Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet STEFAN

(getauft am 06.02.2019)

 

Am 04.02.2019 befand sich ein Frontensystem über dem Norden der USA und bewegte sich Richtung Osten fort. In der Nacht zum 05.02. entwickelte sich daraus über Neufundland ein schwaches Tiefdruckgebiet. Neufundland ist bekannt für die Intensivierung von Tiefdruckzonen, welche einige Tage später Europa erreichen. Das liegt daran, dass sich die Polarfront oftmals in dieser Gegend befindet, und dadurch kleinräumige Störungen zwischen den unterschiedlichen Luftmassen entstehen. Die Polarfront bezeichnet die Grenze zwischen kalten polaren Luftmassen im Norden und milden subtropischen Luftmassen im Süden.

Die noch unbenannte Zyklone geriet in die starke Westwinddrift, wodurch sie sich mit großer Geschwindigkeit nach Osten verlagerte. Innerhalb eines Tages hatte sich die Tiefdruckwelle um ca. 3000 km in Windrichtung nach Südosten verlagert, so dass sie um 00 Uhr UTC, was 01 Uhr MEZ entspricht, ca. 2000 km vor der Westküste Irlands lag. Am nächsten Tag sollte sich diese Zyklone dem europäischen Festland nähern und daher das Wetter in Mitteleuropa signifikant beeinflussen, weswegen sie auf der Analysekarte vom 06.02. auf den Namen STEFAN getauft wurde. Das Tief STEFAN hatte an diesem Tag einen Kerndruck von knapp 1015 hPa. Damit war der Druck für ein Tiefdruckgebiet vergleichsweise hoch, da der durchschnittliche Luftdruck auf der Erdoberfläche 1013 hPa beträgt. Die typische Frontenstruktur bei einer Idealzyklone mit einer Warm- und Kaltfront war zwar vorhanden; davon war allerdings die Warmfront nur sehr schwach ausgeprägt und löste sich bereits nach etwa 100 km über dem Atlantik wieder auf. Die Kaltfront war nach Westen ausgerichtet und mündete in einem konvexen Bogen in der Warmfront in einem nachfolgenden Tiefdruckgebiet mit Zentrum westlich von Neufundland. Am Nachmittag erreichte das Frontensystem die Britischen Inseln.  Insgesamt fielen in den Abendstunden 10 l/m² auf der irischen Insel Valentia und 12 l/m² in Belmullet. Zudem erreichte der Nordwestwind auf dem schottischen Berg Aonach Mòr um 18 Uhr MEZ 117 km/h in Böen, also knapp unter Orkanstärke.

Am nächsten Tag bewegte sich der Wirbel STEFAN nach Osten und lag zwischen Irland und Großbritannien. Dort intensivierte sich das Tief STEFAN auf Grund eines Troges in der Höhe, wodurch dem Tief Energie durch die steigende Rotation beigefügt wurde. Dadurch sank der Kerndruck auf unter 1000 hPa. Gleichzeitig ereignete sich zu diesem Zeitpunkt parallel ein Prozess innerhalb des Tiefdruckgebiets STEFAN der in der Meteorologie unter den Begriff der Okkludierung fällt. Dabei handelt es sich um einen Vorgang, bei dem sich eine Mischfront bildet, welche durch den Zusammenschluss von Warm- und Kaltfront entsteht und die Eigenschaften beider Typen in sich vereint. Diese sogenannte Okklusionsfront spaltete sich bereits nach 200 Kilometer in eine Warm- und eine Kaltfront auf. Die Warmfront erreichte Deutschland und mündete dort in eine verbleibende Okklusion, wohingegen die Kaltfront über die Bretagne, nördlich an Spanien vorbei und fast bis zu den Azoren führte. In Westdeutschland fiel im Tagesverlauf verbreitet Niederschlag. Besonders im Alpenraum und am Schwarzwald wurden durch Hebungsvorgänge zweistellige Niederschlagssummen gemessen. Auf dem Pilatus bei Luzern in 2100 Meter Höhe fielen 16 l/m² in Form von Schnee. Die Schneefallgrenze sank bis zum Abend in vielen Alpentälern bis auf 600 Meter. Auf den Nordfriesischen Inseln frischte der Wind auf und erreichte am Abend Sturmstärke, mit vereinzelt auch orkanartigen Böen. Auf Helgoland wehte der Wind mit über 100 km/h. In der Nacht zum 08.02. erreichte die Kaltfront den Harz, wodurch auch auf dem Brocken die Windgeschwindigkeiten auf Orkanstärke anstiegen. 

