Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet STEFAN

(getauft am 11.04.2015)

 

Am 11.04 wurde anhand einer Prognosekarte für 12 Uhr UTC, das heißt 14 Uhr MESZ, des darauf folgenden Tages die Entstehung eines Tiefdruckwirbels über England vorhergesagt und folgend dieser Wirbel auf den Namen STEFAN getauft.

Das Tiefdruckgebiet STEFAN, welches in der Nacht zum 12.04. aus einer wellenförmig deformierten Front des über Island liegenden Wirbels ROLAND hervorgegangen war, befand sich gegen 00 Uhr UTC, mit einem Kerndruck von knapp unter 1015 hPa westlich von Irland. Vom Kern erstreckte sich zum Zeitpunkt der Analyse um 00 Uhr UTC zum einen eine Warmfront südwestlich an Irland vorbei nach Südosten und zum anderen eine sich mit dem Frontensystem eines anderen Wirbels verbindende Kaltfront über den Atlantik nach Südwesten. Ausläufer des Tiefs STEFAN überquerten in der ersten Tageshälfte zunächst die Britischen Inseln und griffen im weiteren Verlauf auf Dänemark und Südschweden über. Aufgrund der schnellen Zuggeschwindigkeit des Wirbels fielen die Niederschlagsmengen trotz vielerorts schauerartig verstärkten Regens jedoch zumeist etwas weniger ergiebig aus. Dennoch konnten innerhalb von 24 Stunden bis 06 Uhr UTC des Folgetages im irischen Mullingar 9,1 l/m², im walisischen Capel Curig 12,4 l/m² und im nordenglischen Shap 25,6 l/m² gemessen werden. In Capel Curig wurden die Niederschläge zudem zwischen 08 und 10 Uhr UTC von Orkanböen bis 122,3 km/h begleitet. Stürmisch gestaltete sich der Wettercharakter ebenso über Südschweden, Dänemark und der Nordhälfte Deutschlands. Im dänischen Skagen wurden Sturmböen von 77,8 km/h, an der schwedischen Messstation Söderarms schwere Sturmböen von 100,9 km/h und auf dem Brocken Orkanböen mit bis zu 118,9 km/h verzeichnet. Das Niederschlagsband hatte in der zweiten Tageshälfte Dänemark und Südschweden erreicht. Bis 06 Uhr UTC registrierten die Messstationen in Kopenhagen und im schwedischen Ullared innerhalb von 24 Stunden je 10,3 l/m², im ebenfalls schwedischen Torpup wurden 12,4 l/m² und im dänischen Askov 16,5 l/m² Regen gemessen. Bis auf wenige lokale Ausnahmen fiel im selben Zeitraum über Deutschland kein nennenswerter Niederschlag.

Bis zum 13.04. hatte sich die an Stärke gewinnende Zyklone STEFAN rasch nach Osten verlagert und lag gegen 00 Uhr UTC mit einem auf knapp 1010 hPa gefallenen Kerndruck über Dänemark, unweit von Kopenhagen. In östlicher Richtung erstreckte sich vom Kern eine Okklusionsfront über die Ostsee nach Süden. Als Okklusionsfront wird dabei eine Mischfront verstanden, die sich aus dem Zusammenschluss von Kalt- und Warmfront bildet und somit Eigenschaften beider Systeme in sich vereint. Die Stelle, an der Warm- und Kaltfront ineinander übergehen und eine solche Okklusionsfront bilden, wird als Okklusionspunkt bezeichnet. Vom Okklusionspunkt über Magdeburg erstreckte sich die zugehörige Warmfront über München in Richtung der Alpen, die ihr nachlaufende Kaltfront zog sich über Köln nach Westen, ehe sie sich nördlich von Paris mit der Warmfront eines unbenannten, sich bereits in Auflösung befindlichen Wirbels verband. Das an Intensität nachlassende Niederschlagsband verlagerte sich mit dem Tief STEFAN von der Ostsee über Polen und dem Baltikum nach Westrussland. Leichte und teils mit Schnee vermengte Schauer brachten innerhalb von 24 Stunden bis 06 Uhr UTC im lettischen Aluksne 9 l/m², anhaltender Regen im estnischen Tartu 13,5 l/m² und wiederholte, teils starke Schauer im russischen Nowgorod bis zu 31 l/m². Der Wind hatte sich im Allgemeinen abgeschwächt und errichte vielerorts mit Böen zwischen 39 und 45 km/h die Stärke 6 auf der Beaufortskala. Eine Ausnahme bildete der litauische Raum, wo am Rande einiger Schauer und Gewitter noch Windspitzen bis Stärke 7 und 8 beobachtet wurden.

