Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet STEFAN
(getauft
am 15.06.2021)
Am
15.06.2021 befand sich über der Iberischen Halbinsel im 500 hPa-Niveau, also in
einer Höhe von knapp 5,5 Kilometer, ein ausgeprägter, jedoch vom Hauptstrom
abgetrennter Trog kalter Luft, an dessen Rand sich im Bodenniveau ein neuer
Tiefdruckwirbel auszubilden begann. Die Entwicklung jenes Wirbels wurde anhand
der Prognosekarte von 12 UTC, also 13 Uhr MEZ, des darauffolgenden Tages für
Zentralspanien vorhergesagt und auf den Namen STEFAN getauft.
Gegen
00 UTC des 16.06., also 12 Stunden vor der Prognose, befand sich der noch im
Anfangsstadium seiner Entwicklung befindliche Wirbel mit einem Druck von unter 1015
hPa bei Madrid. Zunächst nur geringfügig wetterwirksam wurde er am Rande des
Höhentroges mit einer südlichen Strömung rasch nach Norden geführt. Östlich
seines Zentrums entwickelten sich dabei über Frankreich entlang einer
sogenannten Konvergenzlinie im Tagesverlauf erste lokale Schauer. Eine
Konvergenzlinie stellt dabei eine Zone dar, in der innerhalb der gleichen
Luftmasse Luft aus unterschiedlichen Richtungen horizontal zusammenströmt und
somit zum Aufsteigen gezwungen wird. Je nach Stärke dieser Strömung können sich
dabei entlang eines engen Bereiches teils kräftige Schauer und Gewitter bilden.
Gleichzeitig kam es entlang der nach Osten voranschreitenden Kaltfront eines
Tiefs mit Zentrum bei Island über der Nord- und Westhälfte Frankreichs zu teils
ergiebigen Niederschlägen. Dies markierte nach einer vorangegangenen
Hochdruckwetterlage den Beginn eines unbeständigen Witterungsabschnitt in
Teilen Westeuropas, während zur selben Zeit auf der Vorderseite des Tiefs
STEFAN mit einer südlichen Strömung Heißluft aus dem Mittelmeerraum bis an den
Ärmelkanal und weiter nach Osten geführt wurde. Bei Tageshöchstwerten, die vor
der Kaltfront oftmals die 30°C-Marke überschritten, fielen während der sich im
Tagesverlauf entwickelnden beziehungsweise aus Westen aufziehenden Schauer binnen
24 Stunden an der Station im Pariser Park Montsouris 13,5 mm, in Cherbourg 23,5
mm und bei Le Mans 35,2 mm. An der Südostspitze Englands waren im
Einflussbereich des sich zum Abend dem Ärmelkanal nähernden Tiefs STEFAN bei
Manston in unter 12 Stunden gar bis zu 45,3 mm gefallen.
Mit
einem um 5 hPa gefallenen Druck befand sich das Zentrum des an Stärke
zunehmenden Tiefdruckwirbels STEFAN am Tageswechsel zum 17.06. nordwestlich von
Paris über der Bretagne. Er hatte in der Zwischenzeit Teile das Frontensystem
des unbenannten Islandtiefs eingeholt und in seine Zirkulation aufgenommen. So
reichte von seinem Kern sowohl eine Warmfront über die Nordsee in Richtung
Norwegen, wo es sich mit dem Frontensystem des Islandtiefs verband, als auch eine
Kaltfront in einem Bogen über Portugal auf den Atlantik hinaus, die über
Nordwestspanien sich wellenförmig deformierend vorübergehend den Charakter
einer Warmfront aufwies. In jenem Bereich entlang der Kaltfront begannen sich
im Tagesverlauf neue Tiefdruckzentren auszuprägen. Neben den Fronten des Tiefs
STEFAN erstreckte sich des Weiteren südöstlich seines Kerns erneut eine
Konvergenzlinie nach Süden, entlang derer sich im Tagesverlauf abermals hoch
aufragende Quellwolken mit einzelnen Schauern und lokalen Gewitter ausbildeten.