Zum nächsten Tag bewegte sich der Wirbel STEFAN nach Osten fort und befand sich am Morgen des 08.02. über dem Skagerrak. Der Kerndruck war auf unter 995 hPa gesunken. Allerdings waren die Isobaren um das Kernzentrum weiterhin nicht voll umschlossen, was eine weitere Intensivierung erschwerte, da sich die nördliche Umgebungsluft bereits an die des Tiefs anglich. Die Okklusion spaltete sich im Okklusionspunkt an der Ostküste Schwedens in eine Warm- und eine Kaltfront. Die Warmfront erstreckte sich bis nach Moskau. Die Kaltfront war in einem Bogen nach Südwesten ausgerichtet und endete südöstlich von München. Die größten Niederschlagsmengen fielen in Dänemark und an der Südküste Norwegens. Das liegt an der Rotationsrichtung gegen den Uhrzeigersinn, wodurch die Luftmassen von der Nordsee auf die Nordseeküste Dänemarks treffen. In Dänemark wurden vielerorts zweistellige Regenmengen registriert, unter anderem in Billund mit 30 l/m² und Skrydstrup mit 24 l/m², jeweils 24-stündig bis 06 Uhr UTC des Folgetages. Aber auch im Süden Norwegens fielen vereinzelt über 30 l/m², wobei dieser Niederschlag zum Teil in fester Form fiel. Der stürmische Wind beruhigte sich und erreichte vereinzelt noch 80 km/h wie auf der südfinnischen Insel Mäkiluoto. Im Vergleich zu den Vortagen stieg in den nördlichen Regionen wie Finnland und Schweden die Temperatur durch die Zyklone STEFAN um einige Kelvin an. In Kokkola an der Westküste Finnlands erhöhte sich die Temperatur vom 07.02. auf den 08.02. von -10°C auf 0°C, jeweils um 20 Uhr UTC

Am 09.02. lag der Wirbel STEFAN über Finnland. Die Okklusion hatte sich aufgelöst, die Warmfront war nach Südosten bis östlich von Moskau verortet und die Kaltfront erstreckte sich nach Südwesten bis nach Stockholm. Der Kerndruck war mit unter 995 hPa gleichgeblieben. An der schwedischen Ostküste und im dahinterliegenden Festland schneite es zeitweise über den Tag. Auf der Insel Holmön wurden 15 l/m² Niederschlag gemessen, weiter südlich in den Küstenorten immerhin über 10 l/m². Der Wind schwächte sich weiter ab und erreichte an der Küste nur noch knapp über 50 km/h.

Am folgenden Tag befand sich der Wirbel STEFAN nördlich der Halbinsel Kola. Das Tiefdruckgebiet hatte weiterhin einen Druck von unter 995 hPa. Über Nacht hatte sich die Zyklone zu einem vollokkludierten Tief entwickelt. Die Okklusionsfront zog sich nach Südosten bis nach Zentralrussland. Dadurch war eine deutliche Abschwächung des Wirbels STEFAN ersichtlich. Der Grund war das blockierende Hochdruckgebiet CHLOE über Russland. Trotzdem war ein markanter Temperaturanstieg über Kola und Nordfinnland ersichtlich, so zum Beispiel in Rovaniemi, wo sich die Temperatur im Vergleich zum Vortag um 10 Kelvin von -10°C auf 0°C erhöhte.

Am folgenden Tag dehnte sich der Hochdruckeinfluss von Hoch CHLOE bis nach Skandinavien aus und es entwickelten sich durch den großen Druckunterschied Ostwinde. Dadurch wurde Tief STEFAN bis an die Nordküste Norwegens zurückgedrängt. Im Laufe des Tages löste sich Tief STEFAN auf und war am 12.02. nicht mehr namentlich auf der Berliner Wetterkarte verzeichnet.