Am 14.04. um 00 Uhr UTC befand sich das Zentrum des Tiefs STEFAN bereits über Westrussland. Vom Kern, der mit einem Druck von unter 1000 hPa südlich von St. Petersburg bei Nowgorod analysiert wurde, verlief eine Okklusionsfront zunächst nach Süden in Richtung der Ukraine und reichte, ab Charkow den Charakter einer Kaltfront annehmend, anschließend in einem weiten Bogen über Ungarn nach Westen. Im weiteren Verlauf ging diese im Anschluss über der Schweiz in die Warmfront der bei Island liegenden Zyklone THILO über. Eine kurze Warmfront verband sich bei Saporischschja in der Ukraine von der Okklusionsfront abgehend nahe Saratov mit dem weitreichenden Frontensystem des sich über Finnland befindlichen Tiefs ROLAND. Die dem Wirbel STEFAN direkt zuzuordnenden Niederschläge konzentrierten sich im Wesentlichen entlang der in Richtung Wolga und Uralgebirge voranschreitenden Okklusionsfront sowie um das sich im Tagesverlauf nach Finnland verlagernde Zentrum. 24-stündig fielen im russischen Voronež 3 l/m², im finnischen Ilomantsi Mekrijarvi 8 l/m² und in den am Asowschen Meer gelegenen Jejsk 9 l/m² teils schauerartig verstärkten Regens. Ergiebigere Regenmengen wurden nur noch aus dem nordöstlich von St. Petersburg gelegenem Petrokrepost gemeldet. Anhaltende, von Regen in Schneeregen übergehende Niederschläge brachten hier binnen 24 Stunden bis zu 19 l/m².

Das Zentrum des Wirbels STEFAN begann zum 15.04. gegenüber seiner ursprünglich stark östlichen Zugbahn nach Norden abzudrehen und lag um 00 Uhr UTC mit einem Druck von knapp unter 1000 hPa östlich von St. Petersburg. Eine Okklusionsfront erstreckte sich westlich des Kerns ausgehend in einem Bogen nördlich um das Zentrum herum über Vologda, sowie dem Verlauf der Wolga grob folgend, nach Süden und zog sich, ab Wolgograd Kaltfrontcharakter annehmend, weiter über das Schwarze Meer und Ankara bis nach Izmir. Bei Vologda ging zudem von der Okklusionsfront in östlicher Richtung eine nahe Perm endende Warmfront ab. Während sich die Niederschläge über dem Wolgaraum weitestgehend aufgelöst hatten, hielten sie, wenn auch in abgeschwächter Form, über Finnland und dem Nordwesten Russlands weiter an. In 24 Stunden wurden in Petrokrepost 2,3 l/m², an der Messstation am gleichnamigen Fluss Kovda 5 l/m² und im finnischen Ilomantsi Mekrijarvi nochmals 8 l/m² registriert.

Mit einem auf 990 hPa gefallenen Kerndruck befand sich das Zentrum des Tiefdruckwirbels STEFAN am 16.04. über Zentralfinnland. Vom Kern erstreckte sich gegen 00 Uhr UTC eine Okklusionsfront bis zu ihrem Okklusionspunkt bei Archangelsk in Nordrussland, wo sie sich in eine nach Südosten ziehende Warm- und in eine entlang des Uralgebirges nach Süden reichende Kaltfront teilte. Bereits im Laufe der ersten Tageshälfte wurde das an Intensität nachlassende Tiefdruckgebiet STEFAN in die Zirkulation der sich vom Baltikum nach Zentralrussland verlagernden und an Stärke gewinnenden Zyklone UDO aufgenommen, sodass der 16.04. zugleich der letzte Tag war, an dem das Tief STEFAN als eigenständiger Wirbel auf der Berliner Wetterkarte analysiert und namentlich verzeichnet werden konnte.

 


Geschrieben am 24.05.2015 von Christian Ulmer

Berliner Wetterkarte: 13.04.2015

Pate: Stefan Zopp