Sie reichte von Paris über Genf bis nach Genua. Hebungsprozesse im Kernbereich
des Wirbels als auch entlang des Frontensystems hatten dagegen bereits am
Vorabend und in der Nacht die bodennahen, feuchten Luftmassen in deutlich kühlere
Luftschichten aufsteigen lassen, wodurch sich im Gegensatz zu den regionalen
Schauern der Konvergenzlinie flächendeckende Niederschlagsfelder ausbildeten.
Diese konzentrierten sich mit ihren höheren Intensitäten vor allem nördlich des
Kerns und verlagerten sich im Tagesverlauf mit dem Tief vom Ärmelkanal über die
Nordsee in Richtung Norwegen. Mit den aufkommenden
Schauern der letzten Nacht war die Temperatur im Norden und Westen Frankreichs
merklich zurückgegangen. Von leichtem Regen begleitet stieg in Tours die
Temperatur noch auf maximal 24,3°C, am Vortag wurden noch 30,8°C erreicht. Der
mit dem Tief über die Nordsee aufziehende Regen führte in Teilen Norwegens
ergiebige Niederschläge mit sich, die beim Auftreffen auf die sie
blockierenden Gebirge und dem damit einhergehenden erzwungenen Aufgleiten sowie
auch durch Stauprozesse örtlich noch zusätzliche Intensivierung erfuhren.
Meldungen von Regenmengen über 20 mm waren in Südnorwegen keine Seltenheit:
Binnen 24 Stunden wurden am Leuchtturm der Insel Torungen 20,8 mm, in Rygge
27,2 mm und in Gjerstad 33,8 mm registriert.
Oslo verzeichnete 28,5 mm während im Vorort Asker sogar 39,5 mm und im nördlich
der norwegischen Hauptstadt gelegenen Hakadal bis zu 40,2 mm gemessen werden
konnten. Noch größere Niederschlagsmengen standen lediglich der hohen
Verlagerungsgeschwindigkeit des Wirbels entgegen. Währenddessen wurden für
Spanien und den Süden Frankreichs die sich über der Iberischen Halbinsel entwickelnden Wirbel THANANONT und ULFERT
wetterbestimmend, wodurch sich auch nach Abzug des Tiefs STEFAN der
wechselhafte und zu Schauern neigende Wettercharakter über Westeuropa
fortsetzte. Zum Vergleich: Im Einflussbereich des sich im Tagesverlauf
Frankreich langsam nähernden Tiefs THANANONT waren im
selben Zeitraum in Bordeaux 38,3 mm und bei La
Rochelle bis zu 48,8 mm gefallen. Deutschland befand sich zwischen Tief STEFAN
sowie jenen auf ihn folgenden Wirbeln und dem Russlandhoch ZOE in einer anhaltenden
südlichen bis südwestlichen Strömung, mit der beständig subtropische Luftmassen
aus dem Mittelmeerraum einflossen. Sie ließen wie schon in Frankreich
vielerorts das Quecksilber auf Werte jenseits der 30°C-Marke klettern.
Mancherorts wurden gar neue Höchstwerte für den Monat Juni aufgestellt. Selbst
an den Küsten wurde es hochsommerlich heiß: Bei bis zu 15 Sonnenstunden konnte
in Cuxhaven eine Höchsttemperatur von 33,8°C
und in Hamburg von 34,4°C festgestellt werden. Berlin-Tempelhof meldete 34,7°C,
Münster 35,5°C. Selbst an den Alpen stieg die Temperatur wie bei Kempten
auf hochsommerliche 30,7°C. Lediglich in einigen Regionen im Ostseeumfeld blieb
es etwas kühler, doch Ausnahmen bestätigen die Regel. Stieg beispielsweise im
Norden Rügens am Kap Arkona die Temperatur tagsüber auf maximal 23,3°C, wurden
keine 40 Kilometer südlich aus Putbus 29,1°C gemeldet. Die Sonne schien an
beiden Stationen über 15 Stunden. Nur der Wind war am Kap Arkona etwas stärker
ausgeprägt und erreichte dort in Böen Stärke 6, bei Putbus dagegen in Spitzen
Stärke 4. In den Abendstunden erreichte die Kaltfront
des Tiefs den äußersten Westen Deutschlands. Einzelne Schauer brachten erste
Abkühlung, größere Niederschlagsmengen fielen jedoch kaum: Olfen im
Kreis Coesfeld verzeichnete 1,6 mm, Wittmund 1,9 mm und aus dem Schwarzwald
wurden bis zu 8 mm berichtet. Sonst blieb es weitgehend trocken.
