuerte mehrere Tage das Wetter in Mitteleuropa. So bildeten
sich an der Westseite dieses Wirbels zwei Kurzwellentröge. Am 22.09. entstand
über dem Atlantik das Tief RABEA und am 24.09. über den Alpen ein weiterer Tiefdruckwirbel.
Er wurde am 25.09. in der Berliner Wetterkarte auf den Namen SILVIANA getauft.
Damit verbunden war ein hochreichender Kaltluftvorstoß über Mitteleuropa bis
nach Italien. Im 500-hPa-Niveau, d.h. in ungefähr 5,5 km Höhe, sank die
Temperatur um 12°C auf -23°C in der Nacht zum 25.09. und löste am Nachmittag
des 24.09. über Norditalien und der Adria teils heftige Gewitter aus. Die
äußerst markante Kaltfront brachte innerhalb weniger Stunden in Punta Marina,
südlich der Pomündung, und auch in Senj, an der kroatischen Adriaküste, bis zu
57 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. Dabei meldete Punta Marina zur Wetterbeobachtung
um 15 Uhr bei schwerem Gewitter ein 10-minütiges Windmittel von 45 kn, das
entspricht ungefähr 85 km/h bzw. Windstärke 9. Die Temperatur an der nördlichen
Adria sank dabei auf unter 11°C, während in Rimini, 300 km weiter südlich noch
25°C gemessen wurden.
In
Deutschland wurde in der eingeflossenen subpolaren Meeresluft nirgends mehr als
20°C erreicht und es traten immer wieder Schauer auf. In den Alpen fiel
unterdessen weiterer Schnee, und auf der Zugspitze erhöhte sich die Schneedecke
von 20 auf 25 cm, auf dem Wendelstein von 2 auf 4 cm.
Am
25.09. verlagerte sich die Kaltfront von SILVIANA nur sehr wenig weiter nach
Südosten, reichte jedoch von Spanien, wo sie nur wenig wetteraktiv war, über
Süditalien bis nach Tunesien. Im Norden Tunesiens und im Süden Italiens war die
Front jedoch aktiver, wobei die entstandenen Gewitter nicht mehr den
unwetterartigen Charakter vom Vortag hatten, allerdings am Kap Marina di Leuca
(Apulien) 36 Liter Niederschlag pro Quadratmeter brachten. Kurz vor dem
Durchgang der Kaltfront kam in Libyen ein heißer Wüstenwind, Scirocco, auf, der
in Tripolis die Temperatur bis 37,5°C steigen ließ, gleichzeitig wurde in Tunis
(Tunesien) nur 26,2°C erreicht. Der Scirocco tritt
besonders dann auf, wenn auf der Vorderseite von Tiefdrucksystemen die heiße
Wüstenluft aus der Sahara nach Norden Richtung Mittelmeer geführt wird. Andere
Bezeichnungen für den Scirocco sind Ghibli, Kamsin oder auch Samum.
Deutschland
blieb auch an diesem Tag in der kühlen Nordwestströmung, in der aber nordöstlich
der Elbe längere Zeit die Sonne schien. So wurde es mit 18°C in Nordostdeutschland
auch am wärmsten, während im Westen und Süden unseres Landes dagegen die
Maximumtemperatur bei starker Bewölkung unter 15°C, am Alpennordrand auch unter
10°C lagen. Dort fiel im Alpenstau auch der meiste Niederschlag. Besonders
ergiebig war er in den höheren Lagen, wo beispielsweise auf der Zugspitze
starker Schneefall die Schneedecke von 25 auf 55 cm wachsen ließ.
Aus
dem Kurzwellentrog spaltete sich am 26.09. ein selbstständiger Höhenwirbel ab,
das Bodentief SILVIANA verlagerte sich mit seinem Zentrum über die Adria. So
kam es über dem Balkan zu schauerartig verstärkten Niederschlägen mit einzelnen
Gewittern, wobei auf Korfu 31 und in Dubrovnik 34 Liter Regen pro Quadratmeter
fielen. Auf der Ostseite des Wirbels gelangte dagegen weiterhin sehr warme Luft
bis in den Süden von Russland, so dass im Gebiet um Wolgograd Maxima von 30°C
gemessen wurden. Nördlich des Kaukasus stieg die Temperatur durch den Föhn
sogar auf 33 bis 34°C. Im Gegensatz dazu bringt in Nordsibirien ein kräftiges
Hochdruckgebiet derzeit schon winterliches Wetter mit Dauerfrost. In Deutschland
sorgte das weiterentwickelte Frontensystem des Ex-Hurrikans KARL nur für wenig
Regen und die Temperaturen stiegen auf 15 bis 20 °C.
Am
27.09. zog SILVIANA mit ihrem Zentrum über die Krim, wobei der Wirbel im
Druckfeld der Wetterkarten nicht mehr richtig ausgeprägt war. Zwischen zwei
Hochdruckgebieten, eines über dem Balkan und das andere über Sibirien,
eingekeilt und für das Wettergeschehen in Mitteleuropa nicht bedeutsam
verlagerte sich SILVIANA am 28.09. weiter ostwärts und lag mit seinem Zentrum
über dem Ural, bevor es am folgenden Tag endgültig aus der Berliner Wetterkarte
verschwand.
Geschrieben am 01.10.2004 von Robert Scholz
Wetterkarte: 25.09. oder 26.09.2004
Pate: Monika Stubig