Bis
00 UTC des 18.06. hatte das Tief STEFAN, dessen Kerndruck auf 1015 hPa leicht
angestiegen war, mit seinem Schwerpunkt Oslo erreicht. Von seinem Zentrum
gingen zu diesem Zeitpunkt drei Fronten aus: Eine schwache und lediglich in der
Höhe analysierbare Warmfront erstreckte sich über die Ostsee nach Koszalin in
den Norden Polens, eine ebenfalls nur geringfügig wetterwirksame Kaltfront über
Hamburg und Köln bis nach Luxemburg, wo sie sich mit dem Frontensystem des über
Frankreich Richtung Nordsee ziehenden Tiefs THANANONT verband, und eine
Okklusionsfront in einem Bogen über Schweden bis in den Nordwesten Russlands.
Der Wirbel verlagerte sich auf seiner nordöstlichen Zugbahn zügig weiter in
Richtung Finnland. Über Skandinavien verloren seine Niederschläge dabei vorübergehend
allgemein an Intensität, ehe das Tief mit Annäherung an die Barentssee erneut
an Feuchtigkeit und Stärke gewinnen konnte. Am ergiebigsten waren die Niederschläge
in Lappland sowie im Norden Norwegens ausgeprägt, dort in Verbindung mit dem
ins Nordmeer ziehenden und sich dort zunehmend auflösenden Islandtief. Durch
anhaltenden, leichten bis mäßigen Regen wurden im schwedischen Parkalompolo 9,7
mm, in Tromsø 12,5 mm und im finnischen Winterort Saariselkä
als auch in Murmansk je 15,0 mm gemessen. Auf
der Kanin-Halbinsel am Weißen Meer gelegen, dem sich das Tief zum Tageswechsel
näherte, waren im russischen
Küstendorf Schoina bis zu 17,0 mm gefallen. Zwischen der durch die
Tiefdruckgebiete STEFAN und THANANONT aufgespannten Tiefdruckrinne und dem stabilen
Russlandhoch ZOE hielt der Zustrom heißer Luftmassen nach Deutschland weiter
an. Obwohl bis auf wenige Ausnahmen in ganz Deutschland Temperaturen zwischen
30°C und 36°C gemessen wurden, war der Wettercharakter zweigeteilt: Während am
Rande des Hochs ZOE mit einer südöstlichen Strömung trockene Luftmassen
herangeführt wurden, gelangten auf der Vorderseite der Tiefdruckrinne feuchte
Subtropikluft über Frankreich in den Westen, in der sich einzelne, teils
kräftige Gewitter bilden konnten. Luftmassen tropischen Ursprungs gelangten
über den Rheingraben gar bis nach Baden-Württemberg. Nur die Küstenregionen im
äußersten Nordwesten bildeten eine Ausnahme. Dort wirkte sich die Kaltfront des
abziehenden Tiefs STEFAN aus. In der hinter ihr einfließenden, kühleren und
wolkenreichen Meeresluft stieg die Temperatur auf Werte zwischen 23°C direkt an
der Küste und sommerlichen 28°C im Hinterland. Bereits ab Hamburg wurden mit
34,3°C wieder hochsommerliche Werte erreicht, auf Norderney lag der
Höchstwert dagegen bei 20,1°C, am Vortag waren es noch 33,2°C. Auf der
Ostfriesischen Insel aber auch in Emden führten Schauer binnen 6 Stunden
Regenmengen von 27,5 beziehungsweise 24,3 mm mit sich. In den übrigen Regionen
Deutschlands dominierte dagegen erneut nahezu wolkenloses Wetter, in der die
Sonne bis zu 16 Stunden schien und das Quecksilber mancherorts auf 36°C zu
klettern vermochte: Waghäusel-Kirrlach nahe des Rheins als auch Bernburg an der
Saale verzeichneten je 36,2°C, gefolgt von Lenzen an der Elbe mit 36,0°C.
Potsdam meldete 35,5°C, Berlin-Dahlem 34,5°C und Stuttgart 33,4°C. Durch
lokale, sich im Südwesten und Westen im Tagesverlauf bildende Schauer und
Gewitter fielen binnen 24 Stunden in Freudenstadt 3,9 mm, auf dem Weinbiet 10,0
mm und in Rheinstetten 15,4 mm, sonst waren zumeist unter einem Millimeter
gefallen.
Mit
einem auf unter 1000 hPa gefallenen Druck befand sich der Schwerpunkt des Tiefs
STEFAN am 19.06. über der Ostspitze Kola-Halbinsel, zwischen dem Weißen Meer
und der Barentssee. Mit Annäherung des Tiefs an die Barentssee hatte es zwar
nochmals an Feuchtigkeit gewinnen können, doch konzentrierten sich die
Niederschläge weiterhin mit ihren höheren Intensitäten entlang seines sich nach
Osten abdrehenden Zentrums. Im Hinblick darauf war sein weitläufiges, Teile
Nordosteuropas umspannendes Frontensystem kaum noch wetterwirksam.
Hervorzuheben ist jedoch seine nach Zentralrussland reichende Warmfront, die im
Laufe des Tages von der ihr nacheilenden Kaltfront eingeholt wurde. Entlang der
aus dem Zusammenschluss beider hervorgehenden Okklusionsfront entwickelte sich
nochmals ein markantes, wenn auch eng begrenztes Niederschlagsband, dass über
den Ural hinaus nach Sibirien abzog. Innerhalb von 24 Stunden wurden durch
mitunter schauerartig verstärkten Regen in 24 Stunden am Nordural in Workuta
14,0 mm, in Bugrino auf der Insel Kolgujev 17,0 mm und bei Narjan-Mar, der
Hauptstadt des autonomen Kreises der Nenzen, 18,1 mm registriert. Zwischen dem
Tief und dem über Zentralrussland verbliebenden Hoch ZEO konnte die subtropische
Heißluft von Mitteleuropa über das Baltikum nach Südfinnland und weiter über
Russland in Richtung Ural vordringen. So wurde in Helsinki eine
Höchsttemperatur von 28,8°C, am Nurmijärvi Geophysical Observatory 29,6°C und
in Heinola 30,6°C erreicht. Zwei Tage zuvor wurden im Süden des Landes Werte
zwischen 20°C und 25°C vermerkt. Ähnliche Temperaturen wurden auch aus Russland
gemeldet: In Moskau wurde ein Maximalwert von 29,2°C, in Wologda 30,7°C und in Kasan
28,3°C gemessen. Der hochsommerliche Wettercharakter setzte sich in Deutschland
weiter fort, doch nahm die Schauer- und Gewitterneigung mit Annäherung
verschiedener Tiefdruckausläufer in der Westhälfte des Landes zu: Nach Abzug
des Tiefs STEFAN war auf nahezu identischer Zugbahn der Wirbel THANANONT und
auf ihn alsbald das Spanientief ULFERT gefolgt, wodurch beständig subtropische
Luftmassen nachgeführt wurden und sich die Heißluft neben Mitteleuropa auch im
Nordosten Europas weiter ausbreiten konnte.
Tief
STEFAN hatte zum 20.06. das Uralgebirge nach Westsibirien überquert und lag um
00 UTC mit einem Druck von unter 995 hPa nördlich von Tobolsk. Auf seiner
östlichen Zugbahn verließ er in den darauffolgenden Stunden den von der
Berliner Wetterkarte erfassten Analysebereich, wodurch die Zyklone anschließend
nicht mehr auf jener namentlich verzeichnet werden konnte. Letzter, ihr
zuzuordnender, schauerartiger Regen brachte in den nahe Surgut gelegenen Orten
Salym 17,0 mm und Sytomino 22,8 mm mit sich. Wurden im Westen Russlands
aufgrund der sich weiter ausbreitenden subtropischen Luftmassen von St.
Petersburg über Moskau und Nischni Nowgorod bis an die Wolga Temperaturen um
oder über 30°C erreicht, maß sie östlich des die Kontinente trennenden
Gebirgszuges kaum 15°C.